Publikation Ungleichheit / Soziale Kämpfe - Gesellschaftstheorie Zwölf Thesen über Anti-Macht

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Erschienen

März 2004

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1. Ausgangspunkt ist die Negativität

Beginnen wir mit einem Schrei, nicht mit dem Verb. Angesichts der Verstümmelung menschlicher Existenz durch den Kapitalismus ist es ein Schrei der Traurigkeit, ein Schrei des Erschreckens, ein Schrei der Wut, ein Schrei der Negation: Nein!

Das Denken muss negativ sein, um die Wahrheit des Schreis auszudrücken. Wir wollen die Welt nicht verstehen, ohne sie zu negieren. Das Ziel der Theorie besteht darin, die Welt negativ zu begreifen, nicht von der Praxis getrennt, sondern als ein Moment von Praxis, als Teil des Kampfes, um die Welt zu verändern, um aus ihr einen würdigen Ort der Menschheit zu machen. Wie können wir jedoch nach all dem, was passiert ist, anfangen daran zu denken die Welt zu verändern?

2. Eine würdige Welt kann nicht mittels des Staates geschaffen werden

Während des vergangenen Jahrhunderts konzentrierte sich ein Großteil der Anstrengungen, eine würdige Welt zu schaffen, auf den Staat und die Vorstellung, die staatliche Macht zu erobern. Die wichtigen Auseinandersetzungen (zwischen Reformisten und Revolutionären) kreisten um die Frage, wie staatliche Macht erobert werden könnte, sei es auf dem parlamentarischen oder außer-parlamentarischen Weg. Die Geschichte des 20. Jahrhunderts macht jedoch deutlich, dass die Frage der Machteroberung gar nicht so wichtig war und ist. In keinem Fall folgte aus der Eroberung staatlicher Macht das, was sich jene, die dafür kämpften, erhofft hatten. Weder die reformistischen, noch die revolutionären Regierungen schafften es, die Welt radikal zu verändern.

Es ist einfach, die Führungen dieser Bewegungen des Verrats an der Bewegungen zu bezichtigen. Die Tatsache, dass es derart viele Verrat gab, verweist jedoch auf tiefer gehende Ursachen für das Scheitern der radikalen, sozialistischen oder kommunistischen Regierungen. Der Grund, warum man den Staat nicht dafür nutzen kann, um eine radikale Veränderung der Gesellschaft zu erreichen, liegt darin, dass es sich beim Staat um eine soziale Form handelt, die in die Totalität der kapitalistischen sozialen Verhältnisse eingebettet ist. Die Existenz des Staates als eine von der Gesellschaft separate Instanz bedeutet, dass er unabhängig von den konkreten Inhalten seiner Politik aktiv dazu beiträgt, die Menschen von der Kontrolle über ihr eigenes Leben zu trennen. Der Kapitalismus ist vor allem das: Die Trennung der Menschen von ihrem eigenen Tun. Eine am Staat orientierte Politik reproduziert unausweichlich diesen Spaltungsprozess, wo Führer von den Geführten, wo ernste politische Aktivität von persönlichen Angelegenheiten getrennt werden. Eine am Staat orientierte Politik, weit davon entfernt eine radikale Veränderung der Gesellschaft zu erreichen, führt zu einer zunehmenden Unterordnung der Opposition unter die Logik des Kapitalismus. Die Vorstellung, die Welt könnte über den Staat verändert werden, ist eine Illusion. Wir haben das Glück, das Ende dieser Illusion zu erleben.

3. Die einzige Form, um radikale Veränderungen zu erreichen, ist nicht die Eroberung der Macht, sondern die Auflösung der Macht

Die Revolution ist so dringlich wie nie zuvor. Die Schrecken, die aus der kapitalistischen Organisation der Gesellschaft entstehen, treten immer deutlicher zu Tage. Wenn die Revolution mittels der Eroberung staatlicher Macht sich als Illusion erwiesen hat, dann bedeutet das nicht, dass wir die Idee der Revolution aufgeben müssen. Aber es ist notwendig, sie in anderen Begriffen zu fassen: Nicht als Übernahme der Macht, sondern als Auflösung der Macht.

