Beitrag zum Workshop "Keynesianische Ökonomie als alternative Ökonomie?" der Rosa Luxemburg-Stiftung (Berlin, 24.-26.2.2006)
(vorläufige Fassung)
Zunächst existiert kein direkter Zusammenhang zwischen Regionalpolitik und Keynes, der sich damit schlicht nicht besonders beschäftigte. Geld- und Fiskalpolitik ist eben national bzw. supranational. Regionalpolitik ist aber sehr wohl ein Element einer keynesianischen Gesamtpolitik. Regionalpolitik ist dabei Kompensation hinsichtlich der marktmäßigen Ergebnisse der Verteilung von Einkommen und Standorten.
Lange Zeit war der keynesianische Grundkonsens in der Regionalökonomie sehr breit und keynesianische Positionen sind auch heute noch im Vergleich in der Regionalökonomie und – politik de facto stärker als anderswo anzutreffen. Analog Samuelson traf und trifft hier noch am meisten zu: „We are all Keynesians“. Warum: Zunächst das neoklassische Grundmodell raumlos, da kann es auch keine räumlichen Ungleichgewichte geben. Der Markt sollte regionale Konvergenz schaffen.
Die klare regionale Konvergenz gibt es aber ganz offensichtlich nicht, auch wenn die Lohnraten weit hinunter gehen. Es gibt offensichtlich ein „Gleichgewicht“ bei (regionaler) Unterbeschäftigung. Erweiterungen der Neoklassik versuchen dies durch diverse Annahmen zu rechtfertigen. Allein es wird nicht wirklich plausibler.
Ob es heute in Europa und in den einzelnen Staaten regionale Konvergenz oder eine Vergrößerung der Abstände zwischen den Regionen gibt, ist eine nicht einfach zu beantwortende Frage. Dies hängt eng mit methodischen Fragen wie der Wahl der Größe der Regionen zusammen. Zwischen Staaten gibt es eher Tendenzen der Annäherung. Innerhalb der Staaten und auf kleinerer regionaler Ebene sind sind eher gegenteilige Tendenzen zu beobachten.
Klar ist, dass es bei den unterschiedlichen Mustern der von der neoklassischen Theorie postulierte Ausgleich sich nicht einstellt. Und auf globaler Ebene ist das noch klarer. Das würde die neoklassische Theologie nicht stören. Die Erfordernisse der Wählerloyalität über nationalen Wahlen – es können schwer ganze Regionen direkt abgeschrieben werden – bewirken, dass gewisse signifikante kompensatorische Regionalpolitik existiert:
Eine der wenigen noch weitgehend im Sinne Keynesianischer Politik zu sehender Elemente der EU-Politik ist sicher die Regionalpolitik – bei aller bestehenden Widersprüchlichkeit, insbesondere die Kohäsionspolitik und die Strukturfonds. Diese wurden auf grund politisches Drucks vor allem im Zusammenhang mit der „Süderweiterung“ implementiert, weil hier die zwischenstaatlichen Entwicklungsabstände und vor allem in Spanien und Italien die innerstaatlichen Unterschiede sehr groß waren bzw. sind, und jedenfalls zentral für die nationale Politik sind.
Der Stellenwert dieser Politik hat abgenommen; im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung ist vor allem die finanzielle Dimension hinsichtlich Anteil des Gesamt-BIP signifikant zurückgegangen. Aktuell ist ländliche Regionalpolitik auch wieder stärker konventionelle Agrarpolitik geworden.
Eine neues realistische Modell: Neue ökonomische Geografie
Ein relativ neues räumliches Gleichgewichts-Modell, die zwar auf der Neoklassik ansetzt, aber sehr realistische Elemente enthält, ist neue ökonomische Geografie von Paul Krugman und anderen. Sie berücksichtigt explizit steigende Skalenerträge und oligopolistische Märkte und erlaubt die Variation von Transportkosten, wobei höhere Transportkosten zu gleichmäßigerer Verteilung der wirtschaftlichen Aktivitäten im Raum führen. Dieser Ansatz erscheint geeignet in einer abgewandelten und weiterentwickelten Form Grundlage für eine sozialökologische kompensatorische Regionalpolitik zu sein.
