Sachbericht zur Veranstaltung „Politische Pädagogik – Hegemonie und Bildung bei Antonio Gramsci“
1. Der Beginn einer Debatte – raus aus der Universität, rein in die Auseinandersetzung.
Im Berliner Haus der Demokratie und Menschenrechte wurde am 30. Januar 2007, mit Unterstützung durch die Rosa-Luxemburg-Stiftung, eine Diskussion zu pädagogischen Aspekten im Werk des italienischen Kommunisten Antonio Gramsci veranstaltet. Zur Freude der beiden VeranstalterInnen fanden ca. 80 Leute ins HdD, darunter nicht wenige professionelle BildungsarbeiterInnen, LehrerInnen und Studierende aus unterschiedlichen Zusammenhängen, von politischen Organisationen bis hin zu Gewerkschaften und unabhängigen Bildungsträgern. Begonnen wurde mit einem kurzen Input von Janek Niggemann, in dem der Anlass der Veranstaltung und der thematische Rahmen erläutert wurden. Ausgangspunkt war ein von Kathrin Audehm und Janek Niggemann gemeinsam veranstaltetes Seminar am Fachbereich Erziehungswissenschaften der Freien Universität Berlin im Winterhalbjahr 2006/07. Daraus erwuchsen zahlreiche inhaltliche Fragen und vielfacher Diskussionsbedarf, aber besonders auch das Bedürfnis, sich mit dem eigenen Wissensstand an andere, mit Bildung und Erziehung befasste Menschen zu richten, denen die Universität zu speziell ist für eine allgemeine und übergreifende Auseinandersetzung. Die Veranstaltung war demnach von dem Versuch gekennzeichnet, die bis dato sehr theoretisch und im wissenschaftlichen Feld geführte Debatte um die Verbindungen von Politik, Erziehung, Veränderung und Selbstermächtigung aus der Universität herauszutragen in eine breitere Öffentlichkeit.
Antonio Gramsci war in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts eine zentrale Figur der italienischen Linken. Als Mitglied der kommunistischen Partei, als Begründer einer Arbeiterzeitschrift und vor allem als Organisator von Arbeiterbildungszirkeln gelang es ihm, die Grenze zwischen Selbstbildung und politischer Organisierung zu überwinden und eine kämpferische ArbeiterInnenbewegung voran zu treiben. Nach seiner Inhaftierung durch die italienischen Faschisten im Jahre 1929 waren besonders seine Überlegungen und Erfahrungen in diesen Bereichen Gegenstand seiner Reflexionen. Unter widrigen Umständen und auf die einfachsten Hilfsmittel wie Papier und Stift begrenzt, erarbeitete er sein fragmentarisches Hauptwerk, die Gefängnishefte.
Neben vielen offenen Fragen der marxistischen Theorie und Praxis befasste sich Gramsci insbesondere mit der Bedeutung von Erziehung und Bildung als der Fähigkeit der bürgerlichen Gesellschaft, ihre Stabilität durch Hegemonie zu sichern. Der Staat ist darin nicht nur das repressive Organ der Herrschenden, sondern tritt auch als Erzieher auf den Plan. Seine Aufgabe ist, die Menschen immer wieder dazu zu bringen, sich an veränderte Produktionsweisen zu gewöhnen, ihnen zuzustimmen, sich in ihnen einzurichten. Damit ist ein Kerngedanke unserer Veranstaltung berührt: Wenn westlich-kapitalistische Gesellschaften so gut funktionieren und auch schwere Krisen überwinden können, liegt das auch an der Fähigkeit, die Menschen zu überzeugen, sie einzubinden in die Veränderungen, sie zu erziehen und zur Selbsterziehung zu veranlassen. Pädagogik und Politik sind dann keine getrennten Bereiche mehr, sie bilden eine komplexe Einheit. Wie lässt sich aber das gramscianische Instrumentarium für die heutige Zeit nutzbar machen? Welches sind die wichtigen Überlegungen für das Hier und Jetzt? Und wo muss neu nachgedacht werden, mit Gramsci und über ihn hinaus? Diese und andere Fragen bildeten den inhaltlichen Rahmen, mit dem sich auch die eingeladenen ReferentInnen sehr engagiert auseinandersetzten.´
