Analyse | Parteien / Wahlanalysen - Westeuropa - Europa2024 Spanien nach der Wahl: Lehren für die Linke

In Spanien hat die Linke kürzlich für eine Überraschung gesorgt, als sie bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 23. Juli 2023 den prognostizierten Durchmarsch der Rechten verhindern konnte. Dennoch wachsen die Bäume nicht in den Himmel, denn im Endergebnis liegen der linke und der rechte Parteienblock fast gleichauf.

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Autorin

Laura Chazel,

Anhänger*innen der sozialdemokratischen Partei PSOE feiern nach den Ergebnissen der spanischen Parlamentswahlen vom 23. Juli in der Parteizentrale. Foto: IMAGO / ZUMA Wire

In Spanien hat die Linke kürzlich für eine Überraschung gesorgt, als sie bei den vorgezogenen Parlamentswahlen am 23. Juli 2023 den prognostizierten Durchmarsch der Rechten verhindern konnte. Dennoch wachsen die Bäume nicht in den Himmel, denn im Endergebnis liegen der linke und der rechte Parteienblock fast gleichauf. Ob es einem der beiden Lager gelingen wird, eine Regierung zu bilden, ist immer noch offen. Zwar hatte König Felipe VI. zunächst den rechtskonservativen Spitzenkandidaten Alberto Núñez Feijóo mit der Regierungsbildung beauftragt, doch dessen Partido Popular (Volkspartei, PP) verfügt, obschon sie stärkste Partei wurde, nicht über die erforderliche parlamentarische Mehrheit. Unklar ist aber auch, ob es jetzt Pedro Sanchez und seinem sozialdemokratisch geführten Lager gelingen wird, eine Mehrheitskoalition zustande zu bringen. Was also sind die Lehren aus dieser Wahl?

Aus den Wahlen geht zunächst hervor, dass die Links-Rechts-Spaltung, die zwischen 2015 und 2018 verblasst zu sein schien und das politische Leben in Spanien (im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern) nicht mehr maßgeblich bestimmte,[1] nun wieder zu dominieren scheint. Dies veranlasste einige Kommentator*innen zu der Aussage, dass «Spaniens Zweiparteiensystem zurück ist».[2] Spanien ist derzeit in zwei Blöcke – links und rechts – gespalten, die sich in einer Reihe von strukturellen Fragen unversöhnlich gegenüberstehen. Zu nennen sind hier die wirtschaftlichen und sozialen Antworten auf die verschiedenen Krisen, die das Land betreffen (zum Beispiel Investitionspolitik versus orthodoxe Ökonomie); das politische System (beispielsweise die Frage der Monarchie – die auch die Linke spaltet); der Stellenwert der peripheren Regionalismen (etwa die katalanische Frage); die Geschichte des Landes (beispielsweise die Erinnerung an den Franquismus); sowie «gesellschaftliche» Fragen und die individuellen Rechte (wie LGBT-Themen; Frauenrechte).

Laura Chazel ist Sozialwissenschaftlerin, ihr Forschungsschwerpunkt ist die europäische radikale Linke. Sie ist assoziierte Wissenschaftlerin an der Sciences Po Grenoble, Stipendiatin am Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit in Potsdam und Post-Doktorandin an der Jagiellonen-Universität in Krakau.

Die Parlamentswahlen waren ursprünglich für Winter 2023 angesetzt, wurden jedoch vorgezogen, nachdem der spanische Ministerpräsident und Sekretär der Partido Socialista Obrero Español (Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens, PSOE), Pedro Sánchez, beschlossen hatte, das Parlament aufzulösen. Diese Entscheidung folgte auf die schlechten Ergebnisse der Linken und den Sieg der Rechten bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai 2023, bei denen Alberto Núñez Feijóo, der auch PP-Vorsitzender ist, für die «Aufhebung des Sanchismus» geworben hatte. Die Parlamentswahlen fanden in einem Kontext statt, in dem die sozialdemokratische Linke der PSOE und die radikale Linke in Form der Linksallianz Unidas Podemos (Gemeinsam schaffen wir das, UP) – bestehend aus Podemos (Wir können) und Izquierda Unida (Vereinigte Linke, IU) – das Land seit Januar 2020 regierten.

Obwohl die Rechten bei den Parlamentswahlen den ersten Platz belegten und der Linksblock PSOE-Sumar keine absolute Mehrheit im Parlament erzielte, ist das Spiel von Feijóo noch lange nicht gewonnen. Die PP erhielt 33,05 Prozent der Stimmen (2019: 20,81 Prozent), gefolgt von der PSOE, die mit 28,12 Prozent den zweiten Platz belegte (2019: 28 Prozent). Die von Santiago Abascal geführte rechtsextreme Partei Vox landete mit 12,39 Prozent auf dem dritten Platz (2019: 15,08 Prozent). Das linksradikale Bündnis Sumar (summieren oder zusammenfassen) kam auf den vierten Platz (12,31 Prozent)[3] und wurde zum ersten Mal von Yolanda Díaz vertreten, der zweiten stellvertretenden Ministerpräsidentin und Ministerin für Arbeit und Sozialwirtschaft in der Regierung Sánchez. Wie in den vorangegangenen Jahren seit dem Ende des spanischen Zweiparteiensystems im Jahr 2015 ist mit dem Aufstieg von Podemos und Ciudadanos (Bürger)[4] das Ergebnis der Wahl nun wieder ungewiss.

 

 

 

 

Ergebnis der spanischen Parlamentswahlen 2023 – Mitglieder des Parlaments

Ziel dieses Artikels ist es, die verschiedenen Akteure der spanischen Linken, insbesondere die PSOE und die 2022 entstandene neue politische Bewegung Sumar, sowohl im Zusammenhang mit der Politik der spanischen Mitte-Links-Regierung zu analysieren (wobei der Schwerpunkt auf der zweiten Regierung Sánchez liegt, die am 13. Januar 2020 ihr Amt antrat), als auch in Bezug auf das Ergebnis der Parlamentswahlen 2023.

1. Die Bildung einer Koalitionsregierung aus der sozialdemokratischen Linken (PSOE) und der radikalen Linken (Unidas Podemos) im Jahr 2020

In diesem ersten Abschnitt werfen wir einen kurzen Blick zurück, um den Kontext zu verstehen, in dem die Parlamentswahlen im Juli 2023 stattfanden.

Die Widerstandsfähigkeit der Sozialdemokratie

Trotz des Aufstiegs von Podemos bei den Parlamentswahlen 2015 (20,68 Prozent) konnte die PSOE ihre Führungsposition im linken Spektrum behaupten (22 Prozent). Nach dem Misstrauensvotum gegen die Regierung von Mariano Rajoy (PP) wurde Pedro Sánchez 2018 Ministerpräsident von Spanien. Die Parlamentswahlen 2019 haben die Hegemonie der PSOE im linken Lager bestätigt und unterstrichen: Die Partei erhielt im April 28,67 Prozent (14,32 Prozent für UP) und im November 28 Prozent der Stimmen (12,86 Prozent für UP). In Griechenland und Frankreich hat sich die These vom «Ende des sozialdemokratischen Jahrhunderts»[5] mit dem Zusammenbruch der Panellínio Sosialistikó Kínima (Panhellenische Sozialistische Bewegung, PASOK) zugunsten von Syriza sowie dem Zusammenbruch der Parti socialiste (Sozialistische Partei, PS) zugunsten von La France insoumise (Unbeugsames Frankreich, LFI) bewahrheitet. Der spanische Prozess deutet jedoch eher auf die Widerstandsfähigkeit der Sozialdemokratie in einem Kontext hin, der auf den ersten Blick ungünstig für sie zu sein scheint (etwa die Sparpolitik nach der Krise von 2008 oder das zunehmende Misstrauen gegenüber den «Regierungsparteien»).

Der Aufstieg von Vox

Während sich die Spitzen von Podemos 2014 gegen die «PPSOE» (das heißt gegen die Konvergenz von PP und PSOE) stellten, einigten sie sich 2018 auf die Bildung einer Koalitionsregierung unter Führung des Sozialisten Pedro Sánchez. Diese Annäherung zwischen Podemos und der PSOE lässt sich durch den Linksruck der PSOE und die Entstehung einer Blocklogik im Parteiensystem erklären, die auf eine geringere Polarisierung im linken Lager infolge des Aufstiegs der von Vox ausgehenden neofranquistischen Gefahr zurückzuführen ist. Orriols und León (2020) unterscheiden zwei Zeiträume: erstens 2015 bis 2017, als der Wettbewerb zwischen Podemos und der PSOE zunahm, was sich in der «starken affektiven Polarisierung» zwischen den beiden Parteien widerspiegelte, die eine Übertragung von Stimmen von der einen auf die andere verhinderte, und zweitens den Zeitraum 2018 bis 2020, als die «Polarisierung innerhalb der Linken abnahm», während die «Polarisierung zwischen den Blöcken» wuchs.[6]

In der einschlägigen Literatur wird, was die Abwesenheit der extremen Rechten im Parteiensystem betrifft, seit langem von einem «spanischen Sonderweg» gesprochen. Diese Ausnahme könnte durch die Langlebigkeit des Franco-Regimes (1939–1977) erklärt werden, das diese Parteienfamilie in Misskredit brachte. Als Podemos 2014 gegründet wurde, war die spanische extreme Rechte, vertreten durch die 2013 gegründete Partei Vox, schwach und marginalisiert. Ab 2018 konnte Vox jedoch bei den Wahlen in Andalusien erhebliche Erfolge verbuchen und diese anschließend fortsetzen. Die Partei «verbindet Nationalismus [und] Fremdenfeindlichkeit» mit einem «autoritären Gesellschaftsbild, das den Werten von Recht und Ordnung verpflichtet ist».[7]

Was den Aufstieg der extremen Rechten angeht, weist Spanien im Vergleich zu den übrigen europäischen Ländern eine markante Besonderheit auf. Der Durchbruch von Vox bei den Wahlen war nämlich nicht mit dem Thema Einwanderung verbunden, sondern mit der Katalonien-Krise im Jahr 2017 (siehe Abschnitt 2). Die Vox-Wähler*innen lehnten die katalanischen Unabhängigkeitsforderungen vehement ab und waren besorgt über Fragen «im Zusammenhang mit der Dezentralisierung, die wohl durch die Katalonien-Krise ausgelöst wurden».[8]

Bei den Parlamentswahlen 2019 zog Vox unter der Führung von Santiago Abascal erstmals ins Parlament ein: Die Partei erhielt im April 10,26 Prozent (24 von 350 Abgeordneten) und im November 15,08 Prozent (54 von 350 Abgeordneten) der Stimmen. Damit wurde sie zur drittstärksten politischen Kraft des Landes, noch vor Unidas Podemos. Diese Ereignisse erschütterten die These vom «spanischen Sonderweg»[9] und beendeten die lange Zeit vorherrschende Meinung, dass Spaniens Abkehr von einem autoritären Regime in den späten 1970er Jahren das Land gegen den Aufstieg der radikalen Rechten immunisiert habe und «Spanien gegen den Aufstieg rechtsextremer Kräfte immun zu sein schien».[10] Darüber hinaus ist Vox zu einem integralen Bestandteil des politischen Systems geworden, da die Partei in mehreren Städten und Regionen Spaniens eine Regierungskoalition mit der PP, einem politischen Hauptakteur, eingegangen ist.

Die Bildung einer linken Koalitionsregierung und das Auftreten einer neuen Spitze des linken Flügels

Seit dem 13. Januar 2020 gibt es eine Koalitionsregierung zwischen PSOE und Unidas Podemos. Die UP hatte fünf Mitglieder im Ministerrat, darunter Pablo Iglesias (von 2014 bis 2021 Vorsitzender von Podemos) als zweiter stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Soziale Rechte, Irene Montero als Ministerin für Gleichstellung, Yolanda Díaz als Arbeitsministerin, Manuel Castells als Minister für Universitäten und Alberto Garzón (Vorsitzender der IU) als Minister für Verbraucherschutz.

Am 4. Mai 2021 kündigte Pablo Iglesias nach den enttäuschenden Ergebnissen der Regionalwahlen 2021 in Madrid[11] überraschend seinen Rückzug aus der Politik an. Yolanda Díaz, Mitglied der Partido Comunista de España (KP Spaniens, PCE) und ehemaliges Mitglied der Izquierda Unida, wurde daraufhin Iglesias’ Nachfolgerin als zweite Stellvertretende Ministerpräsidentin. Der Rücktritt von Iglesias machte den Raum frei für eine neue politische Führungspersönlichkeit des «linken Flügels der Linken» und führte zu einer grundlegenden Neukonstellation. Yolanda Díaz übernahm diese Führungsposition, auch dank ihrer Popularität als Arbeitsministerin.

Am 8. Juli 2022 rief Díaz offiziell eine neue politische Initiative namens Sumar ins Leben, mit der sie bei den Parlamentswahlen 2023 antreten sollte. Auf der Gründungsveranstaltung, an der fast 5000 Menschen teilnahmen, wurde Sumar als Bürgerbewegung vorgestellt, der sich alle linksgerichteten Organisationen anschließen können. Díaz’ Ziel war es, Organisationen zusammenzubringen, die als unvereinbar dargestellt wurden (so etwa Más País [Mehr Land, MP], vertreten durch Íñigo Errejón oder Podemos).[12] Gleichzeitig wollte sich Sumar von den radikal linken politischen Spitzen distanzieren, die seit 2014 aufgetaucht waren, und brachte den Wunsch zum Ausdruck, sich nicht in eine «Suppe von Akronymen» zu verwandeln, sondern in eine Bürgerbewegung, die in der Lage sei, «einen neuen Gesellschaftsvertrag» zu schaffen.[13] Dieser Wunsch spiegelte sich nicht nur in der Rhetorik von Díaz wider, sondern auch in der Ästhetik des Treffens (keine Parteisymbole) und der Auswahl der Redner*innen (führende Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft). Angesichts der Popularität von Yolanda Díaz bekundeten die Spitzen von IU, MP und Podemos seit Juli 2022 ihre Bereitschaft, sich mit diesem Projekt zu verbünden und ihre Kandidatur zu unterstützen.

Seit Beginn von Díaz’ Initiative hat sich das Verhältnis der einzelnen radikal linken Organisationen zu Sumar unterschiedlich entwickelt. Die Izquierda Unida, die seit 2016 Teil der Koalition Unidas Podemos ist, begrüßte die Initiative und zeigte von Anfang an ihre Bereitschaft, sich voll in das Projekt einzubringen. Die wichtigsten Vertreter*innen von Más País, der 2019 gegründeten Abspaltung von Podemos, haben die Initiative gebilligt, was teilweise mit den schlechten Aussichten auf einen Sieg ihres Vorsitzenden Íñigo Errejón bei den Parlamentswahlen 2023 zu erklären ist.

Podemos war die Partei, die am wenigsten bereit war, sich diesem Projekt anzuschließen. Obwohl Iglesias selbst Díaz als seine Nachfolgerin für das Amt der zweiten Vizepräsidentin der Regierung nominiert hatte, kam es im Herbst 2021 zu Spannungen zwischen den beiden Spitzenpolitiker*innen. Im November 2022 bestätigte Podemos die Absicht, die Kandidatur von Díaz für die Wahlen 2023 zu unterstützen, bekräftigte aber zugleich, als Partei überleben und weiterhin eine führende Rolle in der Linken spielen zu wollen. So betonte Iglesias am 6. November 2022 auf der Podemos-Herbstuniversität erneut, dass bei der Aufstellung einer gemeinsamen Kandidatur «Podemos respektiert werden [müsse]».[14] Trotz der Spannungen zwischen Podemos und Sumar gelang es dem «linken Flügel der Linken» schließlich, eine gemeinsame Kandidatur für die Parlamentswahlen im Juli 2023 aufzustelle

2. Erfolge und Versäumnisse der Regierungskoalition (2020–2023)

Seit ihrem Amtsantritt im Januar 2020 hat die PSOE-UP-Koalitionsregierung ein Paket von Antikrisenmaßnahmen sowie eine Reihe von Strukturreformen auf den Weg gebracht. Die PSOE vollzog einen «Linksruck», der teilweise auf die Entstehung von Podemos im Jahr 2014 und die Bildung der Koalitionsregierung zurückzuführen ist.

Die Antikrisenpolitik der Regierung

Die Regierungskoalition hat wirksame und sehr erfolgreiche Maßnahmen ergriffen, um auf die verschiedenen Krisen zu reagieren, die Europa seit 2020 durchmacht. Diesen Maßnahmen schrieben viele Beobachter*innen Modellcharakter für den Rest Europas zu. Zur Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Folgen der im Januar 2020 durch die Covid-19-Pandemie ausgelösten Gesundheitskrise und der im Februar 2022 durch den Krieg in der Ukraine ausgelösten geopolitischen Krise entschied sich die Regierungskoalition für den Einsatz massiver Wirtschaftshilfen. Sie entfernte sich von der Austeritätslogik, die während der Wirtschafts- und Finanzkrise 2007/08 unter der von José Luis Rodríguez Zapatero (PSOE) geführten Regierung vorherrschte und eine neoliberale Wende der Sozialdemokratie markierte.

Im Zuge der sozioökonomischen Krise von 2008 optierte die Regierung Zapatero, wie die übrigen europäischen Länder, für eine Sparpolitik, um der Krise zu begegnen und Hilfe von der EU zu erhalten. In Spanien begann die Regierung ab 2008 mit einer Reihe von Reformen, die in diese Richtung gingen: Mehrwertsteuererhöhung, Einstellungsstopp, niedrigere Löhne im öffentlichen Sektor und Anhebung des Rentenalters. Das damals vorherrschende neoliberale Dogma führte zum sozialen und politischen Niedergang. Nach der Großen Rezession waren 60 Prozent der spanischen Bevölkerung der Meinung, dass die «Reichen zu viel Macht in ihrem Land haben»,[15] und die Einschätzung von Politiker*innen fiel, auch aufgrund der wachsenden Zahl von Korruptionsfällen, zunehmend negativ aus. In den Jahren nach 2008 «waren die Spanier*innen der Ansicht, dass ‹Politiker*innen, politische Parteien und Politik› sowie ‹Korruption› die Hauptprobleme des Landes seien, gleich nach Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsfragen.»[16]

Die PSOE scheint aus diesen Fehlern gelernt zu haben; anders als infolge der Krise von 2008 wandte sie sich von der neoliberalen Austeritätspolitik ab. Bei den Maßnahmen zur Krisenbekämpfung wurden die Covid-19-Konjunkturprogramme, die teilweise mit Mitteln aus dem europäischen Konjunkturprogramm «Next Generation EU» unterstützt wurden, erfolgreich umgesetzt. So führte die Regierung beispielsweise das ERTE-Programm (expediente de regulación temporal de empleo) ein, das das Herzstück der Reaktion auf die Wirtschaftskrise nach der Covid-19-Pandemie war und wirtschaftliche Ausgleichsmaßnahmen für Unternehmen in Schwierigkeiten vorsah.

Die Regierung ergriff außerdem Maßnahmen zur Bewältigung der Krise bei den Lebenshaltungskosten. Hierzu gehören die Übergewinn- und die Vermögenssteuer für Banken und Energieunternehmen, die Besteuerung großer Vermögen und der Plan der Subventionierung öffentlicher Verkehrsmittel, die alle ursprünglich von Unidas Podemos vorgeschlagen wurden. Diese Maßnahmen waren ausgesprochen erfolgreich. So werden beispielsweise die Steuer auf unerwartete Gewinne und die Vermögenssteuer zwei Jahre lang jeweils bis zu 1,5 Milliarden Euro pro Jahr einbringen, während die Senkung der Fahrpreise im öffentlichen Nahverkehr die Zahl der Nutzer*innen deutlich erhöht hat. Zu den Antikrisenmaßnahmen gehört außerdem die Deckelung der Gaspreise, die schon vor Beginn des Krieges in der Ukraine eine der Hauptforderungen der UP war. Mit Zustimmung der Europäischen Kommission konnten Spanien und Portugal die Gas- und Strompreise deckeln. Dieser «iberische Sonderweg» hat es den Spanier*innen ermöglicht, die Strompreise um bis zu zwei Drittel niedriger zu halten als in anderen europäischen Ländern. Im Juni 2023 unterschieden sich die Strompreise immer noch stark, wobei Spanien (15,18 Cent/kWh) deutlich niedrigere Preise aufwies als etwa das Vereinigte Königreich (46,46 Cent/kWh) oder Deutschland (37,85 Cent/kWh).[17]

Zu den Haushaltsmaßnahmen gehört auch das im Dezember 2022 angekündigte dritte Antikrisenpaket in Höhe von 10,6 Milliarden Euro, das unter anderem die Abschaffung der Mehrwertsteuer auf bestimmte Lebensmittel, eine Mietpreisbremse und einen Gutschein über 200 Euro für die bedürftigsten Haushalte vorsieht.

Die strukturellen Wirtschafts- und Sozialreformen der Regierung

Parallel dazu wurden auch wichtige Reformen durchgeführt, wie beispielsweise:

  • die Erhöhung des Mindestlohns um 8 Prozent im Februar 2023 (eine Erhöhung um 47 Prozent in fünf Jahren);
  • das Wohnungsbaugesetz (Ley de Vivienda) im Mai 2023, dessen Ziel es war, «das, was heute ein Luxusprodukt ist, in ein Grundbedürfnis umzuwandeln»[18] (Pedro Sánchez), insbesondere durch regulierte Mieten in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt oder die Sanktionierung von Leerstand;
  • die Rentenreform, die Gutverdiener*innen zu höheren Beiträgen verpflichtet, ohne das Rentenalter zu erhöhen;
  • die Einführung einer dauerhaften Grundsicherung (ingreso minimum vital) im Mai 2020 während der Covid-19-Pandemie;
  • die Arbeitsmarktreform 2022 (reforma laboral) unter der Leitung von Arbeitsministerin Yolanda Díaz, mit der strukturelle Reformen auf dem Arbeitsmarkt eingeleitet wurden, insbesondere die Einführung von unbefristeten Verträgen als Norm und von befristeten Verträgen als Ausnahme. Diese Reform war das Ergebnis langwieriger Verhandlungen und gilt als historische Einigung zwischen der Regierung, den Arbeitgeberverbänden und den Gewerkschaften.

Spanien gehört zu den europäischen Ländern, die am besten auf die verschiedenen Krisen reagiert haben. Makroökonomische Indikatoren zeigen, dass das Land im Vergleich zu anderen Ländern insbesondere die Kerninflation unter Kontrolle gehalten hat. Tatsächlich zählte Spanien (2,1 Prozent) im Jahr 2023 neben Belgien (1,6 Prozent) und Luxemburg (2 Prozent) zu den drei europäischen Ländern mit den niedrigsten jährlichen Inflationsraten, während als stark geltende Volkswirtschaften wie Deutschland sehr hohe Inflationsraten (6,5 Prozent) aufweisen.[19]

Spanien gehört laut Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auch zu den europäischen Ländern mit den höchsten Wirtschaftswachstumsprognosen.[20] Die von Yolanda Díaz eingeführten Strukturreformen (etwa die Arbeitsmarktreform) haben außerdem zu einem Rückgang der Arbeitslosigkeit und einem Anstieg der Zahl an unbefristeten Arbeitsverträgen geführt. Noch nie waren so viele Menschen erwerbstätig und sozialversichert (die Arbeitslosenquote sank von 13,2 Prozent im Juli 2022 auf 11,7 Prozent im Juni 2023).[21]

Die Maßnahmen der Regierung haben Millionen von Arbeitsplätzen gesichert und die am meisten gefährdeten Bürger*innen geschützt. Dennoch gibt es Raum für Verbesserungen, und die verschiedenen ergriffenen Maßnahmen lassen sich durchaus auch kritisieren. So ist die Arbeitslosenquote in Spanien, trotz des Rückgangs der Arbeitslosigkeit, mit 11,7 Prozent immer noch eine der höchsten in Europa. Die allgemeine Inflation konnte zwar eingedämmt werden, die Inflation bei den Lebensmittelpreisen bleibt jedoch hoch. In der Tat ist diese eine der höchsten in Europa – beispielsweise bei «Ölen und Fetten» 28,1 Prozent im März 2023 (die siebthöchste in der EU) und 15,4 Prozent im Juni 2023 (die sechsthöchste in der EU).[22] Steigende Lebensmittelpreise treffen die Ärmsten direkt. Dies hat zu Debatten innerhalb der spanischen Linken geführt. Zwischen PSOE und UP gab es Auseinandersetzungen über den Umgang mit der Lebensmittelkrise. Unidas Podemos schlug die Einrichtung staatlicher Supermärkte vor (ein Punkt des Programms, das bei den Kommunal- und Regionalwahlen im Mai 2023 vorgestellt wurde, mit dem Ziel, mehr als 1000 solcher Supermärkte im ganzen Land zu schaffen). Im Mai 2023 erläuterte Irene Montero (UP) den Plan wie folgt: «Die Lebensmittelpreise müssen dringend gedeckelt werden, und wir schlagen vor, eine öffentliche Lebensmittelvertriebsgesellschaft zu schaffen, die faire Preise für diejenigen garantiert, die diese Produkte erzeugen, sprich für kleine und mittlere Landwirt*innen, aber auch für alle Familien, damit sie zu fairen Preisen einkaufen können.»[23] Auch die Frage der Zinssätze lässt sich kontrovers diskutieren, denn die private Verschuldung ist in Spanien nach wie vor hoch, und wieder einmal sind es die wirtschaftlich schwächsten Bürger*innen mit zinsvariablen Hypotheken, die als erste darunter leiden.

