Transformation hin zu einem lustvollen Sozialismus 2.0

Bei der Suche nach neuen Formen gesellschaftlicher Demokratie ist die Rosa-Luxemburg-Stiftung ganz besonders gefragt

von Katja Kipping und Bernd Riexinger

Die lange Zeit anachronistisch klingende Alternative Rosa Luxemburgs – »Sozialismus oder Barbarei« – drängt sich der Linken angesichts gesellschaftlicher Brutalisierungstendenzen und der innerhalb des Kapitalismus entstandenen und blockierten Möglichkeiten gesellschaftlicher Emanzipation neu auf: sozialistische Demokratie oder postdemokratischer Krisenkapitalismus?

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung arbeitet seit 25 Jahren an der Herausbildung einer Grundströmung des demokratischen Sozialismus. Allein das ist in Deutschland angesichts der verheerenden Nachwirkungen des Nationalsozialismus, aber auch des Erbes des Antikommunismus im Westen und des Demokratiemangels des realen Sozialismus in der DDR, ein Grund zu feiern. Für die neoliberalen und rechtskonservativen Teile der Elite ist die Etablierung einer demokratisch-sozialistischen Stiftung weiter ein Dorn im Auge. Umso mehr ist den vielen engagierten Wegbereiterinnen und Wegbereitern zu danken, die die Stiftung über die Jahre beharrlich aufgebaut und gestärkt haben!

Vor dem Hintergrund der weitreichenden Verdrängung kritischer Wissenschaft aus den Hochschulen und der Dominanz neoliberaler Ideologie in den Medien kann die Bedeutung eines Akteurs, der kritische Wissenschaft betreibt und fördert, neue Generationen kritischer WissenschaftlerInnen unterstützt und Räume für emanzipatorische Bildungs- und Lernprozesse schafft, nicht hoch genug geschätzt werden.

Angesichts der gesellschaftlichen Verwerfungen in der Vielfachkrise des Finanzmarktkapitalismus stehen wir als sozialistische und emanzipatorische Linke vor großen Herausforderungen: zunehmende Prekarisierung und gesellschaftliche Spaltung, Klimakrise, Kriege und Migrationsbewegungen, Tendenzen autoritärer Zerstörung der Demokratie im Europa der Austerität und Gefahren des Aufstieges rechtspopulistischer Kräfte.

Der Rosa-Luxemburg-Stiftung kommt daher in den nächsten Jahren eine besondere Bedeutung und Verantwortung zu. Denn gerade im Herzen des neoliberalen Kapitalismus in Europa braucht die Linke »kollektive Intellektuelle« im Sinne Antonio Gramscis, die das Feld der gesellschaftlichen Linken mit organisierenden und verbindenden Perspektiven stärken – damit in der Pluralität gemeinsame Strategieentwicklung, Arbeit an Alternativen und Initiativen möglich werden. In den letzten Jahren hat die Rosa-Luxemburg-Stiftung viel zu dieser Entwicklung gemeinsamer Strategie- und Handlungsfähigkeit einer pluralen »Mosaik«Linken beigetragen.

Die Tendenzen autoritärer Transformation erfordern es, nicht nur die pluralen demokratischen Kräfte zu unterstützen, sondern auch neue Formen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Demokratie zu entwickeln und durchzusetzen. Den verschränkten Krisenprozessen kann nur in globaler Perspektive und in neuen Formen grenzüberschreitender Demokratie begegnet werden. Demokratische Politik, die sich selbst ernst nimmt, muss heute auf eine Transformation der politischen und ökonomischen Formen, auf eine Exit-Strategie aus dem Krisenkapitalismus zielen. Es braucht also mehr denn je »sozialistische Transformationsforschung«, um gesellschaftliche Kräfteverhältnisse zu analysieren und die Diskussionen um ein linkes Transformationsprojekt, einen demokratischen, ökologischen, feministischen und lustvollen Sozialismus 2.0, weiterzuentwickeln.

Auf dem Weg zur »kommenden Demokratie« sind widerständige Alltagspraxen, kritische Wissenschaft und Gegen-Öffentlichkeiten ebenso zu unterstützen wie die Arbeit in Gewerkschaften und feministischen Initiativen, in sozialen Bewegungen und linken Parteien. In diesem Sinne ist die Arbeit der Rosa-Luxemburg-Stiftung in der Gesamtheit und Vielfältigkeit ihrer Aktivitäten eine Hoffnung für die Herausbildung einer gesellschaftlich stärker werdenden Strömung eines erneuerten demokratischen Sozialismus. Auch als Partei DIE LINKE sind wir auf eine Stärkung der »sozialistischen Transformationsforschung«, der politischen Bildung und der Arbeit an »konkreten Utopien« (Bloch) angewiesen.

Ganz im Sinne von Rosa Luxemburgs »revolutionärer Realpolitik«, der Verbindung von Tageskämpfen und sozialistischer Perspektive, haben die Arbeitszusammenhänge der Stiftung in den letzten Jahren die Diskussion um emanzipatorische und sozialistische Politik belebt und das Wissen um Alternativen verbreitet: von demokratisierender Kommunalpolitik und kostenfreiem Nahverkehr über Energiedemokratie und solidarische Ökonomie bis hin zu Perspektiven der Care-Ökonomie, Wirtschaftsdemokratie und eines »grünen« und feministischen Sozialismus. Dafür verdienen die vielen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und ehrenamtlich engagierten Genoss_innen unseren Dank und unsere Unterstützung für die Arbeit in den nächsten 25 Jahren!

Katja Kipping ist Ko-Vorsitzende der Partei DIE LINKE. Die Slawistin ist Mitglied des Deutschen Bundestags und gehört der Rosa- Luxemburg-Stiftung an.

Bernd Riexinger ist Ko-Vorsitzender der Partei DIE LINKE. Der gelernte Bankkaufmann war Geschäftsführer des Bezirks Stuttgart der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und ist Mitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung.