Als Kay-Michael Dankl mit seinem Fahrrad im Salzburger Volksheim ankommt, wird er jubelnd empfangen. Einige Hundert Freund*innen und Genoss*innen sind am Abend des 10. März in das Volksheim gekommen, um den Wahlabend zu begehen.
Der KPÖ Plus gelang an diesem Abend bereits die zweite Sensation nach der Landtagswahl im vorigen Jahr. Sie wurde bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl zur zweitstärksten Kraft, konnte ihr Ergebnis von 2019 versechsfachen und landete bei 23,1 Prozent. Die Partei erlangt damit zehn Mandate im Gemeinderat, zuvor war es nur eines. Ihr Kandidat für das Bürgermeisteramt, Kay-Michael Dankl, erzielte gar 28 Prozent und zog in die Stichwahl ein, wo er gegen den Kandidaten der SPÖ antreten wird.
Ines Schwerdtner ist Referentin des Vorstands der Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Das Ergebnis zeigt, dass die KPÖ Plus innerhalb weniger Jahre zu einer politischen Kraft geworden ist, die die etablierten Parteien unter Druck setzt und auch Wähler*innen mobilisiert, die sich bereits von der Politik verabschiedet hatten. Damit gelang ihr erneut, was zuvor bereits in Graz überregionale Aufmerksamkeit erregte: die Rückgewinnung politischen Vertrauens durch einen glaubwürdigen und pragmatischen Ansatz.
Der politische Erfolg ist dabei nicht allein auf das Charisma des Spitzenkandidaten zurückzuführen, wie das gute Ergebnis der Partei belegt. Bemerkenswert an den Ergebnissen ist außerdem, dass es der KPÖ Plus gelang, in klassischen Arbeiter*innen-Bezirken besonders stark zuzulegen. Sie hat es geschafft, vor allem Nichtwähler*innen und auch Wähler*innen der rechtsradikalen FPÖ (zurück) zu gewinnen. Eine starke linke Kraft erweist sich so als wirksamstes Mittel gegen den Aufstieg der Rechten – und dass, ohne deren Narrativen hinterherzulaufen. Stattdessen gelang es der Partei, mit Wohnen und Mieten selbst ein Wahlkampfthema zu setzen, dem sich auch die anderen Parteien nicht entziehen konnten.
Glaubwürdiger Politikstil
Der Erfolg der Kommunistischen Partei ist allerdings keine Überraschung; schon seit längerem besuchen viele, auch deutsche Linke Graz und Salzburg, um sich das «KPÖ-Modell» genauer anzusehen. Es handelt sich fast schon um einen «Kommunismus-Tourismus».
Das Erfolgsrezept, so lässt sich schnell erfahren, ist eine Kombination aus drei Faktoren: tägliche Basisarbeit, ein grundsätzlich anderer Politikstil als die übrigen Parteien und glaubwürdige Vertreter*innen dieser Politik. Wie in Graz beschränken die Mandatsträger*innen der Partei ihre Politikergehälter auf das Niveau eines Facharbeiterlohns (2.300 Euro), der Rest geht in einen Sozialfonds, mit dem Menschen konkret geholfen wird. Meist braucht es dabei aber nicht nur finanzielle Hilfe: In die Sozialsprechstunden der Partei kommen Menschen mit ihren Sorgen rund um Wohnen, Behörden und Alltag. Auch die Grazer Bürgermeisterin, Elke Kahr, öffnet ihre Türen zwei Mal in der Woche für diese Sprechstunden. Dabei zeigt sich: Es macht einen grundlegenden Unterschied, für die Menschen ansprechbar zu sein.
Die Partei entwickelt durch die Sprechstunden auch eine Expertise, die sie im Parlament einsetzen kann, beispielsweise wenn sie beim Thema Wohnen die Interessen und die Perspektive der Mieter*innen in den Mittelpunkt stellt. Ihre Politik gewinnt auf diese Weise ihr Material direkt aus dem wirklichen Leben, anstatt aus dem politischen Zirkus. Und dabei lässt sich die KPÖ in Graz wie in Salzburg nicht irritieren: Sie bleibt auch dann konsequent bei ihren Themen und Forderungen, wenn der medial vermittelte Diskurs sich auf andere Themen fokussiert.
Dazu kommen glaubwürdige Repräsentant*innen der eigenen Politik. Kay-Michael Dankl etwa setzt sich seit Jahren für sozialen Wohnungsbau ein und hat dadurch Vertrauen aufbauen können. Auf seinen Wahlplakaten heißt es deshalb: «Einer, der sich ums Wohnen kümmert». Zusammen mit seinem Team macht er außerdem nicht nur ein paar Wochen Wahlkampf, sondern ist auch zwischen den Wahlen regelmäßig insbesondere in jenen Bezirken präsent, wo die Armutsquote und der Anteil an Nichtwähler*innen besonders hoch sind.
