Organisiert wird die von der RLS unterstützte Konferenz «Der ukrainische Krieg und die Politik der Linken» vom Magazin Commons: Journal of Social Criticism (Спільне) http://commons.com.ua und vom Center for Social and Labour Research (Центр соціально-трудових досліджень) in Kyiv www.gaslo.info.
Weit über 2.000 Menschenleben kostete der Krieg bisher, und die Anzahl der zivilen Opfer darunter nimmt fast täglich zu. Infolge der Kriegshandlungen sind Industrieobjekte und Infrastruktur zerstört worden. Tausende Menschen haben ihre Arbeitsplätze verloren. Viele mussten flüchten. Die paradoxe Politik der neuen Regierung zielt auf eine weitere Liberalisierung des Marktes und die Deregulierung der Wirtschaft und führt zum Abbau sozialer Sicherheiten. Die Versuche der unabhängigen Gewerkschaften, Notfallmaßnahmen zur Wiederherstellung des sozialen Gleichgewichts zu initiieren, werden von der Regierung permanent ignoriert oder sogar verärgert zurückgewiesen. Die Aggression und Gewalt der rechtsradikalen und nazistischen Gruppierungen werden in der Gesellschaft zunehmend toleriert.
Die soziale Katastrophe wird durch nationalistische Hysterie verschärft. Die Bevölkerung der Ostukraine, die am stärksten von der «Antiterroristischen Operation» betroffen ist, wird immer mehr ausgeschlossen. Ihre sozialen und bürgerlichen Rechte werden von den Machthabenden, radikalen Nationalisten und vielen «Liberalen» stark eingeschränkt. Die Klassenkonflikte ersetzt man bewusst durch «kulturelle», «historische» und «mentale» Differenzen. Dies führt zur Ethnisierung einiger Teile des Landes und zur Vertiefung der inneren Spaltung der Ukraine.
Der Donbasskrieg ist nicht die einzige bewaffnete Auseinandersetzung im postsozialistischen Raum, hervorgerufen durch den Kampf der Nationalismen und Imperialismen der Global Players. Was ist das Besondere am ukrainischen Krieg im Vergleich zu den Konflikten in Transnistrien, Jugoslawien, Abchasien, Tschetschenien, Ossetien? Was haben sie gemeinsam? Wie war die linke Politik in diesen Ländern und wie soll sie in der Ukraine werden?
Zusammen mit linken AktivistInnen und Intellektuellen aus der Ukraine, Russland, Ex-Jugoslawien, Moldova/Transnistrien und Georgien werden wir folgende Themen besprechen:
- Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der «lokalen Konflikte» im postsozialistischen Osteuropa: Ursachen, Folgen, Kämpfe der Nationalismen, äußere Einflüsse etc.;
- Soziale und politische Veränderungen und neoliberale Reformen unter Abdeckung des Krieges;
- Gefahr der Stärkung der Rechtsradikalen und Minderung der Demokratie während des Krieges;
- Linke Positionen und Politik während des Krieges, Perspektiven einer großen Antikriegsbewegung.
Die Konferenz wird von der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterstützt.
Linke haben in den letzten Wochen ihre grundlegenden Positionen zum Krieg in der Ukraine geäußert, wie die folgenden Erklärungen zeigen:
- Aktuelle Losungen: Schutz von Menschenleben, Denazifizierung, Generalstreik – Erklärung des Kollektivs der Linken Opposition (15. Juni 2014)
Allem voran ist Zivilbevölkerung vor Kriegshandlungen zu schützen. Als nächstes müssen Neonazis von der Teilnahme an Kämpfen ausgeschlossen werden, und zwar auf beiden Seiten, denn sie sind die größten Schürer des Krieges. Die Ursachen der Konfrontation lassen sich durch die Überwindung der sozialen Krise bewältigen, die durch die Allmacht der Oligarchen herbeigeführt wurde.
Man kann unterschiedlicher Meinung über die Ereignisse um den Maidan sowie über die Evolution dieser Massenbewegung sein. Auch lässt sich das demokratische Recht der Menschen auf Selbstbestimmung und Autonomie unterschiedlich interpretieren. Aber man kann nicht umhin, zu verurteilen, dass es zu Opfern unter der zivilen Bevölkerung kommt. Auch kann man nicht übersehen, dass der Einsatz schwerer Waffen in den dicht bevölkerten Regionen der Gebiete Donezk und Luhansk jede Nacht neue Opfer bringt. Den Einsatz von Artillerie und Mörsern geben alle Seiten des Konflikts zu. Für diejenigen, die dabei getötet werden, spielt es keine Rolle, ob ein Wohnhaus mit oder ohne Absicht getroffen wurde und wer von Konfliktteilnehmern häufiger auf Wohnviertel feuert.
