Egal ob progressive Linke oder Mainstream-Diskurs: Immer wieder stolpert man über den «Green New Deal». Ist das nur eine weitere leere Worthülse fürs Greenwashing der großen Politik oder doch endlich ein Narrativ, das die sozial-ökologische Transformation wirklich voranbringen kann? Wir haben das mit den Mitarbeitenden unserer Stiftungsbüros weltweit diskutiert.
Ein massives sektorenübergreifendes Investitionsprogramm für eine klimafreundliche Wirtschaft und Gesellschaft und ein damit verbundenes umfangreiches Programm für mehr soziale Gerechtigkeit – das ist das große Versprechen des Green New Deal. Seit einigen Jahren kreisen vor allem in den USA und in Europa die Diskussionen darum – sowohl in linken Kreisen wie auch im Mainstream. «Der Green New Deal, so wie er in den Debatten daherkommt, verspricht als Antwort auf die doppelte Krise von extremer globaler Ungerechtigkeit und voranschreitendem Klimawandel eine umfassende Transformation der Wirtschaft», bringt es Tetet Lauron von den Philippinen, Beraterin der Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS), auf den Punkt. «Das beflügelt die Phantasie derjenigen, die hoffen, mit einem großen Gesetzgebungspaket Lösungen für die strukturellen Probleme der heutigen Welt auf den Weg zu bringen.»
Die Transformation des Autosektors ist eine riesige Herausforderung und kann nur im Rahmen eines Konzeptes wie dem Green New Deal geleistet werden.
Manueal Kropp, RLS-Büro Brüssel
Inzwischen rollt mit der Corona-Pandemie die nächste Megakrise über alle Kontinente. Sie lässt die strukturellen Probleme unserer Gesellschaften wie unter einem Brennglas zu Tage treten und verschärft sie gleichzeitig: krasse soziale Ungleichheit, erodierte Sozialsysteme, eine wachstumsabhängige Wirtschaft, die zu kollabieren droht, wenn der Motor nicht mehr läuft. Mittlerweile zeichnet sich eine größere Rezession als in den 1930er Jahren ab. Eng verbunden mit der GND-Debatte ist deshalb die Frage: Wie sieht eine gerechte Erholung – im Englischen diskutiert unter «just recovery» – aus? Anstatt aber umzudenken, werden überall die altbekannten «Lösungen» hervorgekramt (wie die Milliardensummen zeigen, die für die Rettung von Airlines und Kreuzfahrt-Konzernen mobilisiert werden).
«Man kann nicht zu einem System zurückkehren, dass solche Zusammenbrüche verursacht.»Davon ist Aaron Eisenberg überzeugt, der im New Yorker Büro der RLS als Projektmanager arbeitet. «Der Green New Deal ist das einzig mögliche Erholungsprogramm für Wirtschaft und Gesellschaft, ein Programm, das auf Gerechtigkeit basiert.» Mit anderen Worten: Das Konzept liefert den verheißungsvollen narrativen Rahmen, andere als die altbekannten Antworten auf große Krisen politisch durchsetzbar zu machen. Hoffnung auf einen Systemwandel? «Ja, ich glaube, das Konzept ist geeignet, um einen Systemwandel zu befördern», meint auch Manuela Kropp, die im Brüsseler Büro der Stiftung als Projektmanagerin tätig ist.
Worum geht es beim Green New Deal? Wo kommt das Konzept her? Mehr dazu sowie ein konkreter Vorschlag für einen feministischen, dekolonialen und transformativen Ansatz entwerfen Johanna Bussemer und Nadja Charaby hier.
Was aber wird genau unter der Überschrift «Green New Deal» diskutiert? Und ist es tatsächlich das, was den Systemwandel herbeiführen kann, den die Welt so dringend braucht? Zunächst einmal: Green New Deal ist nicht gleich Green New Deal. Unter der Überschrift verbergen sich verschiedene Konzepte von Transformationsprogrammen, die zudem je unterschiedlich ambitioniert sind. Gemein ist vielen von ihnen: In der Breite sind sie noch lange nicht sensibel genug gegenüber Fragen der internationalen Klimagerechtigkeit. «Genau diese Frage müssen wir uns aber stellen», betont Nadja Charaby, Referatsleiterin für Internationale Politik und Nordamerika bei der RLS sowie Referentin für Klimapolitik. «Glaubt ihr, dass die GND-Konzepte, die gerade herumfliegen, das Potential haben, globale Gerechtigkeit zu erreichen? Sollten wir die Debatte also vorantreiben – oder besser nicht?»