4. Der Kampf um die Auflösung der Macht ist der Kampf für die Emanzipation der kreativen Macht (potencia) von der instrumentellen Macht (potestas)

Um die Welt zu verändern, ohne die Macht zu übernehmen, muss eine Unterscheidung zwischen kreativer Macht (potencia) und instrumenteller Macht (potestas) getroffen werden.

Jeder Versuch die Gesellschaft zu verändern, beinhaltet Handeln, Machen. Dieses Machen bedeutet, dass wir dazu in der Lage sind, etwas zu tun, bedeutet kreative Macht. Häufig benutzen wir das Wort "Macht" in diesem Sinne, als etwas Positives, wenn uns eine Handlung gemeinsam mit anderen (eine Demonstration oder sogar ein gutes Seminar) das Gefühl von Macht gibt. Macht in diesem Sinne hat seine Grundlage im Tun: kreative Macht (Spanisch: poder-hacer; wörtlich: "tun-können").

Kreative Macht ist immer gesellschaftlich, immer Teil des gesellschaftlichen Flusses von Handlungen. Unsere Fähigkeit zu tun, ist Resultat des Tuns anderer und schafft die Bedingungen für zukünftiges Tun. Es ist unmöglich sich ein Tun vorzustellen, das nicht in der einen oder anderen Form in das Tun anderer integriert ist, in der Vergangenheit, der Gegenwart oder der Zukunft.

5. Kreative Macht wird transformiert, transformiert sich in instrumentelle Macht, wenn sie mit dem Tun bricht

Die Transformation kreativer Macht in instrumentelle Macht unterbricht diesen gesellschaftlichen Handlungsfluss. Jene, welche die instrumentelle Macht ausüben, trennen das Geschaffene (hecho) vom gegenwärtigen Schaffen und erklären das Geschaffene zu ihrem. Die Aneignung des Geschaffenen ist gleichzeitig die Aneignung der Mittel des Schaffens und erlaubt den Mächtigen, dass sie das Handeln der tätigen Menschen kontrollieren. Die tätigen Menschen sind so von dem, was sie selbst geschaffen haben, getrennt, sowie von den Mitteln des Schaffens und vom Schaffen selbst. Damit sind sie von sich selbst getrennt. Diese Trennung ist die Basis jeder Gesellschaft, in der einige Macht über andere ausüben. Im Kapitalismus erreicht diese Trennung ihren Höhepunkt.

Der gesellschaftliche Fluss der Handlungen wird zerstört. Kreative Macht transformiert sich in instrumentelle Macht. Jene, die das Tun anderer kontrollieren, erscheinen nun selbst als die Macher der Gesellschaft. Und jene, deren Tun kontrolliert wird durch die anderen, werden unsichtbar, ohne Stimme, ohne Gesicht. Kreative Macht erscheint uns nicht mehr als Teil des gesellschaftlichen Flusses, sondern existiert nur noch in der Form persönlicher Macht. Für die Mehrheit der Menschen wird kreative Macht in ihr Gegenteil verkehrt, in Ohnmächtigkeit. Oder aber sie wird durch andere bestimmt. Die Mächtigen schaffen es, kreative Macht in instrumentelle Macht zu transformieren, in die Macht anderen zu sagen, was sie zu tun haben und damit geraten sie in Abhängigkeit vom Tun anderer.

In der gegenwärtigen Gesellschaft existiert kreative Macht jedoch nur in Form ihrer eigenen Negation als instrumentelle Macht. Das bedeutet nicht, dass die kreative Macht aufhört zu existieren. Aber sie existiert in ihrer negierten Form, in einer antagonistischen Spannung zu ihrer eigenen Existenzform als instrumentelle Macht.

6. Die Unterbrechung des Handlungsflusses ist ein Bruch mit jedem Teil der Gesellschaft, mit jedem Aspekt von uns

Die Abspaltung des Geschaffenen vom Schaffensprozess und von den Schaffenden selbst führt dazu, dass die Menschen sich zueinander nicht als Schaffende ins Verhältnis setzen, sondern als BesitzerInnen (oder Nicht-BesitzerInnen) des Gemachten-Geschafften (als eine Sache, die losgelöst vom Entstehungsprozess gesehen wird). Die Beziehungen zwischen Menschen bestehen wie Beziehungen zwischen Dingen. Die Menschen existieren nicht als Schaffende, sondern als passive TrägerInnen der Sachen.