1) Bevor man mit der Lösung jeglicher politischer Fragen hinsichtlich der künftigen Staatsordnung und der Verfassung der Ukraine beginnt, muss das Feuer eingestellt werden. Wir fordern die unverzügliche Einstellung von Feuer sowie den Abzug schwerer Waffen von Ortschaften. Verhandlungen über eine Waffenruhe, über die Freilassung von Geiseln (als Geiseln wird heute die Bevölkerung ganzer Städte gehalten) sowie über die Einrichtung humanitärer Korridore sind unmittelbar mit Feldkommandanten zu führen. Diese Verhandlungen können selbst mit den schlimmsten Terroristen geführt werden, sogar mit solchen wie Strelkow, Abwer oder Bes, falls sie tatsächlich die Einstellung von Feuer bewirken können. Dabei sind wir kategorisch dagegen, dass jegliche Diskussionen über politische Fragen mit Terroristen stattfinden. Die künftige Staatsordnung und die Herausbildung neuer repräsentativer Machtorgane darf nur mit Vertretern der lokalen Gemeinden erörtert werden, jedoch nicht mit zugereisten Kämpfern.
2) Eine Deeskalation des Konflikts ist nur unter der Bedingung möglich, dass die Lieferungen von Waffen gestoppt werden, die in großen Mengen in die Hände der niemandem untergeordneten, halbautonomen Trupps gelangen. Eine weitere Voraussetzung ist die Verhinderung des Zuflusses neuer Söldner aus anderen Ländern und Regionen, die sich diesen Trupps anschließen. Diese Söldner missachten die Interessen der einheimischen Bevölkerung und sind eher an der Fortführung des Kriegs bis zum „siegreichen Ende“ interessiert, als an der Suche nach einem Kompromiss und an einer friedlichen Lösung des Konflikts. Folglich fordern wir die Regierungen der Russischen Föderation und der Ukraine auf, eine sichere Bewachung der Staatsgrenze zu gewährleisten und das Einschmuggeln von Waffen sowie die Einschleusung beliebiger bewaffneter Personen auf das Territorium der Gebiete Luhansk und Donezk zu verunmöglichen.
Zugleich gilt es, dem Kartenspiel mit der Ukraine in der Konfrontation zwischen den USA, der EU und der Russischen Föderation im Kampf um die Umverteilung der Einflusszone auf dem Kontinent Einhalt zu gebieten, zu dessen Opfern auch friedliche Einwohner der Ukraine werden. Neben der Verurteilung des Handelns Russlands fordern wir daher auch, dass jegliche Beteiligung am Konflikt bzw. das Schüren des Konflikts seitens der westlichen Staaten beendet wird.
Dafür zu sorgen, dass die Lieferungen moderner Waffen sowie das Eindringen ausländischer Söldner in die betroffene Region gestoppt werden, fällt dabei in erster Linie in die Verantwortung der Russischen Föderation. Zugleich steht die ukrainische Regierung in der Verantwortung, zu verhindern, dass halbguerillamäßige „Freiwilligenbataillone“ mit unklarem Status und ungeklärten Befugnissen in das Gebiet des Anti-Terror-Einsatzes gelangen. Die Freiwilligenbataillone „Ukrajina“, „Asow“ und andere greifen nicht selten zu provokativen Aktionen und tragen dadurch lediglich zur Konsolidierung der Bevölkerung um die Terroristen, die von Einheimischen paradoxerweise beinahe für ihre Beschützer gehalten werden. Diese Bataillone sind genauso wie russische Söldner politisch motiviert zur Fortführung des Krieges.
3) Der Hauptfaktor, der die politische Beilegung der Krise erschwert und das Vertrauen zu den staatlichen Institutionen in den Gebieten Luhansk und Donezk untergräbt, ist die Präsenz rechtsextremer Nationalisten und oft auch offener Neonazis auf beiden Seiten des Konflikts. In der Leitung des Anti-Terror-Einsatzes und insbesondere in der Führung und unter den Angehörigen der ukrainischen „Freiwilligenbataillone“ gibt es Mitglieder der ultranationalistischen und xenophoben Parteien „Swoboda“ (Bataillon „Sitsch“) und „Rechter Sektor“. Oft vertreten diese Menschen offen nazistische Ansichten (wie bekannt, verbündete sich die „Radikale Partei von Oleh Ljaschko“ mit der berüchtigten „Sozial-nationalen Versammlung“). Wir fordern das Parlament, den Präsidenten und die Regierung der Ukraine auf, Mitglieder der radikalen nationalistischen Organisationen von der Teilnahme am Anti-Terror-Einsatz auszuschließen, die entsprechenden Einheiten aus dem Gebiet des Anti-Terror-Einsatzes abzuziehen, zu entwaffnen und aufzulösen sowie Neonazis aus den Streitkräften der Ukraine, den Organen des Innenministeriums und aus der Staatsanwaltschaft zu entfernen. Außerdem müssen die Vertreter der „Swoboda“-Partei ihrer Ämter in der Regierung enthoben werden.
