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Zum fehlenden politischen Mitbestimmungsrecht der Bevölkerung ohne deutschen Pass

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Dilan Baran,

Dilan Baran bei der 30. Konferenz von DIDF Hamburg im April 2022
Dilan Baran bei der 30. Konferenz von DIDF Hamburg im April 2022 Quelle: GAZETEM

Wer darf (nicht) wählen?

Wahlberechtigt bei einer Bundestagswahl ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, spätestens am Wahltag volljährig ist, seit mindestens drei Monaten in Deutschland wohnt und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen ist. Letzteres ist zum Beispiel bei schuldunfähigen Straftätern der Fall, die in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Auch Menschen, denen Betreuer*innen für alle ihre Angelegenheiten zur Seite stehen, waren lange vom Wahlrecht ausgeschlossen – bis das Bundesverfassungsgericht diese Regelung 2019 für verfassungswidrig erklärte. Auch wohnungslose Menschen stoßen bei der Ausübung ihres Wahlrechts auf Hürden, da sie häufig nicht im Wähler*innenverzeichnis eingetragen sind und daher keine Wahlbenachrichtigung erhalten.

Dilan Baran ist Vorstandsmitglied der DIDF-Hamburg. Sie schreibt regelmäßig für die deutsch-türkische, zweiwöchig erscheinende Zeitung Yeni Hayat/Neues Leben, ihre Schwerpunktthemen sind Migration und Frauen. Baran kommt aus Neumünster/Schleswig-Holstein und lebt seit 2014 in Hamburg.

Was heißt das in Zahlen?

Von den 83,1 Millionen Menschen, die in Deutschland leben, sind nach Angaben des Bundeswahlleiters rund 60,4 Millionen wahlberechtigt. Neben 13 Millionen Kindern und Jugendlichen bilden fast 10 Millionen Erwachsene ohne deutschen Pass die größte Gruppe derer, die bei der Bundestagswahl nicht wählen dürfen.

12,6 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, also etwa jede*r achte Volljährige in Deutschland, besitzt laut Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung keine deutsche Staatsangehörigkeit. In der Hauptstadt führt das dazu, dass jede*r dritte Berliner*in nicht wählen darf – und in dieser Rechnung sind die Illegalisierten noch gar nicht mit eingerechnet. Deutschland hat eines der schärfsten Wahlrechtsgesetze weltweit.

Warum nicht einfach einbürgern?

Dauerhaft in Deutschland lebenden Menschen ohne deutschen Pass wird nahegelegt, die deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen und damit alle politischen Rechte zu erlangen. Dabei wird verschwiegen, dass der deutsche Pass nicht ohne weiteres erhältlich ist. So müssen die Betroffenen zunächst mindestens fünf Jahre in Deutschland leben (nach dem neuen Gesetz - Anm.d.Red.), um die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen zu können. Darüber hinaus spielt vor allem die Einkommenssituation der Bewerber*innen eine zentrale Rolle. Wer kein lückenloses Einkommen nachweisen kann, hat schlechte Chancen. Das Wahlrecht hängt also vom Geldbeutel ab.

Daran ändert auch die Novelle des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes der Ampelkoalition nichts, das die Einbürgerung nur selektiv für bestimmte Fachkräfte erleichtern will. Ein Paradebeispiel dafür, wie die Bundesregierung die Einwanderungspolitik an der wirtschaftlichen Verwertbarkeit ausrichtet. Daraus macht sie auch keinen Hehl, wie z.B. bei «Kooperation international», einem Koordinierungsprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) dokumentiert: «Zusätzlich braucht Deutschland aber auch qualifizierte Einwanderung, damit die Unternehmen ihre Fachkräftebasis sichern und erweitern können.» Während diese Fachkräfte in der Regel auf Kosten der Herkunftsländer ausgebildet werden, kann die deutsche Industrie, das Handwerk und der Pflegesektor von qualifizierten Arbeitskräften profitieren, ohne selbst Kosten für deren Ausbildung tragen zu müssen. Dass diese Arbeitskräfte in den Herkunftsländern eine Lücke hinterlassen, wird kaum diskutiert – geschweige denn, warum es in Deutschland nicht genügend Arbeitskräfte für diese Bereiche gibt.

Doch zurück zur Einbürgerung und zum Wahlrecht.

Die deutschen Behörden sind unterbesetzt, der Einbürgerungsprozess dauert daher in der Regel sehr lange.

Die Anwärter*innen warten bereits ein Jahr auf einen Ersttermin. Ein häufiges Problem ist auch, dass die ausländischen Dokumente nicht für die erforderlichen Unterlagen anerkannt werden. Die erleichterte Einbürgerung (für alle!) spielt bei der Forderung nach dem Wahlrecht für alle eine wichtige Rolle, ersetzt es aber nicht, da in Deutschland auch die doppelte Staatsbürgerschaft nicht erlaubt ist (der neue Gesetzesentwurf zur erleichterten Einbürgerung sieht zwar auch die doppelte Staatsbürgerschaft vor, erspart aber nicht die langen Wartezeiten und hängt weiterhin vom Geldbeutel ab). Daraus ergeben sich weitere Probleme. Zum Beispiel:

DIDF ist die «Föderation demokratischer Arbeitervereine e.V.» und wurde 1980 als Dachverband von türkischen und kurdischen Arbeiter*innen gegründet. Der Dachverband ist eine Migrant*innenselbstorganisation, die überparteiliche, demokratische und unabhängige Arbeit betreibt und sich aktiv gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, sowie gegen Arbeitslosigkeit und Sozialabbau einsetzt.

Um aus der türkischen Staatsbürgerschaft entlassen zu werden, müssen Männer den Wehrdienst ableisten und 10.000 Euro zahlen. Hier geht es um Leib und Geld. Wer seine russische Staatsbürgerschaft aufgibt, braucht danach ein Visum zur Einreise und kann dann Freund*innen und Familie nur noch erschwert besuchen. Eine Hürde. Hinzu kommt: Einbürgerungen werden mit Ausnahme der 1990er Jahre gegenüber Zuwander*innen aus der ehemaligen Sowjetunion («Spätaussiedler*innen», «Russlanddeutsche» und andere) eher restriktiv gehandhabt. Die Einbürgerungsquote liegt seit Jahren kaum über zwei Prozent.

Mit dem Wahlrecht, weniger Rassismus?

Gleichzeitig sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Migrant*innen werden nicht im überdurchschnittlichen Maße anders wählen. Auch ihr Wahlverhalten wird von denen beeinflusst, die die Produktionsmittel der öffentlichen Meinung in den Händen halten.

Die Frage von Repräsentation und Mitbestimmung und damit auch die Frage, wer ausgegrenzt und entrechtet wird, ist zudem nicht nur eine Frage des Wahlrechts, weder auf kommunaler noch auf Bundesebene. In unserer Demokratie fehlt es im Prinzip überall an Mitbestimmung: Mieter*innen haben keine Mitbestimmung über die Häuser und Nachbarschaften, in denen sie leben, Schüler*innen und weitgehend auch Lehrer*innen haben keine Mitbestimmung in ihren Schulen, Lohnarbeiter*innen haben keine Mitbestimmungsrechte in betrieblichen Angelegenheiten, denn nicht zuletzt ist die Frage der Mitbestimmung ganz grundsätzlich auch eine Frage danach, wer über die gesellschaftlich erarbeiteten Güter und Vermögen verfügt und entscheidet. Vor diesem Hintergrund ist das Parlament nur begrenzt in der Lage, Mitbestimmung für die Besitzlosen, also die Lohnabhängigen, die Mieter*innen zu ermöglichen. Damit einhergehend ist die Repräsentationsfähigkeit der Parlamente nicht so sehr eine Frage, wer in das Parlament gewählt wird, sondern welche Interessen über das Parlament durchgesetzt werden.