Es sei daran erinnert, dass die Koalitionsregierung weiterhin von der sozialdemokratischen PSOE dominiert wird. Die von Unidas Podemos vertretene radikale Linke bleibt in der Regierung in der Minderheit, was ein Hindernis für die Umsetzung möglicher Fortschritte darstellt. Dazu zählt einerseits die Aufhebung der Befristung bestimmter Maßnahmen beziehungsweise die Forderung von Unidas Podemos, diese dauerhaft anzuwenden (zum Beispiel die Senkung der Kosten für öffentliche Verkehrsmittel). Und andererseits ließen sich weitere wirtschaftliche und soziale Maßnahmen ergreifen, um die zahlreichen strukturellen Probleme Spaniens anzugehen, darunter die hohe Arbeitslosigkeit, die Lebenshaltungskosten und die starken regionalen Unterschiede und Ungleichheiten – etwa durch öffentlich verwaltete Supermärkte und Maßnahmen zur Senkung der Gewinnspannen im Einzelhandel.

Die Regierung von Pedro Sánchez verfolgte das Ziel, Investitionspolitik mit wirtschaftlicher Orthodoxie zu verbinden. Widerstände innerhalb der Regierung seitens einiger orthodoxer Sozialliberaler haben wohl den Fortschritt in bestimmten Fragen gebremst. Die designierte Wirtschaftsministerin Nadia Calviño beispielsweise blickt auf eine langjährige Tätigkeit für die Europäische Kommission zurück – unter anderem als für den Haushalt zuständige Generaldirektorin zwischen 2014 und 2018. Sie wurde auch zur ersten Stellvertretenden Ministerpräsidentin Spaniens ernannt, was ihre Bedeutung in der Regierung unterstreicht. So waren beispielsweise die Verhandlungen über das Wohnungsbaugesetz zäh, und es dauerte lange, bis das Gesetz zustande kam. Außerdem gab es innerhalb der PSOE Widerstand gegen die «Reichensteuer», die schließlich im Staatshaushalt 2023 verabschiedet wurde, sowie heftige und scharfe Debatten über alle von der UP vorgeschlagenen Antikrisenmaßnahmen.

Die progressive Kultur- und «Gesellschafts»-Politik der Regierung

Im Bereich der Kultur- und der sogenannten Gesellschaftspolitik wurde die PSOE-UP-Koalitionsregierung auch wegen der vielen neu eingeführten Gesetze genau beobachtet. Zu diesen Gesetzen gehört das im März 2021 verabschiedete Sterbehilfegesetz (Ley de Eutanasia), das Patient*innen mit unheilbaren Krankheiten das Recht auf Beihilfe zum Suizid einräumt. Spanien ist damit nach Belgien, Luxemburg und den Niederlanden das vierte europäische Land, das die Sterbehilfe regelt.

Ein weiteres wichtiges Gesetz war das im Februar 2023 verabschiedete Trans-Gesetz (Ley trans), das unter anderem folgende Bestimmungen enthält: Verbot von Konversionstherapien; Zulassung der geschlechtlichen Selbstidentifizierung ab dem 16. Lebensjahr (Personen können ihren Namen und ihr Geschlecht in ihren Personaldokumenten ändern lassen, indem sie bei den Behörden einen Termin vereinbaren, ohne ein medizinisches Gutachten vorlegen zu müssen); Schaffung eines Systems von Straftatbeständen für diskriminierende Handlungen gegenüber LGTBIQ+-Personen (wirtschaftliche Sanktionen von bis zu 150.000 Euro).

Interessant ist auch das von Irene Montero vorangetriebene und im August 2022 verabschiedete Gesetz über die umfassende Garantie der sexuellen Freiheit, das sogenannte «Nur-Ja-heißt-Ja-Gesetz» (Ley del «sólo sí es sí»). Ziel des Gesetzes, das erhebliche rechtliche Lücken aufwies (siehe Abschnitt «Popularität der Maßnahmen der Regierung»), war es, einen «Paradigmenwechsel» herbeizuführen, indem die Zustimmung in den Mittelpunkt der Beurteilung von Sexualdelikten gestellt und die Unterscheidung zwischen sexuellem Missbrauch und sexueller Nötigung aufgehoben wurde (jede sexuelle Handlung ohne Zustimmung gilt als Nötigung). Die Errungenschaft dieses jüngsten Gesetzes muss im Kontext der Konsolidierung der feministischen Bewegung in Spanien gesehen werden, insbesondere seit dem 8. März 2018 und dem «ersten feministischen Generalstreik» in Spanien, der von der Initiative Comisión 8M organisiert wurde (5,9 Millionen Menschen haben sich daran beteiligt).[24] Die jahrelangen Kämpfe, die Stärke der feministischen Organisationen und Bewegungen in Spanien und die «Feminisierung» von Unidas Podemos (etwa der Führungswechsel mit der Ablösung des Generalsekretärs von Pablo Iglesias durch Ione Belarra im Jahr 2021) haben sicherlich dazu beigetragen, diese Debatten auf die Tagesordnung zu setzen und Akzeptanz für den mit diesem Gesetz ursprünglich angestrebten Paradigmenwechsel zu schaffen.

Die Regierungskoalition führte außerdem ein Gesetz zur demokratischen Erinnerung (Ley de Memoria Democrática) ein, das im Juli 2022 verabschiedet wurde und das Gesetz zur historischen Erinnerung aus dem Jahr 2007 ersetzt. Das neue Gesetz zielt unter anderem darauf ab, Menschen zu ehren, die während des Franco-Regimes in Spanien (1939–1975) ihr Land aus politischen, ideologischen oder religiösen Gründen verlassen mussten (beispielsweise garantiert dieses Gesetz die spanische Staatsbürgerschaft für «diejenigen, die außerhalb Spaniens geboren wurden, deren Vater oder Mutter, Großvater oder Großmutter ursprünglich Spanier*innen waren, die infolge des Exils aus politisch-ideologischen, Glaubensgründen oder aus Gründen der sexuellen Orientierung und Identität die spanische Staatsbürgerschaft verloren oder aufgegeben haben»).[25] Es legt auch fest, dass das spanische Bildungssystem «die Vermittlung von Kenntnissen über die spanische Geschichte und das demokratische Gedächtnis sowie über den Kampf für demokratische Werte und Freiheit» zu gewährleisten hat.[26]

Dieses «Erinnerungsgesetz» ist Ausdruck der zahlreichen Debatten, die in den letzten Jahren über den Übergang zur Demokratie und das Erbe Francos geführt wurden und die viele Beobachter*innen zu der Forderung veranlassten, dass «die Beschönigung des Franco-Regimes in Spanien ein Ende haben muss.»[27] Der spanische Übergang zur Demokratie wurde lange Zeit aufgrund des angeblichen Pazifismus als «Erfolgsgeschichte» dargestellt.[28] Viele Kritiker*innen haben jedoch wiederholt die Mythen um den Übergang dekonstruiert. Erstens wird der vermeintlich friedliche Charakter des Übergangs in Frage gestellt, indem an die extreme Gewalt erinnert wird, die diesen Zeitraum kennzeichnete – zwischen 1975 und 1982 wurden etwa 700 politische Morde begangen.[29] Zweitens wird in vielen Beiträgen darauf hingewiesen, dass das spanische Amnestiegesetz von 1977, das aus der Transition hervorging und eine Amnestie für die Verantwortlichen der Verbrechen des Franco-Regimes ermöglichte, Gegenstand heftiger Debatten war. Angesichts der Bedeutung des früheren Konsenses weisen die Kommentator*innen drittens darauf hin, dass die territoriale Frage in der Verfassung von 1978 nicht klar definiert wurde, was die Ursache für zahlreiche Konflikte im Zusammenhang mit den Autonomieansprüchen war – Konflikte, die die spanische Demokratie seit ihrer Entstehung prägen.

