Neoliberale Politik hat tiefe Spuren in den Städten und Gemeinden hinterlassen: Öffentliches Eigentum, demokratische Verwaltung, die Gleichheit der Lebensverhältnisse, der Begriff des Gemeinsamen – seien es Interessen, Eigentum, Praktiken oder Handeln – wurden diskreditiert. Markt, Konkurrenz, Leistung, Wettbewerbsfähigkeit, Ungleichheit wurden mit Mitteln der Angst wie des ökonomischen Erfolgs zur maßgeblichen Orientierung. Abwandernde oder überlebte Industrien hinterließen Brachen in den Städten, der Boom von Informationstechnologien und Finanzspekulation hat die Innenstädte und »Kieze« umgepflügt. Die Gentrifizierung der Stadtteile durch Luxussanierung oder Wohneigentumsbildung der neuen Mittelklasse ließ die Immobilienpreise explodieren, steigende Mieten verdrängten die Eingesessenen.
Die Krise hat in den USA als Immobilienkrise begonnen und bedeutet dort für Viele Zwangsräumungen und Obdachlosigkeit, soziale Verwüstungen der Gemeinden und Communities. In Deutschland trocknen Sparpolitik und »Schuldenbremse« die Kommunen aus: Mit dem Abbau von »freiwilligen Leistungen«, der Rücknahme öffentlicher Räume verringern sich Möglichkeiten von Begegnung, Teilhabe, von Austausch, geteilten Erfahrungen und der Bildung eines gemeinsamen Willens. Unter dem Gebot von Profit und Privatisierung werden öffentlicher Nahverkehr, Versorgungsund Konsumeinrichtungen ausgedünnt, Bahnlinien abgekoppelt: Real und symbolisch schwinden die Anschlüsse ans gesellschaftliche Netz.
Wie durchs Vergrößerungsglas lassen sich die Probleme der Politik von Privatisierung und Finanzialisierung im Cross Border Leasing sehen: Lokalpolitiker verkaufen kommunales Eigentum an ausländische Investoren und leasen es anschließend zurück. Den Unternehmen wird ein regelmäßiger Gewinn garantiert, sie tragen kein Marktrisiko. Doch wer entscheidet, was an den kommunalen Strukturen verändert wird: das kommunale Parlament oder der »Eigentümer«? Was geschieht, wenn die Kommunen in der Finanzkrise die Raten nicht mehr aufbringen können? Das fiskalische Argument wird zum Hebel eines neoliberalen Staatszentralismus: Die Kommunen werden informell und de facto unter die Aufsicht der Landesregierungen gestellt. Auch einige Länder werden den Kriterien der Schuldenbremse nicht entsprechen können: Die Entscheidungsund Handlungsfähigkeit demokratischer Selbstregierung auf der Ebene der Kommunen und der Länder schrumpft.
An vielen Orten und in unterschiedlichen Kontexten entstehen Alternativen und Antworten. Sie stellen das Commune, das Gemeinsame und Geteilte, in den Mittelpunkt ihrer Strategien: Kämpfe um die Stadt greifen Gentrifizierung, Privatisierung, Verarmung und Rassifizierung an – Prozesse, in denen die sozialen Rechte der Menschen vor Ort überrannt werden. Die lokalen Initiativen bilden Netzwerke und stellen Zusammenhänge der lokalen und globalen Machtstrukturen her, verbinden sich mit globalen Bewegungen für soziale Gerechtigkeit. Bürgerhaushalte und Bürgerentscheide werden in der neoliberalen Politik als Techniken der Beteiligung der Betroffenen an Kürzungsvorhaben genutzt, um Widerstand zu unterlaufen oder ihm vorzubeugen. Linke Kommunalpolitik lotet dagegen Handlungsmöglichkeiten aus, um demokratische Rechte zu stärken – und damit Widerstand gegen die Aushöhlung kommunaler Finanzen zu stützen oder zu schaffen.
Auch die Hoffnungen auf die Commons schwanken: zwischen Versuchen, den destruktiven Momenten der Verwandlung von Ressourcen in Waren Grenzen zu setzen, und Bemühungen, von den geteilten Praxen eines Commoning zu einer radikalen Veränderung der Eigentumsverhältnisse zu gelangen, die Reichtum, Nachhaltigkeit, Teilhabe und Kooperation an die Stelle von Knappheitsmaximen, Ungleichheit, Verschwendung und Konkurrenz setzt. In Commons und Kommune klingt »Kommunismus« an; der Zusammenhang ist vielleicht nicht nur assoziativ. In den letzten Jahren ist »Kommunismus« in die internationale politisch-philosophische Diskussion zurückgekehrt. Auf welchen Erfahrungen des Gemeinsamen und Geteilten könnte ein neu gedachter Kommunismus basieren? Untrennbar sind darin Freiheit und Gleichheit gedacht. Wie können Solidarität, gesellschaftliche Planung neu gedacht werden?
Begriffe, Konzepte und Orte, die von neoliberaler Politik verdrängt und vergessen gemacht werden sollen, werden von Bewegungen, Gewerkschaften und linker Politik aufgegriffen. Diese Kämpfe sind oft wenig verbunden, finden keine gemeinsame Sprache. Noch sind sie kaum mehr als Einstiege; eine gemeinsame Strategie bleibt zu finden. Doch in den vielen Praxen scheinen Umrisse einer Wieder-Errichtung des Communen auf.
Themen:
Commons, Kommune, Kommunismus?
Bürgerkommunen
Stadt und Bewegung
Kommunen in Not
Energiepolitische Demokratisierung
Commons und Solidarität
S21 und das Öffentliche
AutorInnen:
Gar Alperovitz, Margit Mayer, Étienne Balibar und Antonio Negri, Alex Demirović, Christina Emmrich, Michail Nelken, Sabine Nuss, Sebastian Sladek, Rainer Rilling, Iris Nowak, Dov Khenin, Sabine Reiner, Thomas Sablowski, Felicitas Weck, Peter D. Thomas u.a.
Dezember 2010, 160 Seiten, VSA: Verlag
10,- Euro, Abo 30,- Euro, erm. 20,- Euro