Diese Spaltung der Schaffenden vom Schaffen – und damit von sich selbst – wird in der Literatur mit eng verwandten Begriffen diskutiert: Entfremdung (der junge Marx), Fetischismus (der alte Marx), Verdinglichung (Lukacs), Disziplin (Foucault) oder Identifikation (Adorno). Alle diese Begriffe zeigen deutlich, dass die instrumentelle Macht nicht als etwas uns außen Stehendes verstanden werden kann, sondern jeden Teil unseres Lebens durchdringt. Alle diese Begriffe beziehen sich auf eine Verhärtung des Lebens, eine Eindämmung des gesellschaftlichen Handlungsflusses, eine Schließung von Möglichkeiten.

Das Tun wird auf ein Sein reduziert. Dies ist der Kern der instrumentellen Macht. Während das Tun neben dem Sein auch das Nicht-Sein mit einschließt, reißt der Bruch mit dem Tun das "Nicht-Sein" heraus. Was uns bleibt, ist eine einfache "wir sind"-Identität. Das "und wir sind nicht" wird vergessen oder zum reinen Traum degradiert. Man nimmt uns die Möglichkeit. Die Zeit vereinheitlicht sich. Die Zukunft ist die Weiterführung der Gegenwart; die Vergangenheit der Vorläufer der Gegenwart. Alles Tun, alle Bewegungen werden inhaltlich fixiert und damit begrenzt. Es kann schön sein, von einer würdigen Welt zu träumen, aber es ist eben nicht mehr als ein Traum. Die Herrschaft der instrumentellen Macht ist die Herrschaft des "so sind die Sachen eben", diese Herrschaft schafft die Identität.

7. Machen wir mit beim Bruch mit unserem eigenen Tun und mit der Schaffung unserer eigenen Unterwerfung

Als Schaffende, die von unserem eigenen Tun getrennt sind, tragen wir zu unserer eigenen Unterwerfung bei. Als ArbeiterInnen reproduzieren wir das Kapital, das uns unterwirft. Als Lehrende an der Universität spielen wir eine aktive Rolle in der Identifikation der Gesellschaft, in der Transformation des Tuns in das Sein. Wenn wir definieren, klassifizieren und quantifizieren oder wenn wir die Ansicht vertreten, dass das Ziel der Sozialwissenschaften sei, die Gesellschaft so zu verstehen wie sie ist oder wenn wir die Gesellschaft objektiv studieren wollen – als wenn sie ein von uns getrenntes Objekt wäre -, dann nehmen wir aktiv an der Negation des Tun teil durch die Trennung von Subjekt und Objekt, durch die Aufspaltung von Schaffendem und Geschaffenem.

8. Es gibt kein symmetrisches Verhältnis zwischen kreativer und instrumenteller Macht

Instrumentelle Macht ist die Unterbrechung und Negation des Tuns. Es ist die aktive und immer wieder stattfindende Negation des Handlungsflusses, von uns selbst, die wir uns ja über das gesellschaftliche Handeln konstituieren. Zu meinen, dass die Eroberung der instrumentellen Macht zur Emanzipation dessen führen könne, was sie negiert, ist absurd.

Die kreative Macht ist gesellschaftlich. Es ist die Konstitution von uns selbst, die Praxis der gegenseitigen Anerkennung der Würde. Die Bewegung der kreativen Macht gegen die instrumentelle Macht kann nicht als Gegen-Macht verstanden werden (denn der Terminus suggeriert eine Symmetrie zwischen Macht und Gegenmacht), sondern als Anti-Macht (dieser Terminus beinhaltet für mich die vollständige Asymmetrie zwischen der Macht und unseren Kämpfen).

9. Anscheinend durchdringt uns die instrumentelle Macht derart stark, dass als einzige Lösung eine Intervention von außen möglich scheint. Das ist aber keine Lösung.

Es ist nicht schwer hinsichtlich der gegenwärtigen Gesellschaft zu sehr pessimistischen Schlussfolgerungen zu kommen. Die Ungerechtigkeiten, Gewalt und Ausbeutung sind so offensichtlich, dass kein Ausweg möglich scheint. Die instrumentelle Macht scheint jeden Aspekt unseres Lebens derart stark zu durchdringen, dass die Vorstellung “revolutionärer Massen” schwierig ist. In der Vergangenheit führte die weitgehende Durchdringung kapitalistischer Herrschaft vielen zu der Einschätzung, dass die Lösung in der Führung einer avantgardistischen Partei gesehen werden müsste. Tatsächlich war das aber überhaupt keine Lösung, denn damit wurde die eine Form instrumenteller Macht durch eine andere ersetzt.