Wir rufen die Weltgemeinschaft dazu auf, die Regierungen der USA und der EU-Länder aufzufordern, die Unterstützung der ukrainischen Regierung auszusetzen, bis radikale Nationalisten von ihren Ämtern in der Regierung und in den Streitkräften, in den Rechtsschutzorganen und in der Staatsanwaltschaft entlassen werden.
Zugleich müssen wir feststellen, dass es unter den Anführern der selbst ausgerufenen Volksrepubliken Luhansk und Donezk russische radikale Nationalisten und offene Nazis gibt, die in bedeutender Anzahl vertreten sind. Insbesondere sehen wir in den Führungspositionen dieser selbst ausgerufenen Formationen viele russische Staatsbürger, die noch vor kurzem Mitglieder der mittlerweile in Russland verbotenen Neonazi-Organisationen wie etwa die „Russische nationale Einheit“ waren.
Bezeichnend sind die folgenden Internetseiten der „Aufständischen“:
http://iks2010.org „Imperiale Kosakenunion”
http://antisionizm.info „Antizionismus”
Daher rufen wir die Einwohner der Ostukraine, Gemeinderäte in den Gebieten Luhansk und Donezk, Bürgerorganisationen und Gewerkschaften dazu auf, mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln darauf hinzuarbeiten, dass wenigstens russische Neonazis und radikale Nationalisten von der Führung der Selbstverteidigungseinheiten der selbst ausgerufenen Volksrepubliken Luhansk und Donezk ausgeschlossen werden. Den russischen Neonazis, die sich heute zu Repräsentanten der einheimischen Bevölkerung des Ostens der Ukraine zu erklären versuchen, ist Misstrauen zu bekunden.
Außerdem rufen wir die Weltgemeinschaft und in erster Linie die Bürger der Russischen Föderation dazu auf, Druck auf die russischen Staatsorgane auszuüben, mit dem Ziel, Russland dazu zu zwingen, die Präsenz russischer Neonazis im Osten der Ukraine zuzugeben und aufzuhören, sie moralisch und materiell zu unterstützen.
Wir rufen auch die Massenmedien der Russischen Föderation und der Ukraine dazu auf, das Schüren der nationalistischen Hysterie zu beenden und die Aufmerksamkeit auf die Präsenz von Faschisten auf beiden Seiten des Konflikts zu richten.
4) Wir rufen die Vertreter der örtlichen Gemeinden im Osten der Ukraine und die Regierung der Ukraine dazu auf, einen öffentlichen politischen Dialog aufzunehmen. Zum Gegenstand dieses Dialogs soll in erster Linie die Durchführung transparenter und demokratischer Neuwahlen zu örtlichen Räten gemacht werden. Insbesondere ist die Frage des Zugangs der Wahlbeobachter von ukrainischen und internationalen Organisationen zu lösen. Die Kontrolle über die Einhaltung der erreichten Vereinbarungen zwischen den Seiten des Konflikts im Donbass sollen unserer Ansicht nach Vertreter der Bürger- und Gewerkschaftsorganisationen übernehmen, die zum Einen unabhängig von Oligarchen sind und zum Anderen sich deutlich von radikalen nationalistischen Organisationen sowohl prorussischer als auch proukrainischer Ausrichtung distanzieren.
Es ist kein Geheimnis, dass Vertreter der Zivilgesellschaft und gewerkschaftliche Arbeiterorganisationen an den Ereignissen, die in dieser Industrieregion geschehen, bis dato praktisch nicht teilnehmen. Dort aber, wo die Arbeiterorganisationen die Lage unter ihre Kontrolle zu bringen wagten, ließen sie keine Willkür und Eskalation der Gewalt entstehen. Als Beispiel kann das Streikkomitee in der Stadt Krasnodon (Gebiet Luhansk) genannt werden, das während des Generalstreiks der Bergarbeiter keine Gewalt zuließ. Die unabhängigen Gewerkschaften in Krywyj Rih haben Erfahrung bei der Aufstellung eigener Selbstverteidigungseinheiten, die eine wichtige Rolle bei der Verhinderung von Provokationen und Gewalt während der Maidan-Proteste im Krywyj-Rih-Eisenerzbecken gespielt haben. Möglicherweise werden gerade Arbeiterorganisationen und Bergarbeiterwehren zur wirksamsten Kraft, die in der Lage sein wird, Ordnung im Donbass zu schaffen.
