Elimane Haby Kane ist Mitgründer der Bürgerinitiative «Nationale Mobilisierung für Bürgerengagement, Souveränität, Einheit und Neugründung» (Mesure). Das Gespräch führte Ibrahima Thiam, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro Dakar.
Senegal steht an der Schwelle zu einer neuen Ära der Offshore-Ausbeutung von Gas und Öl an seinen Küsten. Glauben Sie, dass dies eine echte wirtschaftliche Chance ist?
Elimane Haby Kane: Seit der Ankündigung bedeutender Öl- und Gasfunde vor der senegalesischen Küste im Jahr 2014, die 2016 und 2017 bestätigt wurden, hat Senegal zwei endgültige Investitionsentscheidungen unterzeichnet: Zum einen die Förderung von Öl im »Sanghomar-Projekt« und zum anderen, die Gasförderung im sogenannten «GTA-Projekt» zu ermöglichen. Ein drittes Projekt, das «Yaakar-Teranga-Projekt» wartet noch auf die endgültige Investitionsentscheidung.
Die angekündigten Öl- und Gasmengen können zwar nicht mit den afrikanischen Förderländern Nigeria, Angola und Äquatorialguinea mithalten, sind aber für ein Land mit mittlerem Einkommen, das stark von bisher importierten Kohlenwasserstoffen abhängig ist, um seinen Energiebedarf zu decken, recht groß.
Tatsächlich kann die Öl- und Gasförderung eine wirtschaftliche Chance für den Senegal sein, aber auch eine neue Kalamität darstellen. Alles hängt von der Governance des Kohlenwasserstoffsektors und der Effizienz des senegalesischen Staates ab, die Vertragspartner, die beide Projekte verwalten, die Unternehmen «British Petrolium» und «Woodside», zur Einhaltung ihrer vertraglichen Verpflichtungen zu bewegen.
Im Januar begann eine erste Plattform vor der Küste der Stadt Saint-Louis im Norden Senegals mit der Förderung. Welche Umweltrisiken und -auswirkungen sind mit der Öl- und Gasförderung verbunden und wie können sie verringert oder abgemildert werden?
Bei der Analyse der Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfung des GTA-Projekts haben wir drei Arten von Risiken identifiziert: Das erste Risiko umfasst mögliche negative Auswirkungen auf die Umwelt und die biologische Vielfalt. Dies meint, dass die Luftqualität während der Bau- und Betriebsphase abnimmt und Vögel sowie die gefährdete Mittelmeer-Mönchsrobben und Meeresschildkröten in einem regionalen Gebiet hohen Kohlenwasserstoffkonzentrationen ausgesetzt sind.
Das zweite Risiko ist von sozioökonomischer Natur und betrifft die Gemeinden und deren Aktivitäten. Das meint vor allem das vorübergehende Verbot der handwerklichen Fischerei im Interventionsgebiet, wovon bis zu etwa 80.000 Fischer und etwa 700.000 Menschen, die in Arbeiten im Zusammenhang mit der handwerklichen Fischerei beschäftigt sind, mit Einkommensverlusten betroffen sind. Es muss damit gerechnet werden, dass es einen Rückgang der Fischfangmengen geben wird.
Das dritte Risiko betrifft die wirtschaftlichen Folgen eines Ölunfalls und auch die Risiken für die Sicherheit für die Fischer auf See durch die Anwesenheit der Projektschiffe während der Bau- und Betriebsphasen. Mögliche Folgen sind zum Beispiel Konflikte zwischen Fischern und öffentlichen Sicherheitskräften, wenn Fischer während der Bau- und Betriebsphase aus den Sperrzonen eskortiert werden müssen, oder bewaffnete Angriffe auf die Gasförderanlagen, die während der Betriebs- und Schließungsphase das Terrorismusrisiko landesweit erhöhen könnten.
Aus der Umweltverträglichkeitsprüfung des GTA-Projekts geht ein akzeptabler Überwachungsplan hervor, der sich vor allem auf die operativen Mitigations- und Kontrollmaßnahmen, die gesetzlichen Anforderungen, die biophysikalische und soziale Umwelt und deren Sensibilität sowie die potenziellen Auswirkungen in jeder Phase des Projekts bezieht. Die Überwachung der Maßnahmen zur Abschwächung der Auswirkungen und des operativen Designs bleibt jedoch eine große Herausforderung, insbesondere im Hinblick auf die Freisetzung von Abwässern in den Offshore-Bereich. Im Bereich der potenziellen sozialen Auswirkungen werden sowohl wirtschaftliche und soziale Aspekte berücksichtigt als auch lokale Dimensionen betrachtet.