Die einfachste Antwort ist pessimistische Desillusionierung. Der anfangs erwähnte Wutschrei gegen den Horror des Kapitalismus wird zwar nicht aufgegeben, aber wir lernen damit zu leben. Wir verwandeln uns zwar nicht in Anhänger des Kapitalismus, aber wir akzeptieren, dass man ohnehin nichts zu kann. Die Desillusionierung beinhaltet, in die Identifikation zu fallen, zu akzeptieren, dass das was ist, ist. Beinhaltet schließlich an der Trennung von Schaffen und Geschaffenen teilzuhaben.

10. Die einzige Form, den offensichtlich durch Macht geschlossenen Zirkel aufzubrechen besteht darin zu sehen, dass die Veränderung der kreativen Macht in instrumentelle Macht ein Prozess ist, der notwendigerweise sein Gegenteil in sich trägt:

Die Fetischisierung beinhaltet die Anti-Fetischisierung. In der Regel wird Entfremdung (Fetischismus, Verdinglichung, Disziplin, Identifikation etc.) diskutiert, als würde es sich dabei um vollendete Tatsachen handeln. Von den kapitalistischen Formen sozialer Verhältnisse wird so gesprochen, als wenn sie zu Beginn des Kapitalismus entstanden wären und solange existierten bis dieser durch eine andere Produktionsweise ersetzt wird. Mit anderen Worten erfolgt eine Trennung von Entstehung und Existenz: Die Entstehung des Kapitalismus wird in die Vergangenheit verlegt und man nimmt an, dass seine heutige Existenz stabil sei. Diese Sichtweise führt notwendig zum Pessimismus.

Wenn wir jedoch die Trennung von Tun und Getanem (Schaffen und Geschaffenem) nicht als etwas Endgültiges betrachten, sondern als einen Prozess, beginnt sich die Welt zu öffnen. Schon die Tatsache, dass wir von Entfremdung sprechen, bedeutet, dass die Entfremdung nicht total sein kann. Versteht man Trennung, Entfremdung etc. als Prozess, dann bedeutet das, dass die weitere Entwicklung nicht vorherbestimmt ist, dass die Transformation der kreativen in instrumentelle Macht immer offen ist, immer in Frage gestellt. Ein Prozess beinhaltet eine Bewegung der Entstehung, bedeutet, dass das was geschieht (Entfremdung), immer ist und gleichzeitig nicht ist. Entfremdung ist also eine Bewegung gegen die eigene Negation, gegen die Anti-Entfremdung. Die Existenz der instrumentellen Macht impliziert die Existenz der Anti-instrumentellen Macht oder – in andern Worten – die Emanzipationsbewegung von der instrumentellen Macht.

Was in Form seiner Negation existiert, was durch das Negiert-werden existiert, existiert wirklich, trotz seiner Negation, als Negation des Prozesses der Negation. Der Kapitalismus basiert auf der Negation der kreativen Macht, der Kreativität, der Würde: aber das bedeutet nicht, dass diese nicht existieren. Die Zapatistas haben gezeigt, dass die Würde trotz ihrer Negation existiert. Sie existiert nicht nur, sondern sie existiert in der einzigen Form, in der sie in dieser Gesellschaft existieren kann: Als Kampf gegen die eigene Negation. Auch kreative Macht existiert nicht als eine Insel im Meer instrumenteller Macht, sondern als einzig mögliche Form: Als Kampf gegen ihre eigene Negation. Auch Freiheit besteht nicht, wie uns die Liberalen glauben machen wollen, als etwas Unabhängiges von den gesellschaftlichen Antagonismen, sondern als einzig mögliche Form in einer von Herrschaftsverhältnissen durchzogenen Gesellschaft: Als Kampf gegen diese Herrschaft. Die reale und materielle Existenz dessen, was in Form seiner eigenen Negation existiert, bildet die Basis der Hoffnung.