Letztlich ist das Parlament der bürgerlichen Demokratie die Instanz, die die kapitalistische Ordnung am Laufen halten und nicht revolutionieren soll.

Die Entrechtung von Einwander*innen ist ein wichtiges Instrument kapitalistischer Ausbeutung und Herrschaft. In dieser Funktionsweise wird und muss es immer Ausgegrenzte, Unterdrückte, Diskriminierte geben. Das heißt aber nicht, dass es sinnlos ist, für das Wahlrecht von Ausländer*innen zu kämpfen.

Denn allein der Kampf für das Wahlrecht, im besten Fall Millionen von Menschen ohne Staatsbürgerschaft, die ihre politische Rechtlosigkeit als schreiendes Unrecht empfinden und sich erheben, ihre Organisierung, leistet einen wichtigen emanzipatorischen Beitrag für die gesamte Arbeiterklasse.

Der Kampf um das Wahlrecht für alle wird eine Barriere beseitigen, die es erschwert, eine starke Arbeiterbewegung zu bilden.

Im Zuge der Gastarbeitergeschichte sprechen viele davon, dass die Proteste und Arbeitskämpfe der 70er Jahre der Zeitraum waren, in dem die Gastarbeiter*innen aufhörten, Gastarbeiter*innen zu sein und zu mündigen Mitmenschen, Kolleg*innen und Bürger*innen wurden. In der Folge dieser Jahre wurde das erste Mitbestimmungsrecht für Migrant*innen durch das Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen erlassen. Seitdem dürfen Beschäftigte auch ohne deutschen Pass an Betriebsratswahlen teilnehmen und sich wählen lassen. Dadurch sind sie stärker in gewerkschaftliche Kämpfe eingebunden, was sich in einer langen Geschichte wichtiger Streiks mit Errungenschaften wie der 35-Stunden-Woche oder dem arbeitsfreien Samstag materialisiert hat. An den größten Errungenschaften der Arbeiterbewegung der letzten 60 Jahre hatten die ausländischen Arbeiter*innen nicht nur einen wesentlichen Anteil, sie kämpften Seite an Seite mit ihren deutschen Kolleg*innen. Bis heute sind die Gewerkschaften zahlenmäßig die größten Migrantenorganisationen in Deutschland.

Das Wahlrecht als Ergebnis revolutionärer Kämpfe

In Deutschland war es ein weiter Weg, bis das Wahlrecht in seiner jetzigen Form durchgesetzt wurde. 

«Ehemals, in den schönen Zeiten des vormärzlichen Absolutismus, hieß es gewöhnlich von dem ganzen arbeitenden Volke, es sei ‹noch nicht reif› zur Ausübung politischer Rechte […] Aber gleichwohl: das arbeitende Volk hat jedes Mal seine Reife zur politischen Freiheit durch eine siegreiche revolutionäre Massenerhebung erweisen müssen.»

Rosa Luxemburg im Mai 1912 beim II. Sozialdemokratischen Frauentag zum Frauenwahlrecht

Rosa Luxemburg sollte Recht behalten. Die stückweise Fortentwicklung des Wahlrechts war immer Ergebnis von Massenerhebungen und revolutionären Kämpfen.

Die ersten Volksvertretungen, wurden insbesondere in der Phase der französischen Revolutionen von 1830 und 1848 eingeführt, die großen Einfluss auf Deutschland hatten. Die Märzrevolution von 1848 brachte den ersten Gesetzentwurf für allgemeine und gleiche Wahlen. Die Gegenrevolution um den König stellte jedoch das Dreiklassenwahlrecht wieder her, bis es 1918 mit der Novemberrevolution endgültig abgeschafft wurde. Mit der Novemberrevolution 1918 endete auch der Kampf um das Frauenwahlrecht erfolgreich. Am 19. Januar 1919 konnten Frauen in Deutschland zum ersten Mal wählen und gewählt werden. Am 18. Juni 1970, nach den turbulenten Zeiten der 68er Studierendenbewegung gegen Krieg und Notstandsgesetze, beschloss der Bundestag eine Grundgesetzänderung zur Herabsetzung des Wahlalters auf 18 Jahre. Und auch die gewerkschaftliche Mitbestimmung bzw. das aktive und passive Wahlrecht zu Betriebsräten wurde für nichtdeutsche Staatsbürger*innen erst eingeführt, als sie sich bereits in vielen Kämpfen als widerständige Gruppe erwiesen hatten und für die Durchsetzungsfähigkeit der Gewerkschaften immer wichtiger wurden.