Green New Deal: dekolonial!
Kritikpunkte an den gängigen GND-Konzeptionen gibt es viele. Zum Beispiel fehlt häufig die kritische Querverbindung zum Ressourcen-Extraktivismus, wie der Europäische Green Deal deutlich zeigt. Jener Masterplan, den die EU-Kommission erstmals öffentlichkeitswirksam zur 25. UN-Klimakonferenz COP25 in Madrid als große nachhaltige Zukunftsversion der EU präsentierte. Zwar geht der vor allem konservativen Kräften schon zu weit, wie etwa Jan Majicek, Projektmanager der RLS im Büro Prag berichtet. «Der EU Green Deal wird als ein Versuch angesehen, die Souveränität der Tschechischen Republik zu unterminieren», berichtet Jan. Die liberaleren Mainstream-Kräfte würden die Notwendigkeit einer grünen Transformation jedoch anerkennen, diese aber – Stichworte: Smart Cities, Smart Industry, Industry 4.0 – vor allem als ein technologisches Projekt ansehen.
«Die Gefahr des Green New Deal-Konzeptes besteht darin, dass dessen Versprechen für einen umfassenden Wandel dazu missbraucht werden, die Position destruktiver wirtschaftlicher und finanzieller Interessen zu stärken», betont Nessim Achouche, RLS-Projektmanager im Büro Brüssel. Hinter dem EU Green Deal stehe einmal mehr die hauptsächliche Motivation, die EU im globalen neoliberalen Wettbewerb weit vorne zu halten, in der Union «grüne» Arbeitsplätze zu schützen und ansonsten das Business-as-usual am Laufen zu halten. Im Mittelpunkt des Programms stünden hauptsächlich technologische Innovationen und eine starke Rolle der Wirtschaft und nicht die gesellschaftlichen Weichenstellungen, die es eigentlich braucht. Eine dezidiert sozialpolitische Ausrichtung hat der EU Green Deal gar nicht erst. «Unter diesem Deckmantel kommen neokoloniale Praktiken zum Einsatz, und Menschen, allen voran Minderheiten, werden für die Interessen dieser mächtigen Akteursgruppen ebenso ausgebeutet wie die Natur.»
Der Green New Deal bietet einen konzeptuellen Rahmen, der es den Menschen erleichtert, die Querverbindungen zwischen den Sektoren zu sehen, u.a. Transport und Mobilität, Energie, Wohnen und Landwirtschaft. Das Konzept macht deutlich, wie nötig es ist, diese Sektoren grundlegend zu transformieren, während die Klimakrise sowie die soziale und wirtschaftliche Krise immer drängender werden.
Nessim Achouche, Brüssel
Auch Roland Nkwain Ngam, Projektmanager der RLS für Südafrika im Büro Johannesburg, kritisiert die fehlende Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der geplanten Green New Deals auf den Globalen Süden als blinden Fleck der Debatte. Ein Beispiel: «Um Null-Emissionsziele im Globalen Norden zu erreichen und dafür massenweise Elektroautos zu produzieren, werden im Kongo die Kobalt-Ressourcen ausgebeutet und das Land zerstört.» Beispiele wie dieses spielen in den europäischen Debatten bislang nur eine marginale Rolle. «Die Frage nach dem Einfluss extraktivistischer, neokolonialer Handelsbeziehungen wird nur von wenigen Akteuren aus dem linken Spektrum gestellt», so Nessim aus Brüssel. «Genau das müssen wir ändern, wir müssen dieses Narrativ eines angeblich sauberen EU Green Deals brechen.» Wie Roland kritisieren vor allem Aktivist*innen aus dem Globalen Süden den Green New Deal als ein eurozentristisches Konzept bzw. ein Konzept aus dem Globalen Norden. Grüne Arbeitsplätze sind eben einfach nicht genug für eine echte sozial-ökologische Transformation, sofern diese weiter auf Ausbeutung basieren. Was unter anderem im Konzept fehlt, bringen die Südamerikanerinnen Elis Soldatelli, Projektkoordinatorin in Sao Paulo, und Carla Vázquez, Projektmanagerin in Mexico City, auf den Punkt: «Aus einer antikolonialen Perspektive fordern wir unter anderem, die Ressourcenabhängigkeit zu beenden, die von der kapitalistisch getriebenen globalen Energiewende verstärkt wird, einen Schuldenschnitt für die Länder des Globalen Südens und ein Primat der Ernährungssouveränität über die Regularien des freien Handels.».