11. Die Möglichkeit einer radikalen Veränderung der Gesellschaft hängt von der materiellen Kraft ab des Negierten ab

Die materielle Kraft des Negierten kann man auf verschiedene Art betrachten. Zum einen kann man sie in der Unendlichkeit der Kämpfe sehen, die nicht den Machtgewinn über andere zum Ziel haben, sondern lediglich die Kraft unserer kreativen Macht, unseres Widerstandes gegen die Herrschaft über andere. Diese Kämpfe nehmen verschiedene Formen an, von der offenen Rebellion bis zu Kämpfen, um die Kontrolle über den Arbeitsprozess oder Zugang zu Bildung oder Gesundheitsdiensten zu erlangen oder zu verteidigen. Oder als Bekräftigung der fragmentierten und häufig lautlosen Würde innerhalb des Haushaltes. Der Kampf um Würde – um das, was in der gegenwärtigen Gesellschaft negiert wird – kann auch an vielen Formen beobachtet werden, die nicht eindeutig politisch sind: In der Literatur, in der Musik, in den Märchen. Der Kampf gegen die Unmenschlichkeit ist allgegenwärtig, er ist unserer eigenen Existenz als menschliche Wesen eingeschrieben.

Zweitens kann man die Kraft des Negierten in der Abhängigkeit der instrumentellen Macht von dem, was es negiert, sehen. Die Mächtigen, deren kreative Macht in der Fähigkeit besteht, anderen zu sagen, was sie zu tun haben, sind immer in ihrer Existenz vom Tun der anderen abhängig. Die ganze Geschichte der Herrschaft kann als Kampf der Mächtigen verstanden werden, sich aus ihrer Abhängigkeit von den Ohnmächtigen zu befreien. Der Übergang vom Feudalismus zum Kapitalismus kann nicht nur als Kampf der Knechte gesehen werden, wo diese sich von den Herren befreien, sondern als Kampf der Herren, um sich von den Knechten zu befreien, indem sie ihre Macht in Geld und damit Kapital verwandelt haben. Dieselbe Suche nach Freiheit gegenüber den ArbeiterInnen kann in der Einführung von Maschinen gesehen werden, oder in der massiven Umwandlung von produktivem Kapital in Geld, was im gegenwärtigen Kapitalismus eine derart wichtige Rolle spielt. In jedem Fall ist die Flucht der Mächtigen vor den Schaffenden vergebens. Es gibt keine andere Möglichkeit als dass instrumentelle Macht aus der Umwandlung der kreativen Macht besteht. Die Mächtigen können sich aus ihrer Abhängigkeit von den Ohnmächtigen nicht befreien.

Diese Abhängigkeit äußert sich drittens in der Instabilität der Mächtigen, in der Tendenz des Kapitals zur Krise. Die Flucht des Kapitals vor der Arbeit, indem die ArbeiterInnen durch Maschinen ersetzt werden und Kapital in Geld verwandelt wird, konfrontiert das Kapital mit seiner letztendlichen Abhängigkeit von der Arbeit (d.h. von seiner Fähigkeit, das menschliche Tun in abstrakte Arbeit zu verwandeln, in Werte schaffende), was sich im Rückgang der Gewinne zeigt. In der Krise zeigt sich die Kraft dessen, was das Kapital negiert, d.h. der nicht untergeordneten kreativen Macht.

12. Die Revolution ist dringend, aber ungewiss. Keine Antwort, sondern eine Frage

Die orthodox-marxistischen Theorien suchten die Gewissheit auf der Seite der Revolution. Dies geschah mit dem Argument, dass die historische Entwicklung unvermeidlich zur Entstehung der kommunistischen Gesellschaft führen würde. Dieser Versuch war ein vollständiger Irrtum, weil es keine Sicherheit bei der Schaffung einer selbstbestimmten Gesellschaft geben kann. Gewissheit kann man in der Vereinheitlichung der Zeit finden, in der Festschreibung des Tuns im Sein. Selbstbestimmung ist notwendigerweise ungewiss. Der Tod der alten Gewissheiten stellt eine Befreiung dar. Aus denselben Gründen kann die Revolution nicht als Antwort verstanden werden, sondern nur als Frage, als eine Suchbewegung hin zur Realisierung der Würde. Preguntando caminamos (fragend gehen wir voran).

Übersetzung Ulrich Brand; Bearbeitung: Eva Hartman