2. Wie verstehen, was zu tun ist? Wie das tun, was verstanden ist? Die drei eingeladenen ReferentInnen zeigten sich sicher im Themenfeld und fanden gleichfalls methodisch sauber ihren je besonderen Zugang. Beginnend mit einer grundlegenden Übersicht der zentralen Aspekte von Gramscis Hegemonietheorie, gelang es Andreas Merkens im ersten Beitrag durch eine genaue Analyse die für pädagogische Reflexion notwendigen Anhaltspunkte und Diskussionslinien herauszuarbeiten. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Frage nach den Grundlagen und Prämissen einer an Erziehung und Bildung orientierten gegenhegemonialen Bewegung und ihrem Zusammenhang zu Organisationsformen politischer Praxis, auch im Kontext sozialer Bewegungen. Dem Ende des ersten Beitrages folgte eine erste, angeregte Diskussion, die Vertiefung einzelner Punkte und die Artikulation der Interessen des Publikums, die in ihren unterschiedlichen Facetten vom Referenten kommentiert und im Plenum diskutiert wurden. Christina Kaindl setzte die Veranstaltung fort, indem sie eine Konkretisierung der bereits theoretisch entworfenen Probleme vornahm. Neben der schwierigen Aufgabe, die Kritische Psychologie in wenigen Minuten einführend zu referieren, gelang es Kaindl, die an Gramsci entwickelte Theorie von Hegemonie mit zeitgenössischen Formen des Umgangs mit Prekarisierung zu verknüpfen und der Verbindung von Arbeits- und Lebensverhältnissen nachzuspüren. Entlang der kritisch-psychologischen Kategorien der „objektiven Bestimmtheit“ und der „subjektiven Bestimmung“ wurden die konkreten Auswirkungen (bspw. die psychischen Kosten) sich rasant verändernder Lebens- und Lernumstände mit Gramsci zusammengedacht. Die nachfolgende, sehr angeregte Diskussion bot die Gelegenheit, mit verschiedensten Interessen eine an politischer Problematisierung und Praxisreflexion orientierte Debatte zu führen. Dass dies so gut und sehr umfassend funktioniert hat, ist vor allem auch der regen Beteiligung aus dem Publikum zu verdanken. Nach einer kurzen Pause war es Nancy Wagenknecht vorbehalten, sich im letzten Beitrag mit der Bedeutung einer an Gramsci reflektierten pädagogischen Alltagspraxis zu befassen. Zu diesem Zweck verließ Wagenknecht das Podium-Publikum-Setting, um anhand einer Präsentation und eines kurzen Videoclips Beispiele aus der politischen Jugendbildungsarbeit vorzustellen. Damit wurde gleichermaßen eine gemeinsame Bezugnahme hergestellt: indem die Diskussionsbeiträge, die auf Wagenknechts Input folgten, sich aus spezifischem Blickwinkel am gleichen Beispiel orientierten, konnte unterschiedliche Probleme übergreifend und trotzdem präzise erörtert werden. 3. Für eine Verbindung von Bildung und Politik. Zum Ende der Veranstaltung hin verbreiterte sich die Diskussion nochmals auf die ersten zwei Beiträge und wurde sowohl auf dem Podium, wie auch vom Publikum umfassend geführt. Im Nachklang der Veranstaltung lässt sich sagen, dass es gelungen ist, einige der wenigen Akteure der pädagogischen Gramsci-Lektüre zusammenzubringen und die Diskussion für ein breiteres Publikum zu öffnen. Gleichzeitig wäre diese Art der Zusammenkunft ohne die Unterstützung der RLS kaum möglich gewesen. So ist auch ein Anfang gemacht, sich in Zeiten der Verdrängung kritischer Wissenschaft einerseits und der „Pädagogisierung des Alltags“ der eigenen Ausgangslage bewusst zu werden. Und dann anzufangen, politische Veränderung auch als (Selbst-) Bildung einer emanzipatorischen Linken zu verstehen und sie dementsprechend weiterzuentwickeln.