Ein politischer Exkurs: Zwischen Scylla und Charybdis
Die Bewertung des Stellenwerts des Keynesianismus hängt mit der alten Frage Reform und/oder grundlegende Transformation (Revolution) zusammen: Der Keynesianismus ist sicher eine wichtige Grundlage für eine Reformstrategie und gibt einen Rahmen für nächste Schritte innerhalb des kapitalistischen Systems, aber in die richtige Richtung. Auch eine lange Reise beginnt mit den ersten Schritten, und die sind derzeit nicht leicht, zumal es real ja noch in die entgegengesetzte Richtung geht. Gerade zur „Schubumkehr“ ist viel Energie notwendig, und da sollte jede Energiequelle genutzt werden.
Trotzdem sind aber darüber hinaus weitere Schritte Richtung Systemtransformation jedenfalls zu überlegen. Warum? Weil es mit Reformpolitik viele historische Erfahrungen gibt: Reformen im Kapitalismus sind ambivalent. Sie sind Fortschritte, andererseits können sie das System stabilisieren; der Kapitalismus ist da seit langem sehr, sehr anpassungsfähig. Reformpolitik ähnelt so oft einer Gratwanderung zwischen Sektierertum und Anpassung. Gerade Lokal- und Regionalpolitik schwebt damit leicht zwischen Scylla und Charybdis: Regional und lokal sind Systemalternativen und damit Alternativen in Teilsystem nur sehr eingeschränkt möglich, da führt leicht zur Aufgabe von Politik. Umgekehrt kann man sich sehr leicht im Dickicht der Gremien, Institutionen und täglichen Kleinarbeit verfangen und den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sehen. Und es gibt viele Verlockungen sich mit einigen Erfolgen gemütlich in Nischen des Systems einzurichten, und dort aber auch zu bleiben; oder sich den „Sachzwängen“ zu fügen. Der Anpassungsdruck sollte gerade auf der lokalen Ebene nicht unterschätzt werden. Wenn der Kurs auf eine weitere Perspektive verloren geht, können (bittere) Erfahrungen wiederholt werden.
Ein zentrales Problem realer Reformprojekte ist die Eigendynamik von Erwartungen und Ankündigungen. Linke Mehrheiten können unter gegebenen Rahmenbedingung der Macht- und Eigentumsverhältnisse nur beschränkte Maßnahmen durchführen, und auch das ist bei den bestehenden Institutionen nicht einfach. Übertriebene Erwartungen und Ankündigungen führen aber leicht zu Enttäuschungen und den Verlust an politischer Unterstützung und noch schwierigeren Bedingungen. Dagegen hilft einerseits eine klare Benennung realistischer kurzfristiger Erwartungen UND der laufende Hinweis auf die Perspektive und längere Frist. Und da ist eben Keynes allein zu wenig.