In Spanien polarisiert die Frage der Autonomie und/oder Unabhängigkeit das politische Leben in bestimmten autonomen Gemeinschaften derart stark, dass Beobachter*innen von der Existenz mehrerer «Wahlgebiete» sprechen.[30] Spanien gehört zu den am stärksten dezentralisierten Staaten in Europa, wobei die autonomen Gemeinschaften über erhebliche Zuständigkeiten verfügen. Dies hat zur Entstehung zahlreicher nationalistischer, autonomistischer und regionalistischer Parteien geführt.

Die Verschlechterung der Beziehungen zwischen Madrid und Barcelona in den letzten Jahren zeigt die Grenzen eines «Spaniens der Autonomien» auf, einer institutionellen Formel aus der Zeit des demokratischen Übergangs, die sowohl «die unauflösliche Einheit der spanischen Nation» als auch «das Recht auf Autonomie der Nationalitäten und Regionen, die diese Nation bilden», proklamiert.[31] Seit 2008 steht die Frage der katalanischen Unabhängigkeit erneut im Mittelpunkt der Debatte, mit einem weiteren Aufschwung der katalanischen Parteien (sowohl der linken als auch der rechten), die für die Unabhängigkeit eintreten. Am 1. Oktober 2017 führte die im Januar 2016 gebildete unabhängige katalanische Regierung ein Referendum über die Unabhängigkeit durch, dessen Rechtsgültigkeit von der spanischen Regierung nicht anerkannt wurde. Die Befürworter*innen des Referendums setzten sich mit großem Vorsprung durch (90,18 Prozent), während die Unabhängigkeitsgegner*innen dazu aufriefen, sich nicht an der Abstimmung zu beteiligen (Wahlbeteiligung: 42,4 Prozent). Nach dem Referendum kam es zu einer Reihe von Verhaftungen und Durchsuchungen von Unabhängigkeitsbefürworter*innen und hohen Beamten. Unter anderem verurteilte der Oberste Gerichtshof Spaniens neun führende Unabhängigkeitsbefürworter*innen wegen ihrer Rolle beim «Abspaltungsversuch» Kataloniens zu Haftstrafen von 9 bis 13 Jahren.

In diesem Zusammenhang hat die Regierungskoalition aus PSOE und UP wichtige Maßnahmen ergriffen, um den Dialog mit der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung zu befrieden, insbesondere durch:

  • die «Aufhebung des Straftatbestands der Aufwiegelung und Strafminderung für katalanische Unabhängigkeitsbefürworter*innen, die während des illegalen Referendums in Katalonien im Oktober 2017 in Erscheinung getreten sind» (derogación delito de sedición), wodurch die Aufwiegelung zu einer «schweren Störung der öffentlichen Ordnung» wird, die mit geringeren Haftstrafen geahndet wird;
  • teilweise und bedingte Begnadigungen für katalanische Gefangene, die für die Unabhängigkeit eintreten.

Anders als die Linke steht die spanische Rechte den autonomen Forderungen historisch eher ablehnend gegenüber. Die PP ist zwar keine glühende Gegnerin eines Staates der Autonomien, aber unter dem Druck von Vox, die einen starken Zentralstaat verteidigt, sowie aufgrund der Katalonienfrage haben sich die Positionen der Partei von Feijóo in letzter Zeit verhärtet. Auf der anderen Seite sind die PSOE und die UP für einen Dialog offener. Seit Gründung vertritt Podemos eine «plurinationale Perspektive».[32] Während der «Katalonien-Krise» 2016 rief Podemos zum Dialog auf und versuchte, eine dritte Lösung zu fördern. Die Partei lehnte eine einseitige Unabhängigkeitserklärung und die Repressionen des spanischen Staates ab, verteidigte aber auch die Durchführung eines legalen Referendums über die Unabhängigkeit Kataloniens. In jüngster Zeit hat die Koalitionsregierung erneut ihre Offenheit gegenüber den «historischen» Gemeinschaften unter Beweis gestellt. Im August 2023 genehmigte Francina Armengol (PSOE), die neue Präsidentin des Abgeordnetenhauses, die Verwendung zusätzlicher Amtssprachen innerhalb des Parlaments (Baskisch, Katalanisch, Galicisch und Spanisch).

Popularität der Regierungsmaßnahmen

Die Regierungspolitik der Koalition zur Bewältigung der Krise war, wie gesehen, in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht erfolgreich, insbesondere im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten. Allerdings waren die Hauptakteure der Regierung (PSOE und UP), obwohl sie den Schaden begrenzten und die Umfrageergebnisse übertroffen haben, bei den Wahlen nicht so erfolgreich, wie sie es hätten sein können (verglichen mit der konservativ-liberalen Rechten). Kulturelle und «gesellschaftliche» Themen waren im Wahlkampf vom Juli 2023 entscheidend. Territoriale Fragen, insbesondere die Frage Kataloniens, und die Frage des Zustimmungsgesetzes spielten eine wesentliche Rolle. Diese beiden Themen wurden von rechten Kräften und, wie im Fall des «Nur-Ja-heißt-Ja-Gesetzes», auch von konservativen Richter*innen extrem politisiert.

Die im Juli 2023 im Auftrag von El País und dem Radiosender SER von 40dB durchgeführte Umfrage vor den Wahlen liefert wichtige Anhaltspunkte zum Verständnis des Wahlergebnisses der Parlamentswahlen 2023 (siehe Kasten). Die Umfrage zeigt, dass die meisten Sozialgesetze der Regierungskoalition von einer großen Mehrheit der Spanier*innen befürwortet wurden (Mindestlohn, Arbeitslosigkeit), ebenso wie bestimmte «gesellschaftliche» Gesetze (Trans-Gesetz; Sterbehilfegesetz). Die größte Ablehnung erfuhren die Begnadigung für Gefangene der katalanischen Unabhängigkeitsbewegung, die Reform des Strafgesetzbuchs zum Straftatbestand der Aufwiegelung und das Zustimmungsgesetz. Irene Monteros «Nur-Ja-heißt-Ja-Gesetz» hatte den absurden – und offenkundig unerwünschten – Effekt, dass die Strafen für einige Sexualstraftäter*innen reduziert wurden, was Pedro Sánchez dazu veranlasste, das Gesetz im April 2023 zu ändern und sich bei den Opfern zu entschuldigen. Im Juni 2023 gab er zu, dass der technische Fehler im Gesetz «der größte Fehler seiner Regierung» gewesen sei.[33] Auch die Vereinten Nationen verurteilten über Reem Alsalem, eine unabhängige Beraterin für Geschlechterfragen und die Rechte von Geflüchteten und Migrant*innen, dieses Gesetz, das ihrer Meinung nach «Gegenstand einer umfassenderen Beratung hätte sein müssen».[34] Einer der Fehler von Podemos könnte darin bestanden haben, dass sie rechtliche Lücken im Zustimmungsgesetz nicht erkannten und dass die Partei eine identitätspolitische Haltung einnahm, um sich zu verteidigen.

ERGEBNISSE DER VORWAHLUMFRAGE – JULI 2023[35]
 

Auf die Frage nach der Bewertung von 13 der wichtigsten Maßnahmen der Regierung gaben über 50 Prozent der Befragten an, dass sie die folgenden Maßnahmen für sehr gut oder gut befanden: die Erhöhung des Mindestlohns (60,4 Prozent gegenüber 14,7 Prozent, die sie für schlecht oder sehr schlecht hielten), die Rentenreform (52,5 Prozent zu 17,6 Prozent) und das Sterbehilfegesetz (51,2 Prozent zu 20,3 Prozent). Die folgenden Maßnahmen wurden eher positiv aufgenommen: die Grundsicherung (49,1 Prozent zu 22,7 Prozent); die ERTE-Hilfen während der Covid-19-Pandemie (47,5 Prozent zu 21,3 Prozent); Hilfs- und Antikrisenmaßnahmen während des Anstiegs der Inflation (42,4 Prozent zu 26,2 Prozent); die Arbeitsmarktreform (39,9 Prozent zu 26,9 Prozent); das Trans-Gesetz (39,1 Prozent zu 32,7 Prozent); und das Erinnerungsgesetz (36,5 Prozent zu 33,7 Prozent).


