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Miriam Tödter und Axel Grafmanns von «Wir packen‘s an e.V.» über die Kraft der Solidarität

Miriam Tödter von «Wir packen's an e. V.»
«Ja, wir sind ein humanitärer Sammelverein, aber nicht nur. Von Anfang an war uns ebenso wichtig, dass sich die deutsche und europäische Asyl- und Migrationspolitik verändert, dass diese menschenunwürdigen Lager evakuiert werden, dass Menschen, die aus welchen Gründen auch immer ihre Heimat, ihre Familie und Freunde verlassen müssen und in Europa Schutz suchen, diesen Schutz auch erhalten – und eine menschenwürdige Perspektive.» Miriam Tödter von «Wir packen's an e.V.»

Rosa-Luxemburg-Stiftung: Miriam, du bist Gründungsmitglied des Vereins «Wir packen’s an», ihr sammelt in Berlin und Brandenburg Spenden und verteilt sie an die Menschen in den Flüchtlingslagern. Wie seid ihr dazu gekommen?

Miriam Tödter: Zwischen Weihnachten und Neujahr 2019/2020 waren zum ersten Mal seit langem die erschütternden Bilder aus den Geflüchtetenlagern auf den griechischen Inseln mal wieder in den deutschen Medien präsent. Es war der Beginn der aktuellen Debatte, Kinder aus diesen Lagern nach Deutschland zu holen. Diese Elendsbilder im Weihnachtswohnzimmer, eine Frau mit neugeborenem Kind im Schlamm, waren der Auslöser für die sehr spontane Idee, einen Truck mit warmer Kleidung, Decken, Zelten und Schlafsäcken nach Samos zu schicken, denn dort war das NGO Lagerhaus für Hilfgüter gerade abgebrannt. Unser Freund Andreas besitzt ein Lagerhaus in Bad Freienwalde, und dort startete unsere Sammelaktion. Am Anfang waren wir eher besorgt, ob wir überhaupt genug Sachspenden für einen Truck zusammen bekommen würden – Ost-Brandenburg ist da ja kein einfaches Pflaster. Axel und ich richteten dann unser Wohnzimmer als Berliner Sammelstelle ein, und starteten einen privaten Aufruf auf Facebook mit dem Hashtag #machtdentruckvoll – und der ging binnen weniger Tage durch die Decke. 900 Mal geteilt, von Radiosendern und Zeitungen in Berlin aufgegriffen, war unser Wohnzimmer bald zu klein. Spontan meldeten sich weitere Berliner Sammelstellen, großteils im Osten Berlins, z.B. die Zionskirche und ein Kulturzentrum in Oberschöneweide. In Märkisch-Oderland wurde von der MOZ und dem rbb-Regionalstudio ausgiebig über unsere Sammelaktion berichtet. An manchen Tagen kamen 100 Autos mit Sachspenden bei unserem Lagerhaus in Bad Freienwalde an. Ein alter Mann, der mit vollem Auto bei uns vorfuhr, ist mir besonders im Gedächtnis, denn er erzählte uns: «Meine Familie, das sind alles Nazis. Ich habe heimlich für Euch gesammelt.» Am Ende haben wir dann viereinhalb 40-Tonner-Trucks mit Hilfsgütern nach Samos, Lesbos, Chios und Thessaloniki geschickt.

Miriam Tödter ist Mitgründerin und Stellvertretende Vorsitzende des Nothilfe-Vereins «Wir packen‘s an». Nachdem der Verein aus Berlin-Brandenburg 17.000 Euro an Spendengeldern innerhalb einer Woche eingenommen hat, wird die Hilfe nun schnell und effektiv für die Geflüchteten nach dem Brand in Moria eingesetzt.

Der Geschäftsführende Vorstand des Vereins, Axel Grafmanns, ist seit dem 17. September in Lesbos, um die Hilfe zu koordinieren und die Lage für weitere Hilfsaktionen zu sondieren.

Für Interviewanfragen per Skype, Zoom oder Telefon direkt aus Lesbos oder Bildmaterial kontaktieren Sie: Axel Grafmanns +49 176 34116153, axel.grafmanns@wir-packens-an.info

Am Anfang waren wir zu Dritt, doch im Laufe der Aktion wurden wir mehr aktive Menschen, die nicht nur gespendet haben sondern sich auch engagiert am Sammeln, Sortieren und Packen beteiligt haben. Und als im Februar der letzte Truck vom Hof gerollt ist, wollten wir nicht einfach aufhören. Also haben wir Ende Februar mit neun Menschen den gemeinnützigen Verein «Wir packen's an e.V.» gegründet, um unserer Initiative einen formalen Rahmen zu geben und – ganz prosaisch – in der Lage zu sein, auch Geldspenden für Transportkosten und ähnliches zu sammeln.