Kritische Hinweise auf den Keynesianismus können daher bei aller Würdigung den Hintergrund dahingehend haben, dass er bei gleichzeitiger Vernachlässigung weitergehender Ansätze den theoretischen Rahmen der Einbindung in das System abgeben kann, wofür es in der Geschichte der Sozialdemokratie ja Beispiele gibt. Letztlich kann dies zur Abservierung des Keynesiamus selbst führen, wenn er im herrschenden Kräfteparallelogramm von den dominanten Kräften nicht mehr nützlich oder notwendig empfunden wird; was wir in den letzten zwanzig Jahren ja erlebt haben
Regionale Verschuldung
Regionale Nachfragepolitik ist unter den gegebenen Umständen beschränkt, aber gerade für eine sozialökologische Regionalpolitik nicht unwichtig. Regionale Kreisläufe werden gestärkt. Der Multiplikator erfüllt seine Pflicht. KMU' s spielen eine wichtige Rolle. Extern gesteuerte Unternehmen zeigen eigene Verhaltensweisen Es geht wesentlich um Reproduktion: Wohnen, Umwelt, Bildung
Die Frage der lokale/regionalen Verschuldung stellt sich etwas anders als auf nationaler Ebene. Einerseits geht es um die Verteilung des Steuerkuschen auf die Regionen. Und auf dieser Ebene spielen unproduktive Prestigeobjekte und „Brot und Spiele“- Ausgaben auch eine wichtige Rolle für die Verschuldung
„Good practice“
Interessant wäre die Analyse von „good practice“ aus Brasilien, Italien, Indien....
Österreich hat einige Erfahrungen aus der Ära des „Austromarxismus“ in den 20er Jahren. Real war das über Sondersteuern für Hausbesitzer eine gewisse Vorwegnahme des „Austrokeynesianismus“ der 70er und 80er Jahre. Letzterer beinhaltete jedenfalls auch eine regionalpolitische Komponente.
Der „Austrokeynesianismus“ erzielte jedenfalls nach konventionellen Maßstäben überdurchschnittliche sozialökonomische Entwicklung, insbesondere durch Regulierung, gemeinwirtschaftlichen Sektor, Einbeziehung der Arbeiterschaft via „Sozialpartnerschaft“, im übrigen bei sehr niedrige Militärausgaben. Die patriachalische Form wies allerdings große Demokratiedefizite. Das (aufgeschaukelte) „Skandal“bewusstsein führte jedenfalls gleichlaufend mit dem Abbau der austrokeynesianischen Elemente auch zum Aufstieg des Haiderismus in Österreich
Zu einigen „Plus“ von „Keynes plus“: Demokratie und Nachhaltigkeit:
Umweltverträglichkeit als soziale Gerechtigkeit zwischen Generationen
Sozialökologische Fragen drehen sich vornehmlich um Lebensqualität und spielen kommunal und regional auch deshalb eine große Rolle, weil auch auf diesen Ebene eine unmittelbarere Betroffenheit herrscht. Es geht nicht nur um globale Bedrohungen, sondern konkret um das Trinkwasser, Luftqualität, Lärm und Verkehrssicherheit als tägliche anliegen.
Die Sicherung der Umweltverträglichkeit kann als eine eigene Dimension der sozialen Gerechtigkeit gesehen werden: Während sich „soziale Gerechtigkeit“ meist auf Gerechtigkeit in der Gegenwart bezieht, so geht es in der Ökologie auch um Gerechtigkeit zwischen gegenwärtigen und zukünftigen Generationen durch Erhaltung der Lebensbedingungen und Ressourcen. Das Modell EU und schon gar nicht der USA kann logisch kein weltweiter Maßstab sein, weil es ein enormer Umwelt-, Rohstoff- und Ressourcenverbrauch auf Kosten der übrigen Welt aufweist, der jetzt schon zur Beschleunigung der Klimaveränderung führt und bei einer gedachten Ausweitung auf die ganze Welt zum Kollaps führt.
Im Detail ist die integrierte sozialökologische Sicht natürlich nicht so einfach, siehe Benzinpreise, oder allgemein die Preise von ökologischen Produkten und Dienstleistungen. Der kapitalistische Entwicklungsweg hat mit seiner Ausbeutung des Menschen durch den Menschen seit Jahrhunderten auch einen Raubbau an der Natur betrieben und stellt damit die globalen sozialökologischen Existenzbedingungen der Menschheit in Frage. Darüber hinaus sind global und auf jeder Ebene auch sozialökologisch gerade diejenigen Klassen und Schichten, die auch sonst durch dieses System negativ betroffen sind, in der Regel besonders benachteiligt, wie etwa bezüglich der Ausgesetztheit gegenüber Umweltgiften, der Sicherheit am Arbeitplatz, der Wohnsituation, der Wasser- und Ernährungsqualität und der Gesundheitsfolgen im allgemeinen zu sehen ist.
Gerade das Abstellen auf Einzelinteressen im Allgemeinen und die Profitlogik im besonderen lassen es äusserst fraglich erscheinen, ob das kapitalistische Weltsystem in der Lage ist wesentliche Schritte zur Lösung dieser grundlegenden existenzielle Probleme einzuleiten. Im Interesse der jetzigen und zukünftigen Generationen stellt sich die Frage anderer Wege: Es geht um eine nachhaltige Entwicklung.
Mobilität und Energie zentral
Zentrale Bereiche der Umweltpolitik sind die Verkehrs- und Energiesektoren: Es geht um die Sicherung und den Ausbau einer umwelt- und menschenfreundlichen Mobilität, die derzeit vor allem durch Ausverkauf öffentlichen Eigentums in Gefahr ist. Es geht um öffentliche Investitionen im Mobilitätsbereich nicht nur auf einträglichen Strecken, sondern in der Fläche. Dabei gehen Sicherung der Lebensqualität, regionale Wertschöpfung und Arbeitsplätze Hand in Hand.
Im Energiebereich drohen derzeit hochprofitable Bereich aus der heute grundsätzlich noch möglich öffentlichen Steuerung und Kontrolle herausgebrochen zu werden. Jahrzehntelange war der Energiesektor - in Österreich - Quelle eines umfassenden Pfründen- und Privilegiensystems. Doch nicht durch Enteignung der Öffentlichkeit, sondern durch die Demokratisierung des Energiesektors können in diesem Schlüsselbereich aller globalen Zusammenhänge zukunftsfähige Lösungen gefunden werden. Der vollständige Übergang auf eine Versorgung aus erneuerbarer Energie ist gerade in Österreich, das günstige Voraussetzungen dafür aufweist, ein notwendiges und realisierbares Ziel. Beschäftigung, klima- und umweltverträgliche Effekte, Sicherung der Land- und Forstwirtschaft, regionaler Ausgleich und Autonomie werden dadurch begünstigt. Vorbildliche technische und sozialökologische Lösungen liegen vor, ihre Realisierung ist ein Beitrag dazu, dass auch ungünstiger ausgestattete Länder und vor allem Entwicklungsländer diesen Weg im Energiesektor gehen können.
Die Energiepolitik auf Basis erneuerbarer Energie wird immer mehr ein zentraler Teil sozialökologischer Regionalpolitik. Sie
· stärkt regionale Kreisläufe
· bringt regionale Einkommen und Arbeitsplätze
· verbessert die „regionale „Handelsbilanz“
· regt Innovation und regionales „empowerment“ an
· leistet einen Beitrag zum globalen Klimaschutz
· und verbessert die regionale Umweltsituation
· ist ein Beitrag zum Weltfrieden
Ein wichtiger Faktor, warum nach kapitalistischer Kalkulation die Zukunft keine Rolle spielt
Ein positiver Berührungspunkt zwischen Keynesianismus und Ökologie ist die Bewertung niedriger Zinsraten: niedrige Zinsraten und damit niedrige Diskontraten führen in Kosten-Nutzen-Rechnungen bei der Bewertung von zukünftigem Nutzen und vor allem zukünftigem Schaden zu signifikanten Werten. Hohe Zinsraten und damit hohe Diskontraten führen dazu, dass zukünftiger Nutzen und vor allem zukünftiger Schaden in späteren Jahrzehnten schnell gegen Null geht. Das heißt, dass Nutzen und Schaden aus weiter weg liegenden Jahrzehnten praktisch nicht in Investitions- und Entscheidungsgrundlagen eingehen. Konkret: die negative „ewige Rente“ von radioaktivem Atommüll zählt nicht, weil ein Schaden, der in 50 oder 100 oder 1000 Jahren mit einer hohen Diskontrate abdiskontiert einen aktuellen Barwert nahe null ergibt und daher zu vernachlässigen ist.