Green New Deal: demokratisch!
Aber auch anderswo, etwa in Asien, haben die Debatten eine gefährliche Schlagseite. «Die Diskussionen um den Green New Deal in Asien drehen sich unglücklicherweise hauptsächlich um Infrastruktur und Investitionen, die die Regierung und der private Sektor gemeinsam realisieren wollen, um den Umstieg auf erneuerbare Energien zu ermöglichen», berichtet Tetet von den Philippinen. «Dieser Ansatz ist so kurzsichtig wie gefährlich.» Es sei eine Illusion zu denken, dass das Ziel von 100 Prozent erneuerbare Energien eine langfristig sinnvolle Lösung sei, wenn nicht gleichzeitig der Zugang zu Energie demokratisiert wird und sich die Produktions-, Konsum- und Verteilungsmuster global grundlegend ändern.
Die sozialen Bewegungen in unserer Region fordern einen strukturellen und systemischen Wandel – und sie tun dies mit unterschiedlichen Schlagworten: ‘feministische fossilfreie Zukunft’, dekolonialer, feministischer Green New Deal’ und andere.
Tetet Lauron, Philippinen
Ein Beispiel hierfür sind die verheerenden Auswirkungen des Nickel-Exports in Indonesien. Unter anderem wird Nickel für die Produktion von Batterien für Elektroautos benötigt. Ein Viertel des weltweit produzierten Nickels kommt aktuell aus Indonesien, aber auch eine eigene Batterieproduktion wird im Land aufgebaut. Die Arbeitsbedingungen allerdings sind schlecht und die Umweltstandards niedrig. Was an der einen Stelle den Umstieg auf eine scheinbar nachhaltige E-Mobilität voranbringt, beutet an anderer Stelle Arbeiter*innen aus, führt zu ökologischer Zerstörung und belastet die menschliche Gesundheit. Ausreichende Schutzstandards, eine genügende Kontrolle dieser und vor allem Transparenz seien die Mindestvoraussetzung, argumentiert Laura Geiger, ehemalige Programmleiterin Klimagerechtigkeit der RLS. Aber ein echter Green New Deal müsse darüber hinausgehen, damit er überhaupt umsetzbar ist. «Wir brauchen einen viel grundlegenderen Wandel – andere Konsummuster und einen deutlich geringeren Konsum im Globalen Norden», so Laura.
Green New Deal: feministisch!
Und auch die feministische Perspektive droht in den Debatten um den Green New Deal zu kurz zu kommen, denn der Care-Sektor, der Sektor der Sorgearbeit, muss in der Transformation unserer Gesellschaften eine zentrale Rolle spielen. «Wir brauchen viel mehr Jobs im Gesundheitswesen, in der Bildung, in der Pflege und allen anderen Bereichen, in denen Menschen für Menschen Sorge tragen», betont Manuela aus Brüssel. Es sei nicht akzeptabel, dass Jobs in diesen Bereichen oft gerade einmal mit dem Mindestlohn vergütet würden. «Diesen Aspekt muss der Green New Deal ebenfalls aufgreifen.»
Kurz: Wir müssen genau im Blick behalten, wie die Debatten geführt werden. Wenn Green New Deal ein sinnvolles Konzept für den Systemwandel sein soll, muss er nicht nur tatsächlich grün und wirklich gerecht sein, sondern auch: feministisch, demokratisch, dekolonial.
Das Rooseveltsche Framing des Green New Deal-Konzepts greift im südlichen Afrika außerhalb von NGOs und Thinktanks überhaupt nicht.
Roland Nkwain Ngam, Johannesburg
Green New Deal? Global Green New Deal!