Mehr als 50 Prozent der Befragten hielten die folgenden Maßnahmen für schlecht oder sehr schlecht: die Begnadigung der inhaftierten katalanischen Politiker*innen (51,7 Prozent gegenüber 22,7 Prozent für gut oder sehr gut) und das Zustimmungsgesetz (52,8 Prozent zu 19,4 Prozent). Die folgenden Maßnahmen wurden eher schlecht aufgenommen: das Wohnungsbaugesetz (30,2 Prozent zu 37,4 Prozent) und die Ausnahmeregelung zum Straftatbestand der Aufwiegelung für die katalanischen Unabhängigkeitsbefürworter*innen (23,4 Prozent zu 43,8 Prozent).

3. Die Wahlergebnisse: Welche Perspektiven gibt es für die radikale Linke?

Die Parlamentswahlen 2023: Gewinner*innen und Verlierer*innen

Es ist schwer abzuschätzen, welche politische Kraft letztlich den Sieg der Parlamentswahlen 2023 davontragen wird. Auf den ersten Blick festigte die liberal-konservative Rechte, vertreten durch die PP, die aus den Regional- und Kommunalwahlen im Mai 2023 als Siegerin hervorgegangen war, ihre Gewinne und positionierte sich somit als Hauptgewinnerin der Wahlen. Vox verlor dagegen an Stimmen, sodass die PP ihre Position als führende rechtsgerichtete Partei behauptete.

Eine andere Lesart zeigt jedoch, dass die PSOE als Siegerin aus den Wahlen hervorging. Demnach war Pedro Sánchez mit seinem Spiel erfolgreich, was seine Fähigkeit, die politische Situation zu durchschauen, bestätigte. Als Sánchez ankündigte, das Parlament aufzulösen, hatten sich politische Beobachter*innen gefragt, welches Ergebnis diese «Alles-oder-nichts»-Entscheidung des Ministerpräsidenten letztlich hervorbringen würde. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass es der PSOE gelingen wird, eine neue progressive Regierung zu bilden. Zudem ist die Partei gestärkt aus diesen Wahlen hervorgegangen, da sie ihre Hegemonie im linken Lager bestätigen konnte. Die radikale Linke, vertreten durch Sumar, konnte ihrerseits den vorhergesagten Aderlass vermeiden und den Schaden begrenzen.

Einer der wichtigsten Erfolge der PSOE war die Übernahme der Führung in Katalonien, während die Unabhängigkeitsbefürworter*innen, vertreten durch die Esquerra Republicana de Catalunya (Republikanische Linke Kataloniens, ERC), die Hälfte ihrer Abgeordneten verlor. Das Ergebnis der Partit dels Socialistes de Catalunya (Sozialistische Partei Kataloniens, PSC-PSOE) darf als historisch bezeichnet werden, da sie in Katalonien den ersten Platz belegte (34,49 Prozent), gefolgt von Sumar (14,03 Prozent) und überraschend auch von der PP (13,34 Prozent) sowie der ERC (13,16 Prozent). Die drei wichtigsten Befürworter*innen der Unabhängigkeit erreichten zusammen nicht einmal 30 Prozent der Stimmen.[36] Dies ist ein bedeutender Umschwung und könnte als Zeichen dafür gewertet werden, dass die Politik der Regierungskoalition, den Dialog mit Katalonien zu eröffnen, Früchte trägt.

Was die anderen regionalen linken Kräfte betrifft, so konnte im Baskenland die «patriotische linke» Koalition Euskal Herria Bildu (Baskenland versammelt, EH Bildu) an Boden gewinnen (sechs Abgeordnete). Der Vorsitzende der Partei, Arnaldo Otegi, erklärte bereits, dass er für die Regierungsbildung mit der PSOE stimmen würde, um eine PP-Vox-Regierung zu vermeiden.

Zwei Erhebungen liefern uns wichtige Informationen über die verschiedenen Wählergruppen: zum einen die von CIS im Juni 2023 durchgeführte Umfrage vor den Wahlen[37] und zum anderen die Umfrage von Cluster17.[38] Diese beiden Befragungen ermöglichen uns einen Blick auf den sozialen Hintergrund der Wählerschaft der Linken. Zwei wichtige Erkenntnisse lassen sich daraus zur sozialen Basis der einzelnen Parteien ableiten: erstens hat die Links-Rechts-Achse eine generationelle Dimension (jung/links versus älter/rechts); und zweitens ist die Links-Rechts-Achse nach wie vor ein «Klassenvotum». Was den zweiten Punkt betrifft, so bestätigen beide Umfragen, dass die PSOE innerhalb der spanischen Arbeiterklasse hegemonial bleibt. Die CIS-Umfrage zeigt beispielsweise, dass bei der Frage «Könnten Sie mir unverbindlich sagen, mit welcher Partei Sie am meisten sympathisieren?», die PSOE in der Arbeiterschaft an erster Stelle steht (27,8 Prozent), gefolgt von der PP (17,5 Prozent), Sumar (14,2 Prozent) und Vox (9,9 Prozent). Diese Ergebnisse werden durch die Umfrage von Cluster17 bestätigt, die ebenfalls ein starkes «Klassenvotum» zugunsten der PSOE zeigt, der es nicht geschadet hat, einen Teil ihrer Kampagne auf «gesellschaftliche» Themen zu konzentrieren: Je niedriger das Einkommen, desto mehr Haushalte stimmen für die PSOE. Umgekehrt bevorzugen die wohlhabenderen Schichten die PP (32 Prozent), gefolgt von der PSOE (20 Prozent), Sumar (10,9 Prozent) und Vox (10,6 Prozent).

Ein Blick auf die Zukunft des «linken Flügels der Linken» in Spanien

Zu beurteilen, wie die radikale Linke bei diesen Wahlen abschnitt, stellt eine Herausforderung dar. Zum einen hat Sumar im Vergleich zu 2022, als die Umfragen der «Linken der Linken» ein sehr niedriges Ergebnis voraussagten, mit 12,31 Prozent gar nicht so schlecht abgeschnitten. Zum anderen hat die Sumar-Koalition mit 31 Abgeordneten jedoch im Vergleich zu den Ergebnissen der anderen radikal linken Parteien im November 2019 an Abgeordneten verloren, als es 35 Abgeordnete für Unidas Podemos, 3 für Más País und 1 für Compromís (Kompromiss) gab. Zugleich gibt es viele Spaltungen innerhalb der radikalen Linken und ihrer Parlamentsfraktion. Die radikale Linke scheint daher insgesamt geschwächt aus der Gesamtverteilung hervorzugehen. Ein politischer Zyklus könnte sich geschlossen haben.

In der jüngeren Geschichte der spanischen radikalen Linken lassen sich mehrere Zyklen ausmachen. Der erste Zyklus (2011–2013) war geprägt von einer Konsolidierung der zivilgesellschaftlichen Strömungen und dem Aufkommen der 15-M-Bewegung (der Indignados) im Jahr 2011, die eine «echte Demokratie jetzt!» (¡Democracia Real Ya!) forderten. Auf diesen Zyklus des «kollektiven Aufbrausens»[39] folgte ein Zyklus von Versuchen, die Bewegungen der Plätze mit der Gründung von Podemos im Jahr 2014 zu institutionalisieren, deren Ziel es war, «Empörung in politischen Wandel umzuleiten».[40] Die ersten Jahre von Podemos und ihre Wahlerfolge waren von der Hoffnung geprägt, dass in Spanien auf Dauer eine alternative Linke entstehen könnte. Dieser zweite Zyklus wurde damals als «populistischer Moment»[41] bezeichnet, da es so aussah, als würde die Links-Rechts-Achse durch eine Volk-Elite-Achse ersetzt, die «die da unten» gegen «die da oben» stellt. Dies führte zur Bildung der Koalitionsregierung zwischen Unidas Podemos und PSOE. Heute ist die Sozialdemokratie wieder die hegemoniale Kraft der spanischen Linken. Die führenden Vertreter*innen der radikalen Linken nehmen eine wesentlich defensivere Haltung ein. Ihre Wahlergebnisse sind stetig gesunken, und sie verfügen nicht mehr über die 2015 gewonnenen «Rathäuser des Wandels» (ayuntamientos del cambio), die Laboratorien für die radikale Linke waren (wie in Madrid und Barcelona).