Das klingt jetzt so, als seien wir ein rein humanitärer Sammelverein. Das sind wir auch – aber nicht nur. Von Anfang an war uns Dreien mindestens ebenso wichtig, dass sich die deutsche und europäische Asyl- und Migrationspolitik verändert, dass diese menschenunwürdigen Lager evakuiert werden, dass Menschen, die auf Grund von deutscher und europäischer Wirtschafts- und Klimapolitik ihre Heimat verlassen müssen und in Europa Schutz suchen, diesen Schutz auch erhalten und eine menschenwürdige Perspektive. Wir drei waren bereits vorher in verschiedenen zivilen Seenotrettungsorganisationen aktiv, ich selbst bin seit fast 30 Jahren politisch engagiert – wir wollen nicht nur humanitäre «Pflaster» aufkleben, wir wollen die fürchterliche Situation verändern die dazu führt, dass ständig neue Pflaster gebraucht werden.

Wohin sind die Spenden in den vergangenen Jahren gegangen und was habt ihr dort über die Situation der Menschen erfahren?

Es gibt uns ja erst seit einem dreiviertel Jahr, als eingetragenen Verein sogar erst seit guten sechs Monaten ... Seit Januar diesen Jahres haben wir acht Trucks mit Hilfsgütern und in der Corona-Hochphase unzählige einzelne Pakete an unsere Partnerorganisationen auf den Ägäis-Inseln Chios, Samos und Lesbos sowie auf dem griechischen Festland in Thessaloniki und Patras geschickt. Wir arbeiten grundsätzlich mit Partnerorganisationen vor Ort zusammen, die dort schon lange engagiert sind und eine verbindliche und transparente Hilfsarbeit leisten. Wir wollen das Rad nicht neu erfinden, sondern vorhandene, bewährte Strukturen unterstützen, zu denen die geflüchteten Menschen in den Lagern oder auf der Straße Vertrauen aufgebaut haben. Auf Chios haben wir gemeinsam mit einer baskischen Hilfsorganisation eine Corona-Isolierstation im Lager Vial aufgebaut und sie mit Schutzausrüstung, Bahandlungsmaterial und Medikamenten versorgt. Ebenfalls nach Chios konnten wir 142 gespendete Fahrräder liefern, die von einer anderen Partnerorganisation an Menschen aus dem Lager verteilt wurden. Als wegen des Corona-Lockdowns keine öffentlichen Verteilaktionen mit Kleidung und Hygieneartikeln mehr stattfinden durften, hat eine dritte Partnerorganisation von uns in Windeseile einen Umsonstladen in der Nähe des Lagers aufgebaut, in dem Menschen aus dem Lager sich unter Einhaltung der Hygienebestimmungen Kleidung und Hygieneartikel abholen konnten. Chios war in den vergangenen Monaten unser Schwerpunkt, wir haben jedoch auch andere Hotspots versogt. Als im Frühjahr auf Samos das Lager brannte und ca. 500 Familien ihre Unterkünfte und ihr letztes Hab und Gut verloren, haben wir Zelte, Schlafsäcke und Iso-Matten zu unserer Partnerorganisation auf Samos geschickt. Auf dem griechischen Festland leben viele Geflüchtete auf der Straße, es gibt keinerlei Versorgung für sie. Deshalb haben wir in der Hafenstadt Patras gemeinsam mit einem lokalen Partner dezentrale Kochstellen eingerichtet, Lebensmittel geliefert und Waschmaschinen, um den Menschen eine Möglichkeit zu geben, sich selbst zu versorgen.

Wir erhalten ständig Informationen von unseren lokalen Partnern über die Situation der geflüchteten Menschen, es ist uns aber auch ausgesprochen wichtig, uns auch einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Das ist auch für unsere politische Arbeit hier in Deutschland wichtig, denn ich kann ganz anders über die unhaltbaren Zustände in den Lagern und warum sie aufgelöst werden müssen reden und schreiben, wenn ich sie selbst gesehen habe. Daher war ich selbst bereits zweimal auf Chios, dort auch mit im Hilfseinsatz mit einem unserer Partner, Axel war im Januar in Thessaloniki und ist jetzt auf Lesbos. Als ich im August auf Chios war, haben wir uns dort auch mit Menschen aus den verschiedenen Communities aus dem Lager getroffen, die uns über die Situation berichtet haben und uns Botschaften für die deutsche Öffentlichkeit mitgegeben haben.

Die Situation ist fürchterlich, menschenunwürdig, unerträglich. Die Menschen müssen bis zu zwei Jahren in fünffach überbelegten Lager ausharren, großteils ohne fließend Wasser, ohne Toiletten, ohne Beleuchtung, ohne elektrischen Strom, in selbstgezimmerten Behausungen aus Bambusstäben, Planen, Bindfaden, Paletten. Im Sommer ist es unerträglich heiß, bis zu 50 Grad in diesen Behausungen, kein Schatten weit und breit, und im Winter fegen Sturm und Regen über die Ägäisinseln, die Lager versinken im Schlamm, in den sich die offene Kloake mischt, nachts wird es unter Null Grad. Kleine Kinder spielen zwischen menschlichen Kothaufen, erwachsene Frauen tragen nachts Windeln, um nicht aus dem Zelt in die Finsternis zu müssen, überall wimmelt es von Ratten, Rattenbisse sind eine der häufigsten Verletzungen. Hautkrankheiten wie Krätze grassieren, hygienische Maßnahmen sind so gut wie unmöglich, die mangelhafte medizinische Versorgung wird von kleinen NGOs mit Freiwilligen geleistet und reicht hinten und vorne nicht.