In der Ökologie ist geht es generell eher um optimale Größen, in einer kapitalistischen Ökonomie geht es bekanntlich um maximale Profite, und daher um quantitatives Wachstum. Ein negativer Berührungspunkt zwischen Keynesianismus und Ökologie ist daher konkret, dass in der Sicht von Keynes mehr Nachfrage besser als weniger Nachfrage ist. Sozialökologisch muss es nicht so sein. Da kann mehr weniger sein, es kommt vielmehr auf die Struktur an, es gibt optimale Größe.
(Beispiel: In einer Fallstudie habe ich berechnet, dass in einer Region, die Richtung mehr Nachhaltigkeit unterwegs war, zwei Drittel der Reduktion klimarelevanter Schadstoffe durch „weiche“ Maßnahmen wie Beratung bewirkt wurden, und nur ein Drittel durch öffentliche Investitionen in kapitalintensive Technologie.
Demokratisierung contra „Immer weniger entscheiden über immer mehr“
Global finden gigantische Konzentrationsprozesse statt. Die Monopole in der „Imperialismusanalyse“ z. B. von Lenin zu Beginn des vorigen Jahrhunderts sind im Vergleich zu heute Kinkerlitzchen. Verbunden damit ist eine gigantische Entdemokratisierung. Immer weniger entscheiden über immer mehr.
Dagegen steht das einfache Prinzip „Demokratie“, und es ist meist erstaunlich allgemein definiert, sodass sich fast alle dazu bekennen. Der Begriff der Demokratisierung wurde seinerzeit auch vom früheren österreichischen Bundeskanzler Kreisky als „Durchflutung aller Lebensbereiche“ (erfolgreich) verwendet und taugt noch immer, wenngleich das genauer zu bestimmen wäre. Die Definition von Demokratie ist ein ständiger Diskussionsgegenstand: Das Prinzip von „one (wo)man – one vote“ steht der realen Art „Aktionärsdemokratie“ in der Wirtschaft, die den shareholdern demokratische Rechte gibt, jedenfalls entgegen.
Kommunale Hegemonie als Zwischenziel
Wir leben in einer von Macht und Eigentum an Produktionsmittel verzerrten Demokratie. Kommunal- und Regionalpolitik kann ein Element des Herankommens an eine Wende zur Abkehr von dieser Verzerrrung sein, weil die Leute politisches Handeln als unmittelbar greifbar und gestaltbar erleben.
Kommunale Hegemonie als Zwischenziel, von dem wir meist weit weg sind - stößt aber rasch an die Grenzen von Macht und Eigentum. Gewisse Elemente einer künftigen Gessellschaftsordnung jenseits des kapitalistischen Profitsystems können dabei vorweggenommen werden: Weitestgehende Information, Mitbestimmung, unverzerrter Rechtsstaat, eine gewisse Umverteilung, Bewusstseinsbildung.
Das einfache Prinzip „Demokratie“ ist meist erstaunlich allgemein definiert, sodass sich fast alle dazu bekennen. Im einzelnen kann sehr Unterschiedliches gemeint sein.Warum Entscheidungen gerade mit 50 % der abgegebenen Stimmen? Sind Entscheidungen gewählter VertreterInnen zweckmäßiger als direkte Demokratie? Das sind alte, aber aktuelle Fragen.
Kommunale Demokratie (+ Wirtschaftsdemokratie) oder Aktionärssdemokratie?