Wie gehen die Fischer in Saint-Louis vor?
In Saint-Louis haben die Gemeinschaften der Barschfänger und der Fischverarbeiter*innen ihre Bedenken des Betriebs des GTA-Projekts den Behörden geteilt, lokale Prioritäten ermittelt und mit Unterstützung von Legs-Africa (eine panafrikanische Initiative mit wissenschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher und sozialer Ausrichtung) einen lokalen Plan zur Überwachung der ökologischen und sozialen Auswirkungen ausgearbeitet. Um die potenziellen Auswirkungen zu reduzieren ist es zunächst sehr wichtig, dass der senegalesische Staat und die privaten Betreiber eine Politik des Dialogs mit den lokalen Gemeinschaften verfolgen, um gemeinsam geeignete Maßnahmen gegen die identifizierten Auswirkungen zu ergreifen.
Die Fischerei ist ein Schlüsselsektor der senegalesischen Wirtschaft. Ist die Offshore-Kohlenwasserstoffgewinnung nicht eine Bedrohung für diesen Teil der Wirtschaft? Welche Alternativen gibt es für die Fischergemeinden? Steht der Fischereisektor vor einer Krise?
Die Fischerei ist für die nationale Wirtschaft von großer Bedeutung und ein grundlegendes Element sowohl in sozialer Hinsicht als auch für die Ernährung einer Vielzahl von Haushalten. Sie nimmt aufgrund ihres bedeutenden Beitrags zur Ernährungssicherheit der Bevölkerung, zur Schaffung von Einkommen und Arbeitsplätzen sowie zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit einen wichtigen Platz ein. Der Handelswert der Anlandungen aus der handwerklichen Fischerei verbesserte sich zwischen 2018 und 2019 um 12,9 Prozent auf 182,3 Milliarden FCFA. Während die Industriefischerei 19 Prozent der Anlandungen der Seefischerei ausmachte. Ihre Produktion belief sich 2019 auf 106.118 Tonnen mit einem Handelswert von 74,5 Milliarden FCFA.
Bereits jetzt beklagen die Fischer eine Verknappung der Fischprodukte, die auf mehrere Faktoren zurückzuführen ist: insbesondere auf den Klimawandel, schlechte Techniken der handwerklichen Fischerei und auf den Missbrauch der industriellen Fischerei. Die Einschränkung der Fanggebiete aufgrund von Öloperationen auf hoher See verstärkt ihre Befürchtungen noch. Diese Situation führt bereits zu schweren Konflikten zwischen den Fischergemeinden. Das alles deutet auf eine kommende tiefe Krise hin.
Der Senegal ist bestrebt, seine Abhängigkeit von umweltschädlichen flüssigen Brennstoffen durch die Entwicklung und Installation neuer Wind- und Solarkraftwerke zu verringern. Wird die Förderung von Öl und Gas diese Energiewende gefährden?
Trotz der Fortschritte bei der Umsetzung seiner gemischten Energiestrategie, die mehr als 20 Prozent erneuerbare Energien vorsieht, setzt der Senegal eine Gas-to-power-Strategie um, die darin besteht, das Gas, das im Rahmen des «Yaakar-Projekts» gefördert wird, zur Stromerzeugung zu nutzen. Diese Option stellt den Plan zur Energiewende auf die Probe, auch wenn Senegal Gas als saubere Energie ansieht und die Fortsetzung der Gasproduktion fordert. Das Ziel, 100 Prozent erneuerbare Energien zu erreichen, wird durch diese Option, gegen die das Argument der Energiesouveränität spricht, noch für mehrere Jahre gefährdet.
Kann das «Ölfluch-Syndrom» im Senegal vermieden werden?
Das ist nur möglich, wenn der Senegal eine transparente und verantwortungsvolle Politik im Bereich der Kohlenwasserstoffe einführt. Zu diesem Zweck muss ein demokratischer und alle wirtschaftlichen und sozialen Akteur*innen einschließender Ansatz angewandt werden, müssen aber auch die Mittel für eine wirksame Kontrolle und Überwachung der vertraglichen Verpflichtungen der Partner und der Durchführung der Operationen auf hoher See bereitgestellt werden. Dies ist nicht selbstverständlich. Der Senegal scheint derzeit nicht ausreichend mit diesen technischen und personellen Mitteln ausgestattet zu sein, um auf mögliche Situationen und Fehlfunktionen reagieren zu können, die das Ökosystem in Frage stellen und negative Externalitäten auf andere nachhaltige Wirtschaftssektoren haben könnten.
Erschienen in: maldekstra #19: «Energie, Klima, Kämpfe»