Vor diesem Hintergrund wäre die Einführung des Wahlrechts an sich ohne die Erhebung der vielen Ausgegrenzten zumindest unwahrscheinlich. Gerade deshalb ist es ein wichtiges emanzipatorisches Moment.

Den Kämpfen um mehr Rechte und Mitbestimmung gingen immer tiefgreifende Veränderungen der wirtschaftlichen und demografischen Grundlagen der Gesellschaft voraus. Sie gerieten in Widerspruch zur bestehenden Ordnung.

Mit dem Fortschreiten der industriellen Revolution und dem enormen Bevölkerungswachstum entstand eine neue Bevölkerungsschicht, das Proletariat (die lohnabhängige Arbeiterklasse). Die proletarische Frauenbewegung und ihre Forderung nach dem Frauenwahlrecht reifte heran, als auch immer mehr Frauen in der Produktion gebraucht wurden und zunehmend aus dem privaten häuslichen Dasein in die Lohnarbeit und damit in die öffentliche Arbeitswelt drängten. Vom Jahr des Anwerbeabkommens für Gastarbeiter*innen mit der Türkei 1961 bis zum Jahr des Anwerbestopps 1970 stieg die Zahl der Ausländer*innen von 686.000 auf gut 2,7 Millionen. Auch durch das Rückkehrhilfegesetz von 1983 ging die Zahl der Ausländer*innen nicht signifikant zurück. Selbst in der Zeit der propagierten Grenzschließung fand mit der Verschärfung des Asylrechts 1992 die bisher größte Einwanderungsbewegung der Nachkriegsgeschichte statt. Heute hat fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung einen Migrationshintergrund (Mediendienst Integration).

Was fordert die DIDF?

Das «Wahlrecht für alle» ist ein zentrales Anliegen der DIDF seit ihrer Gründung im Jahr 1980. Damals schlossen sich mehrere in den 70er Jahren gegründete Gastarbeitervereine aus der Türkei zu einem Dachverband zusammen. Eine wichtige und prägende Zeit, damals wie heute. Zum einen wurde im Zuge dieser Jahre das erste Mitbestimmungsrecht für Migrant*innen durch das Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen erlassen. Seitdem dürfen Beschäftigte auch ohne deutschen Pass an Betriebsratswahlen teilnehmen und sich wählen lassen. Die Zeit der sogenannten wilden Streiks ist außerdem wichtig für eine neue Wahrnehmung und ein wachsendes Selbstbewusstsein der Gastarbeiter*innen. Mit diesem gestärkten Selbstbewusstsein kommen auch andere Forderungen auf. Aufenthaltsfragen werden relevanter, bessere Lebensbedingungen, insbesondere die Wohnungsfrage wird aufgeworfen, aber auch mehr Mitbestimmung, über die Wahl von Betriebsräten hinaus, wird gefordert. Auf dem Gründungskongress der DIDF wurde zunächst das kommunale Wahlrecht formuliert.

Mit der Zeit reifte die Forderung nach einem Wahlrecht auf Landes-, aber auch auf Bundesebene. Heute gilt die Forderung nach einer erleichterten Einbürgerung. Zum einen, weil sie die volle Gleichheit vor dem Gesetz bedeutet und noch mehr Rechte als das Wahlrecht umfasst. Zum anderen, weil die Nichteinbürgerung eine Trennung in eine deutsche und eine zugewanderte Bevölkerung aufrechterhält und verfestigt, die nicht mehr der gesellschaftlichen Entwicklung entspricht und überholt ist.