Über rein formaldemokratische Einrichtungen, die in keiner Weise unterschätzt werden sollen, hinausgehend ist eine „Wirtschaftsdemokratie“ durch Mitbestimmung in verschiedenen Formen ein großes Ziel. Auch hier gibt es minimale Ansätze wie die des Betriebsrates, die Mitentscheidung in wesentlichen Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung ist aber für die breite Masse der Betroffenen praktisch nicht gegeben: Der patriarchalischen Wirtschaft bzw. die „Aktionärsdemokratie“ ist der (die) wirtschaftlich Aktive entgegenzustellen, der (die) auch tatsächlich in möglichst vielen Belangen (mit)entscheiden kann.
In diesem Sinne sind auch „unternehmerisch“ tätige Menschen stärker gefragt. Es geht um Neuerungen insbesondere in organisatorischer aber auch in technischer Hinsicht.
Gerade die Regionalpolitik bedarf Menschen mit neuen Ideen und dem Willen, neue Wege zu gehen. Wie bei Innovationen üblich, werden mindestens 95 von 100 scheitern, aber diejenigen, die sich behaupten, können dazu führen, z.B. neue Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten.
Demokratie: Das einfache, das schwierig zu realisieren ist.
In der Regional- und Kommunalpolitik geht es zunächst um die Realisierung von Demokratie und Rechtsstaat im konkreten Leben: Bestimmte Regeln wie wechselnde Vorsitzführung, Anspruch auf Verfahren, Rechtssicherheit, Minderheitenrechte, Kontrolle, Informationsrechte etc., eben die Gewährleistung von BürgerInnenrechten klingen zunächst selbstverständlich und wenig spannend, müssen aber in der Regel im realen Staat tagtäglich gegen Ortskaiser, Landesfürsten, Seilschaften und diverse Geldlobbies gesichert werden.
Bei einer fortschrittlichen demokratischen Kommunal- und Regionalpolitik ist so nicht nur das „Ziel“, sondern auch der Weg wichtig; es geht auch – im Gegensatz etwa zu wenig nachvollziehbaren Politikebenen wie der er EU - um eine unmittelbare Mitgestaltung, weil sich die Menschen in der Gemeinde unmittelbar selbst davon überzeugen können, was gemacht wird bzw. was sie selbst bewirken können. Es geht hier um Regional- und Kommunalpolitik in unseren Breiten, denn in anderen Teilen der Welt geht es oft einfach darum, dass überhaupt halbwegs Verwaltungsstrukturen bestehen bzw. nicht korrupte, bzw. das Lebensminimum zu sichern.
Derzeit ist global bestenfalls eine Art „Aktionärsdemokratie“ absehbar, die den shareholdern demokratische Rechte gibt. Umgekehrt sollte nach wie vor gelten „one (wo)man – one vote“.
Der Begriff der Demokratisierung taugt noch immer, wenngleich das genauer zu definieren wäre.
Die Definition von Demokratie ist ein ständiger Diskussionsgegenstand.
Demokratie beinhaltet jedenfalls formale Gesichtspunkte, die von der Linken manchmal und zum Teil mit tragischen Folgen unterbewertet wurden. Bestimmte Werte wie zeitlich begrenzte Macht, Rechtsstaat, Anspruch auf Verfahren, Rechtssicherheit, Minderheitenrechte, Kontrolle, Informationsrechte etc. sollen – wenngleich ihre Ausgestaltung keine ausgemachte Sache ist - nicht unterschätzt werden oder als „bürgerlich demokratisch“ abgewertet werden.
Die Demokratievorstellungen der Linken im 20. Jahrhundert waren fordistisch geprägt: quasi als Mechanismus fester (Fließband)Vorgaben. Es ging darum die „Macht“– direkt und im übertragenen Sinn - über die Schalthebel der Fließbänder zu gewinnen anstatt das System der Fließbandproduktion als solches zu verändern, wobei im Marxschen Sinne sicher gewisse historische Schranken bestanden, wobei sich nun – jedenfalls für einen kleineren Teil der Welt – merklich günstigere Voraussetzungen bieten würden.