5) Zweifellos ist die Ukraine zu einer Scheidemünze im imperialistischen geopolitischen Spiel um die Einflusssphären, Ressourcen und Absatzmärkte geworden. Allerdings liegen die Entstehungsgründe der Massenbewegungen vom Maidan und Anti-Maidan, trotz ihres sehr unterschiedlichen Charakters, weniger in den Einflüssen von außen oder in der Übermacht der Korruption, sondern vielmehr im oligarchischen sozial-wirtschaftlichen System, das von politischen und staatlichen Institutionen sorgfältig ausgebaut wurde, die seit Jahrzehnten unter Kontrolle der Business-Oligarchie stehen. Gerade die Politik der Oligarchen, die fast keine Steuern in der Ukraine zahlten und das Vermögen des Landes systematisch unterschlagen und ins Ausland geschaffen haben, führte zur sozialen Explosion, die sich mangels einer ausreichend starken Arbeiterbewegung hauptsächlich unter nationalistischen Parolen ereignete. Gleichwohl hatten gerade die Losungen der sozialen Gerechtigkeit eine Schlüsselbedeutung für die Teilnehmer der Massenaktionen sowohl auf dem Maidan als auch bei den Anti-Maidan-Protesten.
Die Erreichung des bürgerlichen Friedens in der Ukraine wird nicht möglich sein, bis eine Lösung der sozialen Krise gefunden ist, die sich nach der Abwertung der Hrywnja und angesichts des durch die Instabilität bewirkten Produktionsrückgangs in den meisten Wirtschaftsbranchen enorm zugespitzt hat. Anstatt nach Wegen zur Überwindung der Krise zu suchen, missbrauchen die dahinter stehenden Regierung und Oligarchie die militärische Bedrohung und den Anti-Terror-Einsatz, um ihre antisoziale Politik zu verschleiern. Militärische Ausschreibungen, die nach einem vereinfachten Verfahren stattfinden, bedeuten Aufträge in Millionenhöhe für Privatunternehmen und bieten Beamten die Möglichkeit zur Unterschlagung. Aber die Oligarchen erhöhen ihre Gewinne nicht nur durch direkte Bereicherung über militärische Lieferungen. Indem sie sich die Abwertung der Hrywnja zunutze machen, konnten die meisten exportorientierten Unternehmen der Bergbau- und Hüttenindustrie ihre Finanzzahlen wesentlich verbessern. Viele Unternehmen haben ihre Gewinne verdoppelt. Was nicht wundert, wenn man bedenkt, dass sie die Löhne in Hrywnja zahlen und ihre Produkte gegen ausländische Währung verkaufen. Auch wenn die Oligarchen dabei verstehen, dass sie die Arbeiter dadurch schlicht und einfach bestehlen und eine soziale Explosion provozieren, können sie sich nicht enthalten, noch mehr abzuzocken. Zwar hat der Gouverneur des Gebiets Dnipropetrowsk, Ihor Kolomojskyj, offiziell zugestanden, dass die Löhne in dieser Branche mindestens um zwanzig Prozent erhöht werden müssen. Doch die meisten Unternehmen haben bisher darauf verzichtet, einen Teil ihrer Übergewinne dafür zu verwenden, um die Reallohnverluste der Arbeiter zu kompensieren. In Krywyj Rih entwickelt sich die Situation zurzeit so, dass die Sturheit der Oligarchen durchaus einen Generalstreik in dieser fast eine Million Einwohner großen Stadt provozieren kann. Die Wahrscheinlichkeit von Massenstreiks wird zunehmend größer. Weit schwieriger ist jedoch zu sagen, welchen Charakter sie annehmen werden. Ob die Bergarbeiter es nicht wagen würden, neben eigentlich wirtschaftlichen Problemen und der Frage der Selbstverteidigung auch die allgemeine Frage der Regelung der Situation im Land zur Sprache zu bringen?
Möglicherweise könnte gerade ein Generalstreik zum realen Hebel des Einflusses auf beide Seiten des Konflikts werden und ein schnelles Kriegsende bewirken, nicht nur mit Worten, sondern auch in der Tat. Die Frage besteht nur darin, ob die Arbeiter heute in der Lage sein werden, sich effizient zu organisieren und entsprechende, im Grunde allgemeinpolitische Forderungen aufzustellen. Ein wichtiger Erfolgsfaktor wird in diesem Fall die Fähigkeit der Bergarbeiterwehren sein, die Streikenden vor dem Druck seitens der Staatsführung und der Oligarchen zu schützen, da Versuche nicht auszuschließen sind, die „Freiwilligenbataillone“ nicht gegen die Separatisten, sondern gegen die unabhängige Arbeiterbewegung einzusetzen.
