Am 14. Juli begann die sechste große Verhandlungsrunde zur „Transatlantic Trade and Investment Partnership“, kurz: TTIP. Seit 2013 verhandeln die EU-Kommission und die US-Administration über das Freihandels- und Investitionsabkommen, während weltweit der Protest gegen TTIP wächst. Dies nahm die Rosa-Luxemburg-Stiftung Büro Brüssel zum Anlass, mit einer Reihe von Informationsveranstaltungen und Netzwerktreffen die Debatten um das Freihandelsabkommen kritisch zu begleiten. Den Startschuss bildete eine öffentliche Veranstaltungsreihe in Birmingham, Manchester und London mit den Autoren der Studien „Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP). Freibrief für Deregulierung, Angriff auf Arbeitsplätze, Ende der Demokratie“ des War on Wants-Geschäftsführer John Hilary und „Freihandel – Projekt der Mächtigen“ von der taz-Autorin Ulrike Herrmann, sowie Melinda St Louis von der US Verbraucherorganisation Public Citizens.
Nachdem John Hilary auf die Gefahren von TTIP für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, für Umwelt, Demokratie und Rechtsstaat hinwies, erläuterte Ulrike Herrmann die strategischen Ziele der europäischen und US-amerikanischen Verhandlungsführer und ihren Einflüsteren aus Multinationalen Konzernen, die mit TTIP ein „living agreement“ schaffen wollen, um damit Leitlinien für die Welthandels- und Wirtschaftsordung der Zukunft zu ziehen – Chlorhühnchen hin oder her. Die Handelsexpertin Melinda St Louis aus Washington erläuterte, wie vor zwanzig Jahren das Nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) mit den selben Argumenten vorangetrieben wurde, mit denen heute TTIP schmackhaft gemacht werden soll - aber statt Jobs und Wohlstand NAFTA nur Prekarisierung, Umweltzerstörung und milliardenschwere Investorenschutzverfahren (ISDS) nach sich zog. Bezeichnend für die verheerenden Folgen von NAFTA für Kanada, die USA und Mexiko ist, dass EU und USA zunächst für das Handelsabkommen das Akronym TAFTA verwendeten, das Projekt aber schnell in TTIP umgetauft wurde – weil in den USA alles was sich auf NAFTA reimt blankes Entsetzen auslöst.
Zeitgleich mit dem Beginn der offiziellen Verhandlungsrunde in Brüssel veranstaltete die Rosa-Luxemburg-Stiftung Büro Brüssel am 14. Juli 2014 ein internationales Strategietreffen linker Parlamentarierinnen und Parlamentarier mit Vertreterinnen und Vertretern aus der Zivilgesellschaft. Gemeinsam forderten sie den Stopp der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen, mit dem sich die Politik selbst entmachten und weitgehend überflüssig machen würde. Helmut Scholz von der GUE/NGL Fraktion im Europäischen Parlament und Mitglied im Handelsausschuss berichtete vom Stand der Verhandlungen und warnte vor den weitreichenden Konsequenzen für die Menschen in Europa und den Vereinigten Staaten. Sharon Treat, Mitglied des Repräsentantenhauses von Maine wies darauf hin, dass in den ihrem Heimatstaat vor allem kleine und mittelständische Landwirte von TTIP betroffen wären, da so genannte „buy american“-Klauseln zum Schutz von lokaler Produktion und Dienstleistung durch das Abkommen gefährdet seien. Klaus Ernst, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linksfraktion im Bundestag warnte davor, die Ablehnung von TTIP mit dem NSA-Spionageskandal zu verknüpfen. So würde man Gefahr laufen, dass die wirkliche Bedrohung durch TTIP – ein Staatsstreich in Zeitlupe, wie Lori Walach von Public Citizens das Abkommen nannte - in den Hintergrund rücke. José Manuel Mariscal, Senator im spanischen Parlament, berichtete von der Forderung der spanischen Linken (Izquierda Unida), eine Volksabstimmung über TTIP abzuhalten - eine Forderung die sowohl von den konservativen als auch von den sozialdemokratischen Parteien Spaniens abgelehnt wird.
Auf dem anschließenden Vernetzungstreffen der europäischen ANTI-TTIP Bewegung diskutierten 130 Vertreterinnen und Vertreter aus NGOs, Gewerkschaften und Parteien zwei Tage lange über zukünftige Arbeit des Bündnisses. In Arbeitsgruppen wurden Kernbereiche von TTIP, wie Investorenschutzklauseln, regulatorische Kohärenz und Kooperation, Umwelt und Verbraucherschutz sowie Arbeitnehmerrechte, erläutert und anschließend in Strategieworkshops das weitere Vorgehen – Aktionstage, Arbeit mit Gewerkschaften und Parteien und Bewegungen – diskutiert. Los gehen soll es im Herbst mit einem Europaweiten Aktionstag – und auch die RLS wird hier sicherlich dabei sein – um in Europa und der Welt auf die Gefahren dieses undemokratischen Projekts der multinationalen Konzerne hinzuweisen.