Heute überwiegt das Gefühl, dass die Zukunft der radikalen spanischen Linken höchst ungewiss ist. Das Wahlbündnis Sumar ist sehr heterogen. Von den 31 Sumar-Abgeordneten, die gemeinsam mit der Kandidatin Yolanda Díaz gewählt wurden, kommen zehn aus der Sumar-Bewegung, fünf von Podemos, fünf von Catalunya en Comú (katalanische nicht-unabhängige radikale Linke), fünf von IU, zwei von Más País/Más Madrid, zwei von Compromís, eine*r von Chunta Aragonesista (Aragonesische Vereinigung, CHA) und eine*r von Més per Mallorca (Mehr für Mallorca, MÉS). Interessanterweise spielt die katalanische radikale Linke mit den fünf Abgeordneten von Catalunya en Comú eine wichtige Rolle in Sumar; allerdings ist festzuhalten, dass es innerhalb der Koalition keine hegemoniale Partei gibt, was es schwierig macht, die weitere Entwicklung zu prognostizieren. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass sich der Schwerpunkt der radikalen Linken verlagern und Podemos deutlich an Gewicht verlieren wird. Die Partei büßt auf nationaler Ebene an Einfluss ein und muss sich mit den organisatorischen und finanziellen Folgen des Debakels bei den Kommunalwahlen sowie mit ihrer bescheidenen Stellung innerhalb von Sumar auseinandersetzen – so leitete Podemos vor kurzem ein umfangreiches Entlassungsprogramm ein (Entlassung von mehr als der Hälfte des Personals und Schließung von neun Landesverbänden).

Die Geschichte von Podemos lässt erahnen, was die Zukunft für die Sumar-Bewegung bringen wird. Während Podemos dafür kritisiert wurde, den Geist des 15-M «verraten» zu haben, wollte Díaz mit der Gründung von Sumar den «einfachen Bürger*innen» die Macht (zurück-)geben, wobei einige der ursprünglichen «Rezepte» von Podemos (wie der Wunsch nach Transversalität, Horizontalismus, Bewegungsgeist) «wiederverwendet» wurden. Sumar präsentierte sich bisher als «Bürgerbewegung», und es bleibt abzuwarten, ob sich die Bewegung zu einer traditionellen politischen Partei entwickeln wird. Im Juni 2023 wurde Movimiento Sumar (die Sumar-Bewegung) als politische Partei registriert, um bei den Wahlen antreten zu können. Mittel- und langfristig läuft Sumar Gefahr, nur eine weitere Partei auf der politischen Bühne zu werden, und wahrscheinlich dürfte es dann schwierig werden, eine bewegungsorientierte Erzählung weiterzuentwickeln, wie es Podemos in seiner Anfangszeit tat.

Auch wenn die radikale Linke bei den Parlamentswahlen 2023 den Schaden begrenzen konnte, war dies für Sumar eine große Enttäuschung, da das Wahlbündnis in einem weniger polarisierten Umfeld wahrscheinlich mehr Stimmen erhalten hätte. Im Gegensatz zu Pablo Iglesias, der eine eher antioligarchische Haltung vertrat, hat Díaz ein eher institutionelles Profil. Dieses Potenzial konnte aufgrund des polarisierten Wahlkampfes und der raschen Etablierung von Sumar mit allen damit verbundenen Komplikationen bei der Bündnisbildung nicht ausgeschöpft werden.

Die These, dass Yolanda Díaz eine politische Führungspersönlichkeit ist, die sich in der Regierung bewährt hat und auch in Zukunft die alternative Linke repräsentieren könnte, lässt sich durchaus vertreten. Pierre Martin unterschied im Jahr 2015 drei Blöcke in den europäischen Parteiensystemen: eine demokratisch-ökosozialistische Linke, eine liberal-globalisierende Mitte und eine konservativ-identitäre Rechte.[42] In Spanien wird die demokratisch-ökosozialistische Linke heute weitgehend von Pedro Sánchez vertreten. Aufgrund ihres Profils als Verhandlungsführerin, der geringen Polarisierung innerhalb der Linken[43] und ihrer Beliebtheit bei den Wähler*innen anderer radikal linker Formationen hätte Yolanda Díaz gute Chancen auf diesen Platz. Zum einen könnte sie versuchen, Pedro Sánchez als Vertreter der liberal-globalisierenden Mitte darzustellen und daran erinnern, dass sich die PSOE seit 2020 der Umsetzung der verschiedenen von der UP vorgeschlagenen Wirtschaftsreformen widersetzt hat. Zum anderen könnte sie die PP und Vox mit dem Wiederaufleben eines autoritären Erbes in Verbindung bringen, wie sie es etwa in der erfolgreichen Wahlkampagne gegen Vox getan hat.[44]

Die Versuchung, einen Diskurs der Hierarchisierung der Kämpfe zu entwickeln, ein Narrativ, das den «nationalen Arbeiter» gegen Globalisierung, Immigration und «woke» Forderungen der bürgerlichen Linken verteidigt, ist heute bei einigen linken Politiker*innen und Aktivist*innen in Europa groß – wie es beispielsweise die von Sahra Wagenknecht innerhalb der Partei Die Linke in Deutschland oder die früher von Djordje Kuzmanovic innerhalb der LFI in Frankreich vertretenen Gruppen tun.[45]Eines der interessanten Ergebnisse der spanischen Parlamentswahlen 2023, aus dem wir für die Zukunft lernen können, ist die Tatsache, dass sich die PSOE und Sumar im Wahlkampf dafür entschieden haben, voll und ganz auf ihre Fortschritte in der Kultur- und «Gesellschafts»-Politik zu setzen. Denn die Parlamentswahlen 2023 waren von einer großen Kluft zwischen Progressiven und Konservativen geprägt, und der Regierungsblock stand als Garant für den Fortschritt gegenüber einem reaktionären Block. PSOE und Sumar stellten die «gesellschaftlichen» Fragen des linken städtischen Bürgertums nicht den sozialen Fragen der Arbeiterklassen gegenüber. Im Gegenteil, angesichts der Offensive der Rechten haben sie die Verantwortung für ihre Entscheidungen übernommen. Sie verteidigten weiterhin die progressiven Werte und betonten gleichzeitig die Bedeutung ehrgeiziger sozialer Maßnahmen. Dies hat ihren Wahlergebnissen in der Arbeiterschaft keinen Abbruch getan (die PSOE bleibt, wie gesehen, die führende Partei in der Arbeiterschaft).

Mit Blick auf die Zukunft kann man sich vorstellen, dass Díaz eine interessante Synthese der verschiedenen Forderungen darstellen könnte, da sie eine politische Führungspersönlichkeit ist, die von den Gewerkschaften respektiert wird und die ihre Rolle bei der konkreten Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer*innen durchsetzen kann, während sie gleichzeitig klare feministische, LGBTQI- und umweltpolitische Positionen vertritt.

Übersetzung aus dem Englischen von Camilla Elle und Sabine Voß für Gegensatz Translation Collective.


[1] Chazel, Laura/Fernández Vázquez, Guillermo: Podemos, at the Origins of the Internal Conflicts around the «Populist Hypothesis»: A Comparison of the Theoretical Production, Public Speeches and Militant Trajectories of Pablo Iglesias und Íñigo Errejón, in: European Politics and Society 21, Nr. 1, 1.1.2020, S. 1–16, doi.org/10.1080/23745118.2019.1582256.

[2] María del Vigo: Spain’s Two-Party System Is Back, Rosa Luxemburg Stiftung, 29.5.2023.

[3] 2019 hatte Unidas Podemos 12,86 Prozent erzielt.

[4] Orriols, Lluis/Cordero, Guillermo: The Breakdown of the Spanish Two-Party System: The Upsurge of Podemos and Ciudadanos in the 2015 General Election, in: South European Society and Politics 21, Nr. 4, Oktober 2016, S. 469–92, doi.org/10.1080/13608746.2016.1198454.

[5] Dahrendorf, Ralf: L’après-social-démocratie, in: Le Débat 7, Nr. 7, 1980, 18, doi.org/10.3917/deba.007.0018.

[6] Orriols, Lluís/León, Sandra: Looking for Affective Polarisation in Spain: PSOE and Podemos from Conflict to Coalition, in: South European Society and Politics 25, Nr. 3–4, 1.10.2020, S. 351–79, doi.org/10.1080/13608746.2021.1911440.