Wir fordern von ukrainischen, russischen und westlichen Unternehmern, die Betriebe in der Ukraine besitzen, aufzuhören, sich an der Krise zu bereichern, und die Löhne unverzüglich auf das Niveau anzuheben, das zumindest dem Reallohn in den Jahren 2007 und 2008 entspricht.
Sinnvoll wäre es außerdem, die Frage nach der Streichung der IWF-Schulden der Ukraine zu stellen: Es ist gerade die untragbare finanzielle Last der Verpflichtungen gegenüber ausländischen Kreditgebern, die uns daran hindert, innere Probleme zu lösen.
Angesichts dessen unterstützen wir die allgemeine Ausrichtung der Erklärung „Krieg in der Ukraine stoppen!“, die vor kurzem in Minsk angenommen wurde. Denn wir verstehen sehr wohl und unterstützen voll das Anliegen der linken Aktivistinnen und Aktivisten sowohl aus der Ukraine als auch aus den Nachbarländern, ihre klassenbewusste und internationalistische Antikriegsposition zum Ausdruck zu bringen. Das Problem mit dieser Erklärung ist, dass sie weniger ein Ausdruck der abgestimmten Position ist, als das Ergebnis eines faulen Kompromisses. Denn sie ist so geschrieben, um das fehlende Einvernehmen hinter verschwommenen Phrasen zu verbergen, die jede unterzeichnende Person nach eigenem Belieben interpretieren kann, oft auf eine gegenteilige Art und Weise. Daraus folgt ein weiterer Mangel der Erklärung, nämlich der Eklektizismus und die Unerfüllbarkeit der dargelegten Forderungen. Denn in ihrem ersten Punkt wird zum Abzug der ukrainischen Truppen aus den Gebieten Donezk und Luhansk aufgerufen, und der zweite Punkt enthält den Aufruf zur vollständigen Abrüstung der Armeen der Volksrepubliken Luhansk und Donezk. Es ist fraglich, ob die Einheimischen die komplette Übergabe aller staatlichen Funktionen an kleine, von niemandem kontrollierte Banden unterstützen. Ganz zu schweigen davon, dass dieses Szenario offensichtlich irrealistisch ist.
Daher rufen wir zum Aufbau einer starken Anti-Kriegs-Bewegung auf, deren konkrete und dringende Forderung wäre, das Feuer sofort einzustellen und den Einsatz schwerer Waffen zu beenden. Wir hoffen, dass diese Losung in breiten Kreisen der Öffentlichkeit in allen Regionen der Ukraine sowie im Ausland Unterstützung finden kann und auch wird.
Aus dem Ukrainischen von Nikolai Berdnik
Quelle: http://gaslo.info/?p=5303
- Krieg dem Krieg! – Erklärung von Linken und Anarchist*innen (Autonomous Workers’ Union AWU/AST und andere) zur Konfrontation in der Ukraine (17. Juni 2014)
In dem sich entfaltenden Konflikt unterstützen wir weder die ukrainische Regierung noch prorussische Gruppierungen, die ihre Macht in Teilen der Territorien Lugansk und Donezk sicherstellen. Den Interessen der Arbeitenden (d.h. derer, die keine Macht und kein Kapital haben) ist die Idee einer geeinten Ukraine genauso fremd wie die Idee einer „Föderalisierung“ oder die Errichtung neuer staatlicher Gebilde – das sind Spiele von Politiker*innen, für die das Blut gewöhnlicher Menschen vergossen wird. Wir, Linke und Anarchist*innen, müssen in erster Linie von den Bedürfnissen der Arbeiter*innenklasse in den von Krieg besetzten Gebieten der Ukraine ausgehen, von ihren Rechten und Freiheiten.
Gegen die Volksrepubliken Donezk und Lugansk!
Die Volksrepubliken Lugansk und Donezk sind eine Ansammlung verfeindeter rechter Militärjuntas. Keinerlei Rechte und Freiheiten, die in der restlichen Ukraine gegeben sind, sind in den von ihnen besetzten Gebieten vorhanden. Politische Aktivität ist in diesen Territorien nicht möglich; Arbeiter*innen-Aktivist*innen, die die Volksrepublik Donezk kritisiert haben, wurden entführt und gefoltert. In der Erhaltung dieses Regimes wird die Arbeiter*innenklasse jeglicher Möglichkeit beschnitten, legal ihre Rechte zu schützen. Das einzig mögliche Format der Aktivität „Linker“ in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk ist die Verehrung sowjetischer Symbole, die nichts mit den Interessen der Arbeitenden gemeinsam hat.
