„Wir müssen wie das Wasser sein“

Die Internationale Konferenz "Die offenen Wasserhähne Lateinamerikas", gemeinsam durchgeführt mit der Casa Bertold Brecht, war eine der erfolgreichsten Veranstaltungen des WSF. Ein Bericht von Klaus Lederer.

„Wir müssen wie das Wasser sein“, sagte der Aktivist der Antiprivatisierungsbewegung Boli-viens Oscar Olivera unter dem stürmischen Beifall von nahezu 2.000 Menschen. Dies konnte an diesem Tag durchaus im übertragenen wie im wörtlichen Sinne verstanden werden. Im Konferenzzelt, welches unter gewöhnlichen Umständen 600 Menschen Platz bietet, konnte nichts mehr zu Boden fallen. Die Sonne prallte aufs Dach und die Temperatur stieg nahezu unerträglich an. Alle drängten sich, um Maude Barlow aus Kanada („Das blaue Gold“, ge-meinsam mit Tony Clarke), den Schriftsteller Eduardo Galeano („Die offenen Adern Latein-amerikas“) und andere zu sehen und zu hören. Es ist überraschend, welche Resonanz die Diskussionen um Liberalisierung und Privatisie-rung von Wasser auf dem Weltsozialforum haben. Sicherlich sind die Kämpfe in Bolivien und das erfolgreiche Plebiszit Ende 2004 in Uruguay wichtige Ereignisse gewesen, um die Bemü-hungen transnationaler Konzerne aus Wasserinfrastrukturen Kapital zu schlagen – mit der Unterstützung nationaler Regierungen und internationaler Entwicklungshilfeinstitutionen, in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Nun schafft Wasser Identifikation, es wird zum Sym-bol für die Kämpfe in Lateinamerika. Dies hat Alberto Muñoz aus Argentinien in sehr poeti-schen Bildern auf den Punkt gebracht. Wasser steht für die Grundlagen des Lebens. Nein, Wasser ist Leben. Sind nicht mehr als die Hälfte jedes bios Wassermoleküle? Man kann Was-ser nicht privater Verfügung zuweisen, ohne die menschliche Substanz privater Verfügung zuzuweisen. Man kann den hydrologischen Kreislauf nicht in „öffentliche“ und „private“ Wassermoleküle zerhacken. Der erste Teil der Konferenz widmete sich der Lage in Argentinien, Nicaragua, Bolivien, Chi-le, Brasilien und – in Beziehung dazu – auch der Bundesrepublik. Fünf Beiträge und ein an-schließender Austausch hielten etwa 600 Menschen für dreieinhalb Stunden gefangen. Sie diskutierten engagiert, stellten sich Fragen, suchten Antworten und machten einander Mut. Deutlich wurden aber auch die Defizite und Grenzen augenblicklicher Handlungsmöglichkei-ten und des Stands der Debatte. Genügt es, „No!“ zu sagen? Martín Schorr thematisierte am Beispiel von Buenos Aires die Probleme, die mit den gewonnenen Kämpfen um lokale Herr-schaft über die Wasserinfrastrukturen erst beginnen: Gelingt es, die angerichteten Schäden, die unterlassenen Investitionen aus gebrochenen Verträgen, die Verschuldungslasten des städ-tischen Betriebes denjenigen in Rechnung zu stellen, die – nachdem sich ein Geschäft für sie als nicht mehr lukrativ erweist – sich absetzen, um neue Verwertungsoptionen aufzuspüren? Oder wird es weiter so sein, dass die lokalen Gemeinwesen und die Menschen die Lasten zu tragen haben, die Suez, Veolia und RWE/Thames Water in den Städten und Regionen des Südens hinterlassen? Menschen für den Kampf auf Wasserzugang für Alle zu mobilisieren und aufzurütteln – dies war die Funktion des nur anderthalb Stunden währenden zweiten Teils der Konferenz. Nach der beeindruckenden Geschichte Eduardo Galeanos endete die Konferenz mit dem Sturm der Bühne. Es gab nichts mehr, was an diesem Freitag noch hätte folgen können. Viele trugen ihre e-mail-Adressen in Listen ein, um sich an einer Vernetzung zu beteiligen, die den Druck auf die nationalen Regierungen, IWF und Weltbank sowie auf die transnationalen Konzerne zu erhöhen. Leider schlug das Grundproblem des Weltsozialforums auch auf die Diskussion auf der Wasserkonferenz durch: es fehlte die Koppelung an die gleich gelagerten Probleme Asiens, Osteuropas, Afrikas. Aber es wird nicht Schluss sein mit dem Engagement von Akti-vistinnen und Aktivisten – manches muss man sich für die Zukunft aufheben! Casa Bertold Brecht/Instituto Rosa Luxemburg Stiftung