[7] Ferreira, Carles: Vox Como Representante de La Derecha Radical En España: Un Estudio Sobre Su Ideología, in: Revista Española de Ciencia Política 51, 29.11.2019, S. 73–98, doi.org/10.21308/recp.51.03.

[8] Turnbull-Dugarte, Stuart J.: Explaining the End of Spanish Exceptionalism and Electoral Support for Vox, in: Research & Politics 6, Nr. 2, April 2019, doi.org/10.1177/2053168019851680.

[9] Ortiz Barquero, Pablo: The Electoral Breakthrough of the Radical Right in Spain: Correlates of Electoral Support for VOX in Andalusia (2018), in: Genealogy 3, Nr. 4, 13.12.2019, S. 72, doi.org/10.3390/genealogy3040072.

[10] Rubio-Pueyo, Vicente: Vox a new far right in Spain?, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Büro New York, Juni 2019, rosalux.nyc/vox-a-new-far-right-in-spain.

[11] Turnbull Dugarte, Stuart J./Rama, José: Madrid’s regional election: How we got here, what happened, and why it matters, in: LSE Blogs, 5.5.2021, unter: https://blogs.lse.ac.uk/europpblog/2021/05/05/madrids-regional-election-how-we-got-here-what-happened-and-why-it-matters.

[12] Laura/Fernández Vázquez, Guillermo: Podemos, at the Origins of the Internal Conflicts around the “Populist Hypothesis”: A Comparison of the Theoretical Production, Public Speeches and Militant Trajectories of Pablo Iglesias und Íñigo Errejón, in: European Politics and Society 21, Nr. 1, 1.1.2020, S. 1–16, doi.org/10.1080/23745118.2019.1582256.

[13] Yolanda Díaz lanza Sumar: No va de partidos, ni siglas, va de sumar un País Mejor, 8.7.2022, unter: https://www.youtube.com/watch?v=B4BzZVmug08.

[14] Abschlussveranstaltung der Podemos-Herbstuniversität, 6.11.2022, unter: https://www.youtube.com/watch?v=363Y02GhkwM.

[15] Torreblanca, José Ignacio: Asaltar Los Cielos: Podemos o La Política Después de La Crisis, 1. Aufl., Barcelona: Debate, 2015, S. 32.

[16] Rendueles,César/Sola, Jorge: The Rise of Podemos: Promises, Constraints, and Dilemmas, in García Agustín, Óscar/Briziarelli, Marco (Hrsg.): Podemos and the New Political Cycle: Left-Wing Populism and Anti-Establishment Politics, Palgrave Macmillan, S. 26–47.

[17] Comment les prix de l’électricité évoluent-ils en France et en Europe?, unter Hello Watt: https://www.hellowatt.fr/contrat-electricite/prix-europe.

[18] Erklärung des Regierungspräsidenten Pedro Sánchez vor den Medien im Abgeordnetenkongress, 27.4.2023, unter: https://www.lamoncloa.gob.es/presidente/intervenciones/Paginas/2023/prsp27042023.aspx.

[20] Prognosen zum Realwachstum des BIP für 2023 und 2024, OECD, unter: https://www.oecd.org/perspectives-economiques/juin-2023/.

[23] Ripollés, Carme: Montero propone crear una empresa pública de distribución con 1.000 supermercados y 50.000 empleos directos, Europapress, 12.5.2023, unter: https://www.europapress.es/nacional/noticia-montero-propone-crear-empresa-publica-distribucion-1000-supermercados-50000-empleos-directos-20230512150810.html.

[24] Montagnon, Marie: Sans nous, le monde s’arrête: la première grève générale féministe en Espagne, in: Mouvements 96, Nr. 4, 2018, S. 155, doi.org/10.3917/mouv.096.0155.

[26] Míguez Macho, Antonio: La ley de memoria democrática en España: ecos del pasado para un futuro incierto, in: Politika unter: https://www.politika.io/fr/article/ley-memoria-democratica-espana-ecos-del-pasado-para-futuro-incierto.

[27] Gilmartin, Eoghan/Wardle, Tom: The Whitewashing of Franco’s Regime in Spain Must End, in: Jacobin, 27.8.2021, unter: https://jacobin.com/2021/08/whitewashing-general-fransisco-franco-fascism-spain-victims-memory-law.

[28] Field, Bonnie/Hamann, Kerstin: La transition démocratique espagnole: faits et analyse, in: Peres, Hubert/Roux, Christophe (Hrsg.): La démocratie espagnole: institutions et vie politique, 2016, PU Rennes, S. 35.

[29] Béroud, Sophie: Les mobilisations collectives: entre distanciation et débordement de la politique institutionnelle, in: ebd., S. 169–86.

[30] Gomez, Jordi: Jamais, depuis l’intégration de la Catalogne à l’Espagne, l’idée de faire sécession n’a été aussi partagée, Le Monde, 15.6.2018, unter: https://www.lemonde.fr/idees/article/2017/06/15/jamais-depuis-l-integration-de-la-catalogne-a-l-espagne-l-idee-de-faire-secession-n-a-ete-aussi-partagee_5144855_3232.html.

[31] Vgl. Peres, Hubert/Roux, Christophe (Hrsg.): La démocratie espagnole: institutions et vie politique, PU Rennes, 2016.

[32] Chazel, Laura/Dain, Vincent: Left-Wing Populism and Nationalism: A Comparative Analysis of the Patriotic Narratives of Podemos and France Insoumise, in: Journal for the Study of Radicalism 15, Nr. 2, 2021.

[33] Spanish PM admits the «biggest mistake» of his government is the new rape law, in: Euronews, 26.6.2023 unter: https://www.euronews.com/2023/06/26/spanish-pm-admits-the-biggest-mistake-of-his-government-is-the-new-rape-law.

[34] La ONU concluye que la ley del «sí es sí» debió consultarse más para evitar sus «negativas consecuencias», in: Ondacero, 6.6.2023, unter https://www.ondacero.es/noticias/sociedad/onu-afirma-que-ley-debio-consultarse-mas-evitar-sus-negativas-consecuencias_20230606647f529545377c00017a5957.html.

[36] ERC 13,16 Prozent; JuntsxCat (Zusammen für Katalonien, Junts) 11,16 Prozent; Candidatura d’Unitat Popular (Kandidatur der Volkseinheit, CUP) 2,8 Prozent.

[37] CIS, Vorwahlen zur Parlamentswahl 2023, Studie 3411, Juni 2023, unter: https://www.cis.es/cis/opencms/ES/NoticiasNovedades/InfoCIS/2023/Documentacion_3411-PreEG23.html.

[38] Dormagen, Jean-Yves: Fragmenté et polarisé: la structure de l’électorat espagnol à un mois des élections, in: Le Grand Continent, 27.6.2023, unter: https://legrandcontinent.eu/fr/2023/06/27/fragmente-et-polarise-la-structure-de-lelectorat-espagnol-a-un-mois-des-elections/.

[39] Fernández García, Alicia/Petithomme, Mathieu (Hrsg.): Contester En Espagne: Crise Démocratique et Mouvements Sociaux, Éditions Demopolis, Paris, 2015.

[40] Carolina/Errejón, Iñigo/Monedero, Juan Carlos/ Iglesias, Pablo: Domínguez, Ana/Giménez, Luis (Hrsg.): Podemos: sûr que nous pouvons!, Indigène, Montpellier, 2015.

[41] Cervera-Marzal, Manuel: Après Trois Décennies d’hégémonie Néolibérale, Voici Venu Le «moment Populiste»?, in: Mélanges de La Casa de Velázquez, Nr. 50–2, 15.11.2020, https://doi.org/10.4000/mcv.13088.

[42] Martin, Pierre: Crise mondiale et systèmes partisans, Académique, SciencesPo les presses, Paris, 2018, S. 258.

[43] Orriols, Lluís/León, Sandra: Looking for Affective Polarisation in Spain, 1. Aufl., Routledge, 2022.

[44] Siehe zum Beispiel die Debatte zwischen Santiago Abascal, Yolanda Díaz und Pedro Sánchez, Juli 2023, unter: https://www.youtube.com/watch?v=Y6jVnW_ovw0.

[45] Mélenchon, Hadrien Mathoux: La Chute: Comment La France Insoumise s’est Effondrée, Éditions du Rocher, Monaco, 2020.