Die reaktionären Regime der Volksrepubliken haben kein Interesse an Frieden, ihr Ziel ist einer weiterführende Eskalation des Konflikts, was von den Erklärungen ihrer Anführer*innen mit Versprechungen wie „bis Kharkiv vorzudringen“, bzw. „bis Kiew“ oder „bis Lemberg“ bestätigt wird.
Gegen die ukrainische Regierung!
Die ukrainische Macht profitiert von den Waffenlieferungen, schickt Reservist*innen und halbausgebildete Wehrpflichtige an die Front des Bürgerkrieges und versucht, den anhaltenden Konflikt auszunutzen, um ihre Position zu festigen. Ungeachtet der aufgesetzten Rhetorik einer Einheit von „Macht“ und „Volk“ müssen wir uns erbarmungslos gegen alle Versuche einer Kürzung sozialer Sicherungen, politischer Rechte und Freiheiten, jeder Entfaltung polizeilicher und militärischer Brutalität, dem Aufheizen und Ausnützen von nationalistischem und religiösem Wahnsinn sowohl unter Militärangehörigen als auch unter dem restlichen Volk stellen. Krieg, das ist Anlass für eine Niederschlagung in politischer sowie sozialer Hinsicht. Im Kampf gegen die Agression des Putin-Regimes und seiner Satelliten sollte die Ukraine nicht die Bedrohung des Aufkommens eigener „Putins“ innerhalb des Landes vergessen.
Im Falle des Sieges über die „Separatist*innen“, deren Position ohne militärische Unterstützung von außen verdammt ist, wird sich das Regime in Kiew bedeutend festigen und erneut zur Hauptbedrohung für die Arbeiter*innenklassen werden. Wenn sich die Unterdrückten in einem gemeinsamen patriotischen Anflug mit der herrschenden Klasse vereinen, wird die Abkehr der Rechte und Freiheiten, den man durch den Maidan verhindern konnte, in der neuen Regierung verwirklicht werden. Es gibt jetzt in der neuen Macht Vertreter*innen konservativer und ultrarechter Parteien („Batkivshina“, VO „Svoboda“), die schon mehrere Male obskurante Gesetzesentwürfe vorgeschlagen haben, wie etwa die Wiedereinführung der Todesstrafe, Einschränkung der reproduktiven Rechte und präventive politische Haft; in ihren programmatischen Schriften wird zum Verbot politischer Streiks aufgerufen. Viele ihrer Initiativen sind Kopien von Initiativen des Putin-Regimes, der Partei der Regionen und der KPU. Obwohl die Ultrarechten jetzt niedrige Umfragewerte haben, werden sie trotzdem als legitimer Teil des politischen Feldes wahrgenommen.
Gegen Faschist*innen auf beiden Seiten der Front!
Wir sind kategorisch gegen jede Legitimierung von ultrarechten, nationalistischen und kriminellen Gruppierungen als Mitglieder von „Anti-Terror-Organisationen“. Dabei muss angemerkt werden, dass auf der anderen Seite der Front, auf Seiten der Volksrepubliken Donezk und Lugansk, Freiwillige aus europäischen faschistischen Organisationen und ultrarechte Reaktionäre aus Russland kämpfen, die die Kreml-Propaganda als „antifaschistische Kämpfer*innen“ verkaufen will.
Gegen das Anheizen des Krieges hinter der Maske des Pazifismus!
Für uns ist das Waffenrasseln und die Freude über getötete Gegner*innen genauso inakzeptabel wie pseudopazifistische Hirngespinste von Leuten, die die direkte Verantwortung für die Eskalation der Gewalt tragen. Pazifismus ist nicht mit der Unterstützung der Regime „Neurusslands“ oder ihrer Sympathisant*innen vereinbar, auch nicht mit der Unterstützung des ukrainischen Militarismus.
Gegen Lügen und Propaganda von beiden Seiten!
Der Informationsraum hat sich in ein regelrechtes Schlachtfeld verwandelt, die ukrainische und russische Bevölkerung bekommen inhaltlich entgegengesetzte aber gleichermaßen von Lügen und Propaganda durchzogene Information, was der Festigung kriegerischer Stimmungen auf beiden Seiten des Konfliktes dient, Arbeiter*innen gegeneinander aufhetzt und den Regierungen erlaubt, die soziale Unzufriedenheit in eine für sie ungefährliche Richtung zu lenken. Unter diesen Bedingungen ist es wichtig, nicht dem Strom zu folgen, der sich über die Nachrichten freut, die er hören will, sondern stattdessen einen nüchternen Verstand und Prinzipientreue zu bewahren. Nur Zeit kann helfen, ein richtiges Bild der Ereignisse wiederherzustellen.