Fast 14 Prozent der Bevölkerung, mehr als zehn Millionen Menschen, gehören nach dem Staatsangehörigkeitsrecht nicht zu Deutschland. Sie leben zum Teil seit 10, 20 oder mehr als 30 Jahren im Land.

Doch die Forderung nach dem Wahlrecht bleibt. Es geht darum, dieses Recht an den Lebensmittelpunkt, den Hauptwohnsitz, zu knüpfen und von der Staatsbürgerschaft zu entkoppeln. Damit würden hier lebende Menschen, die aus verschiedenen Gründen nicht eingebürgert werden können, das Wahlrecht für den Ort erhalten, an dem sie leben und von der Politik unmittelbar betroffen sind. Das bedeutet aber auch, dass im Ausland lebende Deutsche nicht mehr in Deutschland wählen dürften.

Zur politischen Durchsetzbarkeit und Bündnismöglichkeiten

Für das Wahlrecht der Arbeiter*innen brauchte es Revolutionen. Zunächst noch unter Ausschluss der Frauen, heute unter Ausschluss der Nichtdeutschen. Für das Frauenwahlrecht brauchte es eine Revolution, zunächst noch unter Ausschluss von People of Color und anderen rassistisch Diskriminierten. Die Ausgeschlossenen mussten sich immer wieder in Form von Massenaufständen beweisen und ihr Recht einfordern. An dieser «Arbeit» führt offensichtlich kein Weg vorbei. Dass es bei der Entrechtung von Migrant*innen um mehr geht als um die Stimmabgabe bei der Bundestagswahl, zeigt ein Blick auf die deutsche Arbeitsteilung, in der deutlich wird, dass sich Menschen ohne deutschen Pass insbesondere in den prekären Arbeitsfeldern sozialisieren und nicht gleichmäßig über das gesamte Spektrum der Arbeitsteilung verteilen. Zudem sind weite Teile der neuen prekären Arbeitsverhältnisse, die vor allem von Migrant*innen besetzt werden, nicht gewerkschaftlich organisiert. Die Forderung nach dem Wahlrecht darf daher nicht isoliert angegangen werden, sondern muss Teil einer umfassenden Bewegung gegen Ausbeutung und Diskriminierung und für gesunde Lebensbedingungen sein, die rechtliche, politische, ökonomische und soziale Kämpfe zusammenführt. Wahlrechtsinitiativen müssen sich mit der Arbeiter*innenbewegung, mit laufenden und noch zu organisierenden Arbeitskämpfen verbinden.

Der Kampf um das Wahlrecht muss also weitergehen: gewerkschaftliche Organisierung, mehrsprachige Aufklärung über Rechte, Arbeitsschutz, höhere Löhne, Wohnungsfragen usw. Auch die proletarische Frauenbewegung ergänzte und erweiterte den Kampf um das Wahlrecht um den Arbeiterinnenschutz als Mittel zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiterinnen.

Darüber hinaus gilt es, sich mit anderen Gruppen zusammenzuschließen, die kein Wahlrecht haben oder denen die Ausübung des Wahlrechts durch besondere Hürden erschwert wird. Dies ist zum einen die Gruppe der 14- bis 18-Jährigen. Sie haben in den letzten Jahren mit weltweiten Massenprotesten und großen Konferenzen für den Umweltschutz und gegen den Klimawandel immer wieder bewiesen, dass sie mündig und politisch reif sind. Auch mit Menschen im Gefängnis, zumindest bis zu einer gewissen zeitlichen Freiheitsstrafe. Wenn das Strafgericht entscheidet, dass jemand nach einigen Monaten wieder gesellschaftsfähig ist, dann muss er auch an Wahlen teilnehmen dürfen. Auch wohnungslose Menschen sind besonderen Hürden ausgesetzt. All diese Kämpfe müssen miteinander verbunden werden.