Das führt automatisch zu einem weiteren Aspekt: Wirkliche Gerechtigkeit kann es nur als globale Gerechtigkeit geben, und wirklich grün ist nur das, was nicht dann doch mehr oder weniger verdeckt am anderen Ende der Welt die Umwelt zerstört. Hierfür und für die Beseitigung neokolonialer Strukturen braucht es Verhandlungen auf Augenhöhe mit Akteur*innen des Globalen Südens. «Den Green New Deal kann es nur im Rahmen globaler Gerechtigkeit geben», bringt es Aaron aus New York auf den Punkt. Und Nessim ergänzt aus Brüssel: «Das Konzept hat das Potential, verschiedenste Kämpfe zu verbinden und speziell das Thema Klimakrise mit den Kernforderungen nach einem ökonomischen und sozialen Wandel zu verknüpfen.»
Gerade Aktivist*innen aus dem Globalen Süden weisen jedoch darauf hin, dass die Debatten aber nicht zwingend unter dem Dach des Green New Deals laufen müssen. «Parallel zum GND gibt es in Latein-Amerika einige Initiativen, die sich dafür einsetzen, soziale Dynamiken zu entwickeln, die in der Lage sind, sich dem kapitalistischen Motor, der Konzentration von Reichtum und der Zerstörung der Ökosysteme entgegenzustellen, während gleichzeitig Antworten auf die Corona-Krise gefunden werden», so Elis aus Sao Paulo. Ein Beispiel hierfür sei der Pacto Ecosocial del Sur, der an einer kollektiven Vision zur Transformation schmiede, die allen eine Zukunft in Würde ermöglicht, ergänzt Carla aus Mexico City. Diesen Punkt macht auch Roland aus Johannesburg stark: «Das Rooseveltsche Framing des Green New Deal-Konzepts greift im südlichen Afrika außerhalb von NGOs und Thinktanks überhaupt nicht.» Die Hauptstoßrichtung des Konzeptes ziele auf den Ausstieg aus den fossilen Energien und den Umbau von Infrastrukturen. Über eben die würden 70 Prozent Afrikas aber gerade noch gar nicht verfügen. «Das Konzept wird als ein eurozentristisches wahrgenommen», so Roland. «Nur in Südafrika bekommt es im Rahmen der dortigen Debatten um den Ausstieg aus der Kohle und die Wiederaufbauprogramme der Corona-Krise einige Aufmerksamkeit.» Viel größere Mobilisierungspotentiale sieht Roland in den Ländern des südlichen Afrikas rund um das Thema Wasser, da diese mit zunehmender Trockenheit zu kämpfen haben. Und auch für die Inselstaaten im Südwesten des Indischen Ozeans stehen ganz andere Themen oben auf der Prioritätenliste: der Aufbau von resilienten Strukturen, um den Auswirkungen des Klimawandels in Form von Zyklonen, Trockenheit und Korallensterben begegnen zu können.
Green New Deal: das Konzept nach links schieben und von links besetzen?
Schaut man sich die konkreten politischen Programme aus den USA, Großbritannien und der EU an, so fällt auf, wie sehr sie im nationalen Rahmen denken. «Das ist ein zentraler Grund dafür, warum es so wichtig ist, die Konzept von links zu besetzen und auch besetzt zu halten», so Katja Voigt, Projektmanagerin für Klimapolitik und Nordamerika bei der RLS in Berlin. «Es ist keine gute Strategie, hier nur in nationalen Grenzen zu denken, denn damit kommen wir nicht weiter. Wir müssen die globalen Forderungen eines dekolonialen feministischen globalen GND auf den Tisch packen und es dann in die jeweiligen regionalen Kontexte übersetzten.» Auch wenn das Konzept noch nicht alles habe, was nötig sei vor allem erst mal keinen Systemwandel – sei es doch schon mal ein gutes Instrument, um mit wichtigen Forderungen voranzukommen. Und Aaron aus New York ergänzt: «Wir müssen uns einmischen, sonst überlassen wir das Feld anderen.» Ein weiteres Argument kommt von Nessim aus Brüssel: Im Rahmen dieser Konzeptionen – allen voran der European Green Deal – werden Milliardensummen mobilisiert. «Wir müssen als Bewegungen Druck auf EU-Parlament und die EU-Kommission machen, um fatale Fehlentwicklungen abzuwenden.» Der Diskurs dazu könne im Rahmen von Wahlen durchaus ein Instrument sein, die Debatten voranzubringen. «Der Green New Deal wird das sein, was wir aus ihm machen.»