Für die Entwicklung einer Arbeiter*innenbewegung!
Die Arbeiter*innenklasse in der Ukraine befindet sich in ihrem Kindesalter und nimmt nicht als Subjekt am Konflikt teil. Wir müssen Organisationen fördern, die die Interessen der Arbeitenden ausdrücken, eine soziale Tagesordnung formulieren und verteidigen. Nur eine starke Arbeiter*innenbewegung die ihre Interessen kennt wird fähig sein, Frieden in der Ukraine herzustellen.
Wir stellen uns gegen den Zwang zum Kriegsdienst, fordern eine Beendigung der Einberufung und die Freilassung aller Kriegsdienenden, die nicht kämpfen wollen.
Wir unterstützen Kampagnen, die den zur Flucht getriebenen aus von Krieg betroffenen Gebieten helfen, und sind bereit, Einzuberufene und Deserteure zu unterstützen, die aus ethischen und politischen Motiven den Dienst verweigern. AST-Kharkiv verwirklicht schon eine Kampagne zur Unterstützung Ausgewanderter in ihrer Region – wir rufen alle Libertären und Linken auf, sich anzuschließen, und das gleiche andererorts zu machen.
Wir drücken unsere Unterstützung und Solidarität mit Arbeiter*innen- und Gewerkschaftsinitiativen aus, die für ihre Arbeitsrechte kämpfen; genauso sind wir bereit, aktiv die zu unterstützen, die gegen die Volksrepubliken Donezk und Lugansk örtlich aus Klassenpositionen heraus kämpfen. Sie sind heute einer viel größeren Gefahr ausgesetzt, als Aktivist*innen aus der Zentral- oder Westukraine.
Kein Krieg außer dem Klassenkrieg!
- Stoppt den Krieg in der Ukraine! – Minsker Erklärung von Linken aus der Ukraine, Russland und Belarus (7./8. Juni 2014)
On the weekend of 7-8 June socialists from across Ukraine, Russia and Belarus came together to oppose the growing threat of war in Ukraine.
Meeting in a hamlet outside Minsk, the capital of Belarus, the conference was called in order to allow socialist activists from the three countries to exchange information and to come to some common positions.
Informally the gathering was referred to as Zimmerwald 2014, after the conference held in the Swiss town of the same name during the First World War by socialists opposed to the Social Democratic parties collaboration with their own governments war efforts.
The conference brought together activists of the new left which has grown up in recent years in the three countries, and their main groupings; the Russian Socialist Movement (RSD), the Left Front and the United Communist Party (which has no connection to Putin’s tame “official opposition”, Gennady Zyuganov’s KPRF) in Russia, the Left Opposition and the group Borotba [Struggle] in Ukraine. It was hosted by the Belarussian journal Prasvet.
The discussions were fraternal despite some serious disagreements on some recent issues, in particular on the nature and attitude to take to the Maidan and Anti-Maidan movements between Borotba and the Left Opposition in Ukraine.
Also participating were members of the editorial boards of the journals such as the journals Spilne [Commons] and Liva [Left] based in Ukraine, Scepsis [Skepticism] in Russia and the hosts Prasvet.
A final declaration was drawn up and issued in the name of the participants which has now also been endorsed by a variety of figures and groups on the left in Ukraine, Russia, Belarus and other former Soviet Republics.
Der Wortlaut der Erklärung
(deutsche Übersetzung aus Sozialistische Zeitung SoZ 06/2014)
Wir, die Teilnehmenden der Versammlung linker und marxistischer Gruppen und Organisationen aus Weißrussland, Russland und der Ukraine, glauben, dass eine Beendigung des Bürgerkriegs in der Ukraine notwendig ist. Der militärische Konflikt, der auf den Sieg der neoliberalen und nationalistischen Kräfte im Kiewer “Euromaidan” gefolgt ist, forderte hunderte Menschenleben und trug zu einem beispiellosen Wachstum von Chauvinismus und Fremdenfeindlichkeit in der ukrainischen und russischen Gesellschaft bei. Dieser Krieg erlaubt es der herrschenden Klasse, die ukrainische Gesellschaft um ihr politisches Regime herum zu konsolidieren, die Arbeitenden der östlichen und westlichen Landesteile vom Kampf für ihre sozialen und politischen Rechte abzulenken und sie im Interesse der Bourgeoisie gegeneinander zu hetzen. Die russische Regierung, die Europäische Union und die USA nutzen den Bürgerkrieg für denselben Zweck: die sterbenden Menschen im Donbass sind nur Bauern in ihrem Spiel.