Das demokratischen Potential des Internet wäre eine eigene Analyse Wert....
Regionale Bündnisse contra „Standortpolitik“
Die weltweite Steuerung regionaler Entwicklung funktioniert intern über die Profitrate. Dort wo höhere Profitraten erzielt werden, strömt Kapital hin. Das passive Reagieren, d.h. das Aufputzen der Region im Sinne der Attraktivierung für Kapital wird beschönigend „Standortpolitik“ genannt und führt zur Dumpingkonkurrenz zwischen Regionen. Unterschieden kann das Kapital hinsichtlich Finanzkapital und tatsächlich vor Ort in Funktion tretendes Kapital werden. Tatsächlich ist ein wesentlicher Punkt der Regionalpolitik das gemeinsame Vorgehen in Bündnissen zwischen Klassen bzw. Teile von Klassen und Schichten, oder ganz einfach zwischen Personen.
Bei Bündnissen können durchaus strategische Orientierung dahinter stecken. Kommunale „Themenführerschaft“ und treibende Kraft als Zwischenziel (fortschrittliche „Hegemonie“), von dem wir weit weg sind - stößt aber rasch an die Grenzen von Macht und Eigentum. Gewisse Elemente einer künftigen Gesellschaftsordnung jenseits des kapitalistischen Profitsystems können dabei vorweggenommen werden: Weitestgehende Information, Mitbestimmung, unverzerrter Rechtsstaat, eine gewisse Umverteilung, Bewusstseinsbildung
Förderungen als Almosen?
Eine wichtige regionalpolitische Frage ist die der diversen Subventionen und Förderungen. Sie werden oft als Großzügigkeit der Herrschenden dargestellt und aufgefasst. Abgesehen davon, dass durch die EU-Regeln der „Wettbewerbsverzerrung“ Förderungen einem klaren Rahmen unterliegen sind besondere Förderungen - wenn sie weniger begünstigte Regionen betreffen – tatsächlich im besten Falle ein Ausgleich für „Leistungen“, die die Region kostenlos erbrachte, z. B. der Abfluss von gut ausgebildeten Arbeitskräften, dem „Humankapital“ der Region.
Insgesamt gibt es klare Hinweise darauf, dass auch weniger begünstigte Regionen insgesamt – trotz gegenteiliger Darstellungen von ihre Taten feiernden Regionalpolitikern - nicht überdurchschnittlich mit Förderungen bedacht werden, wenn alle Förderungen, z. B. auch die für Forschung und Entwicklung einbezogen werden. Letztlich werden die Förderungen auch nicht aus der persönlichen Geldtasche von Politikern bezahlt, sondern stammen aus dem Steuertopf, der bekanntlich zum größten Teil aus Geldern der arbeitenden Bevölkerung gefüllt wird.
Alle Bereiche des Lebens
Regionalpolitik ist nicht nur traditionell ökonomisch zu sehen, alle möglichen Bereiche des menschlichen Lebens spielen in der Gesamtheit eine Rolle. „Reproduktion“ der Arbeitskraft (von Wohnen, sich ernähren, bis zu Kinderbetreuung und Kultur). In diesen Fragen ist auch die Kompetenz der ganzen Bevölkerung unzweifelhaft gegeben. In Problemen, die praktisch alle betreffen, können und sollen alle mitreden und mitentscheiden.
Die Frage der Demokratie stellt sich damit unmittelbar. Wenngleich sie derzeit praktisch auf regelmäßige Wahlen reduziert ist, gibt es hier ein großes demokratisches Potential. Es gibt eigentlich kaum eine Grenze der kreativen Möglichkeiten der Mitbestimmung. In der Praxis ist dies allerdings meist sehr unterentwickelt. Zunächst ist das Grundproblem das der fehlenden oder einseitig gesteuerten Information. Informierte BürgerInnen können und wollen wahrscheinlich auch mitbestimmen. Als neue Informationsmöglichkeit der letzten Jahre können Internetplattformen benutzt werden.