Die Partei wirkt damit nicht nur glaubwürdig und nahbar, sie präsentiert sich auch freundlich und den Menschen zugewandt. Die vielen Fotos von Aktionen der letzten Wochen zeugen davon. An sogenannten Aktionswochenenden konnte das Salzburger Team auch Freiwillige aus dem ganzen Land für den Wahlkampf mobilisieren. Ältere, zuvor inaktive Genoss*innen schließen sich an, viele Jüngere kommen über die Junge Linke hinzu.
Der Faktor Jugend
Die Junge Linke ist in der Tat ein entscheidender Faktor: Denn ihr Wachstum und Erfolg basiert auf dem Rauswurf der Jungen Grünen aus der Grünen Partei vor über fünf Jahren. Danach fanden diese jungen, gut ausgebildeten Grünen ihren Weg in die Eigenständigkeit und schließlich ihre Anbindung an die KPÖ. Was in mancher Berichterstattung als «Frischzellenkur» durch die ehemaligen Jungen Grünen beschrieben wird, ist in Wirklichkeit ein Annäherungsprozess an das Grazer Modell – die ehemaligen Grünen sind der Kommunistischen Partei beigetreten, nicht anders herum. Ihr Beitritt ist Teil eines Transformationsprozesses der gesamten KPÖ, dem der Erfolg des steirischen Modells nach Ernst Kaltenegger und schließlich Elke Kahr vorangegangen war.
Wer den Prozess als einen Erfolg des Bewegungsmodells oder des Organizing-Ansatzes zu deuten versucht, übersieht, dass das Erfolgsmodell eher in der Besinnung aufs Wesentliche liegt, denn in einer bloßen Verjüngung. Ebenfalls zu kurz greift es, den Ansatz als «Servicepolitik» zu bezeichnen. Die Nähe zu den Menschen und die Sprechstunden sind nicht bloß Mittel zum Zweck, sondern folgen auch der Überzeugung, dass es sich um eine Partei handelt, die mit dem Alltag der Menschen verbunden ist, um diesen verbessern zu können. Kurz: Die Genoss*innen teilen ein Politikmodell, das sich in einer gemeinsamen Praxis ausdrückt.
Im frisch renovierten Volksheim wird das Ganze praktisch: Hier wird zusammen gekocht, es gibt einen Spieleabend für Mädchen, marxistische Lesekreise und Parteiversammlungen. Der Wahlkampf ist professionell, soll aber jenen, die ihn führen, auch Spaß machen. Und es gibt für jeden und jede einen Platz – ob am Infostand, beim Verteilen von Infoflyern oder Kleben von Wahlplakaten, bei der Versorgung der anderen Freiwilligen. Die politische Arbeit ist praktisch, sie verzettelt sich nicht in kleinteiligen Diskussionen. So konnte die Salzburger KPÖ innerhalb weniger Jahre das schaffen, was die Grazer Parteiorganisation zuvor in mehr als dreißig Jahren kommunalpolitisch aufgebaut hatte.
Lehrreich, aber nicht übertragbar
Am Salzburger Beispiel zeigt sich, dass in einer mittelgroßen Stadt ungefähr ein gutes Dutzend gut ausgebildeter Menschen erforderlich ist, um innerhalb weniger Jahre eine funktionierende und integrierende Parteiorganisation aufzubauen. Dass derzeit ähnliches in Innsbruck versucht wird, zeigt, dass die KPÖ noch einiges vorhat – ein hoffnungsvolles Signal an die deutschsprachige und europäische Linke, die derzeit von Spaltungen und Niederlagen gezeichnet ist.
Zugleich ist das Modell bisher auf die Kommunalpolitik beschränkt und muss sich bei den anstehenden Nationalratswahlen im Herbst erst noch beweisen. Auf der landes- und bundespolitischen Ebene warten dann Widersprüche, von der die KPÖ bisher verschont blieb, die aber etwa die deutsche Linke durch diverse Regierungsbeteiligungen bereits durchlebt hat. Auch die großen Fragen der Außen- und Friedenspolitik hat die junge Salzburger KPÖ Plus im Kommunalwahlkampf nahezu unbeschadet überstanden; ob das auch im Nationalratswahlkampf so bleiben wird, muss sich erst noch erweisen.
Den österreichischen Besonderheiten zum Trotz ist der Ansatz der KPÖ durchaus vielversprechend, weil er nicht an einzelnen Persönlichkeiten hängt, sondern eine Frage des systematischen und langfristigen gesellschaftlichen Machtaufbaus jenseits von Diskurslogiken und «Triggerpunkten» (Mau/Lux/Westheuser) betrifft. Mit dem Parteiaufbau kommt ein neuer politischer Stil zum Tragen, der offenbar auch kurzfristig erfolgreich sein kann. Und dieser Politikstil ist grundsätzlich nicht auf das Salzburger Land beschränkt, sondern hält auch für die deutsche Linke manche Lektion bereit, von der zu lernen sich lohnt.