«Ohne uns steht die Welt still.» Das war der Slogan, unter dem mehrere Millionen Frauen am 8. März 2018 in Spanien in den Generalstreik traten. Der Streik gab Ihnen die Möglichkeit, verschiedene Themen zu diskutieren und sich zu organisieren: Arbeit, Pflege, Konsum.
Keine andere soziale Bewegung von links hat in den letzten Jahren weltweit so erfolgreich protestiert und sich gegen patriarchale Strukturen gestemmt wie die feministische Bewegung.
Die Gründe sind vielfältig und von Land zu Land verschieden. Dennoch gibt es eine europäische Gemeinsamkeit: Mit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007, die sich später zur Eurokrise ausweitete, verschrieben sich viele Länder einer absoluten Austeritätspolitik.
In Südeuropa und Irland waren es hauptsächlich die Europäische Union und der internationale Währungsfonds, die das Sparen diktierten. In Osteuropa war es der Erfolgsdruck der neuen Mitgliedsländer gegenüber der EU und eine gewünschte schnelle Integration in den europäischen Wirtschaftsmarkt, die die Regierungen Sparhaushalte aushandeln ließ.
EU-Beitrittskandidaten wie Serbien und EU-Nachbarländer wie die Ukraine unterwarfen sich in vorauseilendem Gehorsam der EU und ihren Forderungen, um den Beitrittsfortschritt und die Annäherung nicht zu gefährden.
Wie auch immer — das Mantra des Sparens zu Gunsten eines ausgeglichenen Haushaltes, besserer Wettbewerbsfähigkeit und der Schuldenvermeidung hat verheerende Auswirkungen auf die Arbeits- und Lebensbedingungen von Frauen sowie auch generell auf die Geschlechterbeziehungen.
In den von der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Auftrag gegebenen Länderstudien zu den Auswirkungen der Austeritätspolitik auf Frauen wird genau dies auch untersucht.
Unter dem Titel «Austerity, Gender Inequality and Feminism after the Crisis» haben die Autorinnen nicht nur Daten zur Beschäftigung und zum Einkommen von Frauen ausgewertet, sondern auch insbesondere Sparmaßnahmen, die direkt die Gleichstellung betrafen, unter die Lupe genommen, sowie Gesetzesänderungen und Neuregelungen dahingehend untersucht.
Wie wirkt sich Sparpolitik auf Geschlechterrollen in der Familie aus? Wer übernimmt Erziehung und Pflege von jung und alt, wenn der Staat keine Unterstützung mehr bietet? Was heißt es, wenn Gleichstellungsbeauftragte gleichzeitig mit dazugehörigen Förderprogrammen weggespart werden? Wo bleiben Frauen, wenn es keine Zufluchtsstätten für Opfer häuslicher Gewalt gibt? Wer bringt die ungewollten Kinder durchs Leben, wenn Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr erlaubt sind?
Die Studien zeigen eine Topografie dessen, welche Auswirkungen das Spardiktat in Europa auf Geschlechterverhältnisse hat und formulieren Forderungen einer linken feministischen Politik, die auf sozialer Gerechtigkeit und einer Gleichstellung der Geschlechter basiert.
Lesen Sie dazu den Hintergrundartikel von Elsa Koester in «der Freitag», Ausgabe 26/2018: «Küche, Kinder, Krise»
In der selben Ausgabe findet sich ein Interview mit der Autorin der Studie zu Deutschland, Alex Wischnewski: «Die Sehnsucht nach dem Kümmern»
Neben einer deutschen Studie liegen weitere Studien in englischer Sprache aus Griechenland, Spanien, Irland, der Ukraine vor. Studien zu Kroatien, Russland, Polen und Litauen folgen in Kürze.
- Griechenland:
The gendered aspects of the austerity regime in Greece: 2010 – 2017
Aliki Kosyfologou - Spanien:
Economic Boom, Recession and Recovery in Spain: The Permanent Care Crisis and its Effects on Gender Equality. The Search for Feminist Alternatives.
Inés Campillo Poza - Ukraine:
Crisis, War and Austerity: Devaluation of Female Labor and Retreating of the State.
Oksana Dutchak - Deutschland:
Wer ist hier «Krisengewinner»? Auswirkungen von neoliberalem Staatsumbau und politischem Rechtsruck auf das Leben von Frauen in Deutschland.
Alex Wischnewski - Irland:
Irish Feminist Approaches against Austerity Regimes
Mary P. Murphy and Pauline Cullen - Russland:
«Should women have more rights?» Traditional Values and Austerity
in Russia
Marianna Muravyeva - Kroatien:
«Death by a Thousand Cuts» - Impact of Austerity Measures on Women in Croatia
Marija Ćaćić and Dora Levačić -
Litauen:
Austerity Policies in Lithuania - Austerity, Gender Inequality and Feminism after the Crisis in Lithuania
Severija Bielskytė and Jolanta Bielskienė -
Polen:
Unsatisfactory Success and Hidden Austerity Policies. Feminist Approaches to the Austerity Paradigm.
Agata Czarnacka
Interviews mit Autorinnen
«Wenn der Gürtel nicht mehr enger geht»
Austeritätspolitik in Europa und ihr Einfluss auf das Leben von Frauen — Eine Spurensuche in den Ländern des Kontinents. Die Vorstellung der Länderstudien wird begleitet von Interviews mit den jeweiligen Autorinnen.