2. Wie verstehen, was zu tun ist? Wie das tun, was verstanden ist? Die drei eingeladenen ReferentInnen zeigten sich sicher im Themenfeld und fanden gleichfalls methodisch sauber ihren je besonderen Zugang. Beginnend mit einer grundlegenden Übersicht der zentralen Aspekte von Gramscis Hegemonietheorie, gelang es Andreas Merkens im ersten Beitrag durch eine genaue Analyse die für pädagogische Reflexion notwendigen Anhaltspunkte und Diskussionslinien herauszuarbeiten. Ein besonderer Fokus lag dabei auf der Frage nach den Grundlagen und Prämissen einer an Erziehung und Bildung orientierten gegenhegemonialen Bewegung und ihrem Zusammenhang zu Organisationsformen politischer Praxis, auch im Kontext sozialer Bewegungen. Dem Ende des ersten Beitrages folgte eine erste, angeregte Diskussion, die Vertiefung einzelner Punkte und die Artikulation der Interessen des Publikums, die in ihren unterschiedlichen Facetten vom Referenten kommentiert und im Plenum diskutiert wurden. Christina Kaindl setzte die Veranstaltung fort, indem sie eine Konkretisierung der bereits theoretisch entworfenen Probleme vornahm. Neben der schwierigen Aufgabe, die Kritische Psychologie in wenigen Minuten einführend zu referieren, gelang es Kaindl, die an Gramsci entwickelte Theorie von Hegemonie mit zeitgenössischen Formen des Umgangs mit Prekarisierung zu verknüpfen und der Verbindung von Arbeits- und Lebensverhältnissen nachzuspüren. Entlang der kritisch-psychologischen Kategorien der „objektiven Bestimmtheit“ und der „subjektiven Bestimmung“ wurden die konkreten Auswirkungen (bspw. die psychischen Kosten) sich rasant verändernder Lebens- und Lernumstände mit Gramsci zusammengedacht. Die nachfolgende, sehr angeregte Diskussion bot die Gelegenheit, mit verschiedensten Interessen eine an politischer Problematisierung und Praxisreflexion orientierte Debatte zu führen. Dass dies so gut und sehr umfassend funktioniert hat, ist vor allem auch der regen Beteiligung aus dem Publikum zu verdanken. Nach einer kurzen Pause war es Nancy Wagenknecht vorbehalten, sich im letzten Beitrag mit der Bedeutung einer an Gramsci reflektierten pädagogischen Alltagspraxis zu befassen. Zu diesem Zweck verließ Wagenknecht das Podium-Publikum-Setting, um anhand einer Präsentation und eines kurzen Videoclips Beispiele aus der politischen Jugendbildungsarbeit vorzustellen. Damit wurde gleichermaßen eine gemeinsame Bezugnahme hergestellt: indem die Diskussionsbeiträge, die auf Wagenknechts Input folgten, sich aus spezifischem Blickwinkel am gleichen Beispiel orientierten, konnte unterschiedliche Probleme übergreifend und trotzdem präzise erörtert werden. 3. Für eine Verbindung von Bildung und Politik. Zum Ende der Veranstaltung hin verbreiterte sich die Diskussion nochmals auf die ersten zwei Beiträge und wurde sowohl auf dem Podium, wie auch vom Publikum umfassend geführt. Im Nachklang der Veranstaltung lässt sich sagen, dass es gelungen ist, einige der wenigen Akteure der pädagogischen Gramsci-Lektüre zusammenzubringen und die Diskussion für ein breiteres Publikum zu öffnen. Gleichzeitig wäre diese Art der Zusammenkunft ohne die Unterstützung der RLS kaum möglich gewesen. So ist auch ein Anfang gemacht, sich in Zeiten der Verdrängung kritischer Wissenschaft einerseits und der „Pädagogisierung des Alltags“ der eigenen Ausgangslage bewusst zu werden. Und dann anzufangen, politische Veränderung auch als (Selbst-) Bildung einer emanzipatorischen Linken zu verstehen und sie dementsprechend weiterzuentwickeln.