Wir drücken gegenüber allen Teilnehmenden der ukrainischen linken Bewegungen, die gegen Krieg, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit kämpfen, unsere Solidarität aus. Wir betrachten es als notwendig, sie so weit wie möglich mit Informationen sowie politischer und materieller Unterstützung zu versehen. Wir lehnen die Repressalien aller Beteiligten des Konflikts sowie die Massaker, die Folterungen und Entführungen gegen die ukrainischen Linken, Antifaschisten und alle ukrainischen Bürger ungeachtet ihrer politischen Ansichten ab. Wir lehnen auch die politische Verfolgung auf der Krim ab.
Den Krieg zu stoppen ist die Hauptaufgabe aller demokratischen und linken Bewegungen, ungeachtet ihrer Differenzen zu verschiedenen Fragen der politischen Agenda. So glauben wir, dass es erforderlich ist, die Bemühungen aller Gegner des Krieges in der Ukraine zu koordinieren und eine massive und einflussreiche Antikriegsbewegung zu bilden.
Unsere Forderungen sind:
– Wir fordern von der Regierung der Ukraine, unverzüglich die “Antiterroroperation” zu beenden und Truppen aus dem Gebiet von Donezk und Lugansk abzuziehen und einen Waffenstillstand mit den Milizen der “Volksrepublik Donezk” und der “Volksrepublik Lugansk” zu schließen.
– Wir fordern alle Konfliktparteien auf, ein Friedensabkommen zur vollständigen Einstellung der Feindseligkeiten zu schließen, alle politischen Gefangenen und Kriegsgefangenen freizulassen und die bewaffneten Gruppen aufzulösen.
– Wir fordern die ukrainische Regierung auf, die regulären Streitkräfte aufzulösen, die aus nicht freiwillig mobilisierten Soldaten bestehen, deren Familien jetzt Proteste in verschiedenen Regionen der Ukraine organisieren.
– Wir verlangen von Russland, der EU und den USA, dass sie ihre Einmischung in den ukrainischen Konflikt beenden und die Beteiligten nicht unterstützen.
– Wir fordern ein Ende der chauvinistischen Kampagne in den ukrainischen und russischen Medien, die dank der Verwendung einer zum Hass aufstachelnden Rhetorik zu den Hauptanstiftern des Krieges gehören.
– Wir fordern die Verabschiedung einer neuen Verfassung der Ukraine, die Abhaltung von Wahlen in den Regionen Donezk und Lugansk, das wirkliche Recht auf Selbstbestimmung und Selbstregierung für den Donbass und alle Regionen der Ukraine.
– Wir glauben, dass die organisatorische Festigung linker Gruppen aus dem früheren sowjetischen Machtbereich sowie ihre Festigung hinsichtlich der Informationen eine notwendige Bedingung für die Formierung der Antikriegsbewegung ist. Zu diesem Zweck initiieren wir eine gemeinsame Entwicklung der Initiative “Rotes Kreuz”, um den linken Aktivisten und Militärdienstverweigern zu helfen, und errichten ein Informationsnetz für linke und marxistische Gruppen in Weißrussland, Russland und der Ukraine.
Participants of the meeting:
Volodymyr Ishchenko, Commons: Journal of Social Criticism, Ukraine
Andrey Manchuk, editor-in-chief of LIVA.com.ua journal, “Borotba (Struggle)” union, Ukraine
Ivan Ovsyannikov, member of the Central Council of Russian Socialist Movement, Russia
Taras Salamanyuk, Commons: Journal of Social Criticism, Ukraine
Sergey Solovyov, editor-in-chief of journal of science and social criticism “Scepsis”, Russia
Rustam Sadykov, journal of science and social criticism “Scepsis”, Russia
Sergey Kozlovsky, member of the Central Council of Russian Socialist Movement, Russia
Dmitry Subbotin, journal of science and social criticism “Scepsis”, Russia
Georgy Komarov, Worker’s platform of Russian Socialist Movement, Russia
Mikhail Piskunov, Russian Socialist Movement, Russia
Artyom Kirpichyonok, International Marxist Tendency, Russia
Alexander Ivanov, Russian Socialist Movement, Russia
Tatyana Tchizhova, “Prasvet” web-journal, Belarus
Dmitry Isayonok, “Prasvet” web-journal, Belarus
Denis Denisov, “Left opposition”, Russian Socialist Movement, Ukraine/Russia
Lyudmila Barkova, Russia
Sergey Odarytch, LIVA.com.ua journal, Ukraine
Ilya Znamensky, Russia
Elena Kuzmyonok, Belarus
Anton Barkhatkov, “Prasvet” web-journal, Belarus
Ekaterina Ruskevitch, Belarus
Sergey Danilovitch, Belarus
Alexander Oparin, left.by, Belarus
Yury Glushakov, member of the Organizing committee of «RAZAM! (Together!)» Belarusian social movement