Soziale Gerechtigkeit in Aktion
Zusammenfassend:
Rechtsstaat, Information und Demokratisierung spielen sich nicht im luftleeren machtfreien Raum ab. Der eigentliche zentrale Grundsatz fortschrittlicher (Regional)Politik ist die soziale Gerechtigkeit und zwar
· zwischen einzelnen Regionen eines Staates,
· innerhalb einer Region,
· international (kontinental, global)
Damit im Zusammenhang steht der Ausgleich zwischen Geschlechtern.
Eine sozialökologische Politik kann im Kern auch als Sicherung sozialer Gerechtigkeit durch gleiche Möglichkeiten im Zeitablauf gesehen werden: Wird kein Raubbau an der Natur betrieben, so finden künftige Generationen keine verschlechterten Möglichkeiten vor.
Diese zentrale Sache etwas ausführlicher:
Der Grundsatz sozialer Gerechtigkeit stößt auf kapitalistische Strukturen, und kann jedenfalls ansatzweise gegen diese durchgesetzt werden Konkret geht es um Baulöwen, Konzerne, Spekulanten und großen oder kleinen Geschäftemacher sowie um die mit diesen kollaborierenden Politikern und ebenso um die Sicherung öffentlicher Einrichtungen gegen Kommerzialisierung und Ausverkauf. Es geht um faire und nicht abgekartete Ausschreibungen. Es geht darum, dass die Steuergelder immer mehr für Zinszahlungen verwendet werden. Es geht um die Verhinderung von Spekulationsgeschäften mit öffentlichen Geldern (Fremdwährungskredite, Cross Border Leasing).
Dabei sollte zwischen „Kapital“ und gewissen (im weiteren Sinn) „unternehmerisch“ tätigen Menschen unterschieden werden. In der Kommunalpolitik sind Kooperationen notwendig, etwa auch mit örtlichen Kleinunternehmen.
Räumlicher Ausgleich
Eine Ebene der Gerechtigkeit fortschrittlicher (Regional)Politik ist der räumliche Ausgleich, und zwar jedenfalls national, europäisch und global.
Die Infrastruktur insbesondere in kleineren Gemeinden wird derzeit ausgedünnt: Nicht nur die Post, auch Arbeitsmarktverwaltung, Busse, Regionalbahnen, Bezirksgerichte, Gendarmerie, Interessensvertretungen usw. werden ausgedünnt. Zusammen mit der Konzentration im Einzelhandel und im Bankwesen findet derzeit innerhalb kurzer Zeit die größte infrastrukturelle Entleerung überhaupt statt.
Am schwierigsten: die Arbeit für den notwendigen globalen Ausgleich
Die globale Funktion des Kapitalismus beinhaltet vor allem die Ausplünderung des Südens. Der Anspruch auf eine globale Demokratie ist daher eine zentrale, aber offene soziale und ökologische Frage. Es gilt dabei Rücksicht auf künftige Generationen zu nehmen, weil der Raubbau auf deren Kosten nicht mehr rückgängig zu machen ist. Hier wirklich sich nicht im lokalen Handeln zu verlieren und auch den globalen Bezug immer dabei zu haben, das ist sehr schwierig und die große Aufgabe einer linken und ökologischen Kommunalpolitik im 21. Jahrhundert.
Die Arbeit für den notwendigen globalen Ausgleich ist am schwierigsten, weil hier mangels unmittelbarer Anschauung die Bewusstheit sehr wesentlich ist und in gewisser Hinsicht auch kurzfristigen Interessen widersprechen kann.
Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Gesellschaftstheorie - Globalisierung Regionalpolitik ist keynesianisch – und was noch?
Beitrag zum Workshop "Keynesianische Ökonomie als alternative Ökonomie?" der Rosa Luxemburg-Stiftung (Berlin, 24.-26.2.2006)