Der Green New Deal hat dazu beigetragen, das Thema Klimakrise ganz weit nach vorne ins öffentliche Bewusstsein zu holen. Nun müssen die Details verhandelt werden und es ist an der Linken, dafür zu sorgen, dass der GND zu einer wahrhaft gerechten internationalistischen Vision für die Zukunft wird, und kein verwässertes Konzept.
Aaron Eisenberg, New York
Aber es gibt auch Skepsis innerhalb der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Zum Beispiel bei Steffen Kühne, stellvertretender Direktor der Akademie für politische Bildung der RLS und Referent für sozial-ökologischen Umbau. «Ich sehe, dass der Begriff Green New Deal einige Dynamik entfaltet und Menschen mobilisieren kann, sich hinter seiner Forderung nach einem Umbau zu versammeln.» Das Problem sei aber: Jede und jeder könne hineinprojizieren, was sie oder er möchte, eben weil der Begriff so unbestimmt ist und sehr unterschiedlich ausgelegt wird. «Für mich bleibt das eine offene Frage: Bringt uns das Schlagwort Green New Deal tatsächlich weiter? Die harten Fragen zur Umverteilung politischer und wirtschaftlicher Macht, die ungleiche Verteilung des Wohlstands, der obendrein noch immer maßgeblich auf der Ausbeutung von Natur und Menschen beruht, auch alle damit zusammenhängenden Fragen nach der Änderung von Lebensweisen – sie bleiben ja auch unter dieser Überschrift bestehen. Bringt es uns also inhaltlich voran, dass wir diese Konfliktlinien jetzt unter dem Dach Green New Deal bearbeiten? Oder verschleiern wir diese Auseinandersetzungen damit nicht eher?»
Parallel zum GND gibt es in Latein-Amerika einige Initiativen, die sich dafür einsetzen, soziale Dynamiken zu entwickeln, die in der Lage sind, sich dem kapitalistischen Motor entgegenzustellen.
Elis Soldatelli, Sao Paulo & Carla Vázquez, Mexico City
Jonas Bradl, der die Arbeit der RLS für eine Weile als Praktikant unterstützt hat, ist sogar noch skeptischer: «Schon allein die Begrifflichkeit des New Deals bezieht sich auf eine kapitalistische Investitionspolitik, die für die verursachende Klasse für die Krise massiven Mehrwert durch hohe Beschäftigungsraten und kostenlose Investitionen vom Staat erbracht hat.» Darüber hinaus habe es überwiegend der weißen Bevölkerung geholfen und kaum Diskriminierungen gegenüber People of Colour (POCs) abgebaut. «Wieso bedienen sich antikapitalistische Linke an einem Kampfbegriff mit diesen Wurzeln, welcher auch nicht unbedingt das System ändern möchte? Die Bewegung um den GND in den USA haben auch nicht wirklich die Intention, eine neue Produktions- und Konsumgesellschaft aufzubauen, sondern wollen durch Reformen die Lebensbedingungen auf nationaler Ebene verbessern.» Wenn die Linke jetzt versuche, das Konzept umzudeuten, müsste sie mit allen anderen konkurrieren, die hier mitdiskutieren. «Das wird dann zu Kompromissen führen und wir müssen uns fragen, welche Inhalte uns am wichtigsten sind und welche wir durchsetzen können. Wird der GND auf diese Weise feministisch oder antikolonial?»
Lenken uns die Debatten um einen Green New Deal nun also von den eigentlichen Forderungen und Lösungen für eine sozial-ökologische Transformation ab? Oder bringen sie uns weiter? Klar ist aktuell: Die progressive Linke schaltet sich in die Debatte um einen Green New Deal ein – aber das Spektrum der Positionierungen hierzu ist relativ breit. Klar ist außerdem: Wenn Green New Deal, dann global, dekolonial, feministisch, demokratisch, transformativ!