Was haben Republikaner in Deutschland, Front National in Frankreich, Vlaams Belang in Belgien und die neu konstituierte „Bewegung für die Zukunft Österreichs“ (BZÖ) außer ihrer rechtspopulistischen oder rechtsextremistischen Ausrichtung gemeinsam? Sie alle treffen auf eine Situation der neoliberalen Globalisierung, in der wir es mit einem paradigmatischen Wechsel vom Wirtschafts- und Sozialstaat hin zum Wettbewerbsstaat zu tun haben. Die Ausbreitung des „Standortnationalismus“ (Christoph Butterwegge) und die Ökonomisierung aller Lebensbereiche sorgen für ein gesellschaftliches Klima, an das rechtsextremes Gedankengut sehr gut anschlussfähig ist und in dem rechte Ideologen die soziale Frage zentral ausgestalten können. Um dann mit Nationalismus, der Forderung nach einem starken Staat, Ausgrenzung und Rassismus Probleme „lösen“ zu wollen. Damit wenden sie sich ebenso an diejenigen, die von Arbeitslosigkeit und Prekarisierung von Arbeit und Alltag verunsichert sind (auch wenn sie selbst nicht betroffen sind) wie auch an jene, denen daran gelegen ist, im internationalen Wettbewerb zu bestehen und damit die eigenen Pfründe zu sichern. Konkurrenz und Profitmaximierung als zentrale gesellschaftliche Prinzipien erzeugen nicht nur am rechten „Rand“ eine Mentalität, die das Soziale als Belastung und Ausgrenzung als Normalität deklariert. Zugleich lässt sich ein zunehmender Autoritarismus in der gegenwärtigen kapitalistischen Phase feststellen, der das Erstarken der Rechten stützt (Ralf Ptak).
Auf Einladung der RLS NRW, der GUE/NGL, Espaces Marx, der RLS Berlin und weiterer KooperationspartnerInnen diskutierten über 100 TeilnehmerInnen die Schnittstellen, an denen sich neoliberale Maximen mit Kernelementen der modernisierten Rechten in verschiedenen europäischen Ländern treffen. Hermann Dworczak aus Österrreich wies darauf hin, dass die extreme Rechte schon intensiv europäisch zusammenarbeitet, zum Beispiel in der Vorbereitung auf die nächsten Wahlen des europäischen Parlaments. Angesichts der allgemeinen Ausgangssituation des neoliberalen Umbaus der europäischen Staaten und einer erstarkenden Rechten wird die Analyse sowie ein gemeinsames Vorgehen der Linken auf europäischer Ebene immer notwendiger, so Elisabeth Gauthier aus Paris.
Erste Schritte dazu ging man schon im direkten Anschluss an die Tagung: Beteiligte Aktive und WissenschaftlerInnen gründeten ein Netzwerk unter dem Namen „European Initiative on modern right extremism and populism“. Darin sollen theoretische und praktische Arbeit in der Auseinandersetzung mit modernem Rechtsextremismus und -populismus zusammengeführt werden. Dies wird über die systematische Erfassung von Informationen und Forschung zum Thema Rechtsextremismus geschehen. Auf einer mehrsprachigen Homepage wird das Wissen für ein vernetztes Wirken auf europäischer Ebene bereitgestellt werden. Geplant ist auch ein gemeinsames Seminar zum Thema beim nächsten Europäischen Sozialforum in Athen. Dem Netzwerk geht es vor allem darum, Möglichkeiten für ein gemeinsames Vorgehen bereitzustellen und damit als Theorie-Praxis-Schnittstelle politisch zu agieren.
Die Beiträge und Ergebnisse der Tagung werden im Herbst 2006 beim Dietz-Verlag erscheinen.
(Bericht: Susanner Spindler)
Programm:
10:00 - 12:30 Uhr Eröffnungsplenum
Rechtsextremismus und -populismus in Europa unter neoliberalen Bedingungen – Aktuelle Entwicklungen und Tendenzen
Mit: Jean-Yves Camus, European Center for the Study of Racism and Antisemitism (CERA), Paris
Globalisierung, Neoliberalismus und Rechtsextremismus
Mit: Christoph Butterwegge, Forschungsstelle für interkulturelle Studien, Uni Köln (FiSt)
Der Ort des Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft
Mit: Margarete Jäger, Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS)
13:30 - 16:00 Uhr Arbeitsgruppen
AG 1: Revival des “survival of the fittest“ und die Verschärfung sozialer Ungleichheit: struktureller Rassismus und Rechtsextremismus
Mit: Ineke van der Valk, Migrationsforscherin, Niederlande
Gerd Wiegel, Mobile Beratung in Thüringen – Für Demokratie gegen Rechtsextremismus
AG 2: Marktliberal und national, konkurrenzfähig und sozial? Rechtsextreme Gesellschaftsentwürfe
Mit: Hermann Dworzak, Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands
Ralf Ptak, Uni Köln
AG 3: Ziemlich prekär: der Umgang mit neuen Unsicherheiten in der extremen Rechten
Mit: Gabrielle Balazs, Centre National de la
Recherche Scientifique (CNRS)/Centre d’études de l’emploi (CEE), Paris
Gudrun Hentges, FH Fulda, SIREN-Projekt
AG 4: Gewerkschaften und die Rechten:
wem gehört die Arbeit?
Mit: Agnes Jarzyna, European Migrant Workers Uni-on, Frankfurt
Michael Fichter, FU Berlin
AG 5: Allein auf weiter Flur? Alltag des Wider-stands gegen rechte Denk- und Handlungsmuster
Mit: René Monzat, Ras le Front, Frankreich
Olga Schell, Opferperspektive Brandenburg
16:30 - 18:30 Uhr Abschlussdiskussion
Sich nicht erschlagen lassen: Handlungsperspektiven gegen Rechtsextremismus und Neoliberalis-mus in Europa
Mit: Wolfgang Dreßen, Arbeitsstelle Neonazismus Uni Düsseldorf, Elisabeth Gauthier, Espaces Marx, Paris, Vittorio Agnoletto, MEP Fraktion GUE/NGL (angefragt), G.M. Tamas, Philosoph, Ungarn u.a.
Moderation: Meinhard Meuche-Mäker, Rosa-Luxemburg-Bildungswerk Hamburg
Veranstalter: Rosa-Luxemburg-Stiftung NRW, GUE/NGL, DISS, Fist, Espaces Marx, Sozialistisches Forum Rheinland und RLS Berlin