Nachricht | Krieg / Frieden - Waffenexporte Heckler & Koch – Prozesstag 7: Ein deutscher Beamter im Dienst der Wirtschaft

«Fort ist fort» ist im BMWi die Devise bei Waffenexporten.

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Autor

Jan van Aken,

Bundeswirtschaftsministerium, Berlin
Das Bundeswirtschaftsministerium: «Papiere waren in Ordnung und wir waren der Überzeugung, das hat seine Richtigkeit.» Hauptgebäude des BMWi in Berlin, CC BY-SA 3.0, Foto: Jörg Zägel, via Wikimedia Commons

Der zuständige Beamte aus dem Wirtschaftsministerium gibt gleich zu Beginn seiner Vernehmung sein Rollenverständnis zu Protokoll: Sein Ministerium heiße ‚Ministerium FÜR Wirtschaft’ und habe dementsprechend «ein Interesse daran, dass dieser renommierte Hersteller […] wirtschaftlich überleben kann.» Und er machte klar, was wir schon lange sagen: Wenn Waffen erst einmal exportiert sind, gibt es überhaupt keine Kontrolle mehr. «Fort ist fort.»

Ein Bericht vom 7. Prozesstag am 10. Juli 2018.

 

Der Hauptzeuge des heutigen Tages – und vielleicht des ganzen Prozesses – war Claus W., bis 2015 Referatsleiter im Wirtschaftsministerium und zuständig für die Kriegswaffenexporte nach Mexiko. An der entscheidenden Stelle gab er sich zerknirscht: Ja, sie hätten damals besser auch die Beschränkung auf bestimmte Bundesstaaten in die Genehmigung mit reinschreiben sollen. «Das wäre eine Kleinigkeit gewesen, das in der Genehmigungsurkunde direkt mit aufzunehmen.» Aber sie hätten es damals eben eindeutig gefunden, sich in der Genehmigung auf den Antrag und die damit eingereichten Unterlagen zu beziehen. Sie hätten auch überhaupt kein Problem damit gehabt, die zu beliefernden mexikanischen Bundesstaaten dort noch zusätzlich aufzuführen. «Man mag uns jetzt Nachlässigkeit vorwerfen, aber wir haben nicht daran gedacht, wir dachten, es sei klar.»

Auf die Frage einer Verteidigerin, ob Claus W. denn davon ausgegangen sei, dass die Belieferung kritischer Bundesstaaten ausgeschlossen gewesen sei, sagte er nur, das sei nie auszuschließen. Natürlich sei allen klar gewesen, dass es eine 100-prozentige Sicherheit nie gäbe. Wenn man die wolle, dürfe man eben keine Exporte genehmigen. Da kann man ihm nur zustimmen, finde ich.

Eine Beschränkung auf einzelne Bundesstaaten habe es außer bei Mexiko nur bei Indien gegeben. Es habe sich jetzt gezeigt, dass der Verbleib innerhalb des Landes nur schwer zu kontrollieren sei. Und dass die zuständige Stelle in Mexiko eine Lüge präsentiert habe. Und dann das Zitat des Tages: «Sobald ein Export stattgefunden hat, ist nichts mit sicherstellen mehr. […] Fort ist fort. Wenn‘s außerhalb der deutschen Grenzen ist, kann man da, selbst wenn man Purzelbäume schlägt, nichts mehr daran ändern, wenn der Vertragspartner sich nicht vertragsgerecht verhält.» Und später im Prozess nochmals: „Wenn es erstmal über die deutsche Grenze ist, sind unsere Möglichkeiten extrem eingeschränkt, nahezu nicht vorhanden.»

Auf die Frage, wie er sich erklärte, dass die Mexikaner derart schnell neue Endverwender nennen konnten, hat Claus W. auch eine passende Erklärung parat. Vielleicht sei es ja das Interesse der Mexikaner gewesen sei, das entsprechende Budget nicht verfallen zu lassen. Es sei zwar erstaunlich schnell gewesen, dass innerhalb einer Woche neue Endverbleibserklärungen vorlagen, vor allem, wenn man wisse, dass Behörden im Ausland eher ein bisschen länger Zeit bräuchten. Aber: «Wir waren ja dann quasi auch froh, wenn wir den Fall damit positiv abschließen konnten. Papiere waren in Ordnung und wir waren der Überzeugung, das hat seine Richtigkeit.»

Im weiteren Verlauf des Prozesstages ging es vor allem um die Frage, was genau ein genehmigter oder ein ungenehmigter Export sei. Claus W. verstieg sich zu der Einschätzung, dass es ein genehmigter Export sei, wenn die Waffenfirma nicht wusste, dass das Empfängerland von Anfang an nur eine Scheinerklärung abgegeben hat und die Waffen in einen anderen Bundesstaat gingen. Wenn die Firma allerdings von Anfang an davon Kenntnis hatte, dann, so Claus W., sei das ein «klassischer Fall des Erschleichens einer Genehmigung.» Das sei dann eine ungenehmigte Ausfuhr.

Der Vorsitzende Richter gab ihm an diesem Punkt Recht und meinte, dass letztendlich die Kenntnis des Antragstellers das entscheidende Kriterium für ‚genehmigt’ oder ‚nicht genehmigt’ sei. Und gab dann sehr klare Hinweise darauf, wie er – bislang – die rechtliche Situation einschätze. Nach seinem Ergebnis, das er in Vorbereitung habe, könne der tatsächliche Endverbleib der Waffe nicht Inhalt einer Genehmigung sein, da es verwaltungsrechtlich weder zur Auflage noch zur Bedingung gemacht werden könne. «Das ist nicht handhabbar. Das ist nicht umsetzbar.» Der Richter ging sogar noch einen Schritt weiter und meinte, seit Wochen würden sie sich das Hirn über dieser Frage zermartern und sie hätten keinen Weg gefunden, wie so etwas verwaltungstechnisch überhaupt umgesetzt werden könne.

 

Weitere interessante Details

«Neu für Alt»: Dieses Prinzip sieht vor, dass ein Empfängerland von deutschen Kleinwaffen alte Waffen vernichtet und dafür die Lieferung der neuen Waffen genehmigt bekommt. Die Logik: So würde durch die deutschen Waffenexporte kein Mehr an Waffen geschaffen werden, sondern lediglich Waffen ersetzt werden. Claus W. hat dazu eine klare Meinung: Darauf habe auch der Antragsteller kaum Einfluss, ob das nun wirklich umgesetzt wird. Aus seiner Sicht sei das «eher so ein Bemühensunterfangen“ gewesen. Deshalb wurde das Prinzip «Neu für Alt» auch nur als Hinweis ganz am Ende der Genehmigung erwähnt, das sei aber keine Auflage oder Bedingung gewesen, nur ein Hinweis.

Türkei/Kurdistan: Der Vorsitzende Richter fragte Claus W. nach den Sonderregeln für einzelne Waffenexporte in die Türkei, nach denen diese nicht gegen Kurden eingesetzt werden dürfen. Claus W. betonte, dass diese Verwendungsbeschränkung vertraglich zwischen dem Verteidigungsministerium und der türkischen Regierung vereinbart worden sei, das sei nicht über die Genehmigung gelaufen.

Heckler & Koch: Er glaube, so Claus W., dass Heckler & Koch das Unternehmen ist, das die meisten Anträge nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz beim Bundesministerium für Wirtschaft stellt. Er vermute, dass es ca. 60, 70 Anträge pro Jahr gewesen seien.