Das ist es, was wir über die Situation der Menschen in den Lagern erfahren, was wir selbst mit eigenen Augen gesehen haben. Wenn du dich zum Beispiel dem Lager Vial auf Chios näherst, dann riechst du es noch bevor du es erreicht hast. Im Sommer ist der süßlich-beißende Gestank schlimmer, im Winter watest du durch stellenweise knietiefen stinkenden Schlamm. Für uns schon nach einer Stunde kaum mehr ertäglich – die Meschen im Lager müssen das bis zu zwei Jahre lang ertragen.

Wie erlebst du die Bereitschaft der Berliner*innen und Brandenburger*innen, sich für Geflüchtete einzusetzen?

Die Unterstüützung der Menschen in Berlin und Brandenburg für unsere Hilfsaktionen ist überwältigend! Sei es unsere Sammelaktion Anfang des Jahres, unser Aufruf für Corona-Hilfe für das Lager Vial auf Chios oder unsere Spendenaktion jetzt für die Menschen aus Moria – die Resonanz ist wirklich überwältigend. Viele, viele einzelne Menschen, die das ihnen Mögliche beitragen wollen: Geld, Sachspenden, mit anpacken, eigene Sammelaktionen machen. DIE LINKE Märkisch-Oderland und die Evangelische Kirche Barnim, das linke Jugendzentrum Horte aus Strausberg und Freiwillige Feuerwehren aus MOL, Zionskirche und Junge Piraten, das Frauenzentrum Paula Panke und eine dm-Drogerie-Filiale in Steglitz, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Ganz viele unterschiedliche Menschen und Organisationen, die sich auf ihre Art beteiligen. Übrigens auch über unsere Region hinaus: Unsere über 45 Mitglieder sind von Fehmarn bis Naumburg, von Dortmund bis Ost-Brandenburg im ganzen Land verteilt, in Herzogenaurauch und Erlangen gibt es Unterstützungsinitiativen für uns. Mit unserer zentralen Forderung «Evakuiert die Lager, holt die Menschen her!» sind wir bisher auch nur auf wenig Widerspruch gestoßen, was uns sehr freut. Denn für uns gehört beides untrennbar zusammen: Humanitäre Nothilfe für Menschen auf der Flucht leisten, wo sie gebraucht wird, und gleichzeitig alles dafür tun, dass unsere Hilfe nicht mehr gebraucht wird, weil Geflüchtete in Europa ein sicheres, menschenwürdigens Leben führen können.

Was muss jetzt passieren auf deutscher und europäischer Ebene?

Die Menschen aus Moria dürfen nicht in eine neues Zeltlager ein paar Meter weiter gesperrt werden. Es geht uns auch nicht darum, ob das neue Lager ein bißchen besser oder ein bisschen schlechter ist. Die Leute müssen endlich aus dieser Hölle rausgeholt werden, und zwar sofort! 13.000 Menschen in Deutschland unterzubringen müsste doch ein Leichtes sein. Das Gleiche gilt für die Menschen in den menschenunwürdigen Lagern auf den anderen griechischen Inseln. Die Lager müssen evakuiert und geschlossen werden, die Menschen müssen in andere europäische Länder geholt werden. Und warum nicht auch nach Deutschland? Wir haben nun wirklich genug Platz. Durch das Netzwerk der Städte und Gemeinden, die sich zu sicheren Häfen erklärt haben, könnten 30.000 Menschen sofort aufgenommen werden – in den Lagern auf den griechischen Inseln vegetieren aktuell ca. 23.000 Menschen vor sich hin. Die Länderprogramme von Thüringen und Berlin sind da Schritte in die richtige Richtung, und müssten unbedingt auch von anderen Bundesländern übernommen werden, zum Beispiel von Brandenburg, wie der Flüchtlingsrat Brandenburg völlig richtig fordert. Bei Nordstream 2 wartet die Bundesregierung ja auch nicht auf eine europäische Einigung – warum also bei dieser humanitären Katastophe?

Axel Grafmanns und Miriam Toedter
Axel Grafmanns und Miriam Toedter bei der Auslieferung gesammelter Spenden in Greichenland.

Die Frage, ob Flucht berechtigt ist oder nicht, lässt sich nur mit einer rassistischen Einstellung verneinen.

Axel Grafmanns

Rosa-Luxemburg-Stiftung: Axel, du bist in diesem Moment in Moria und organisierst vor Ort die Verteilung der Spenden. Kannst du kurz skizzieren, wie das abläuft und wie ist dein Eindruck von der Situation vor Ort?

Axel Grafmanns: Die letzten zwei Tage wurden die Menschen in ein Internierungslager getrieben, nachdem man vorher auf sie mit Tränengas geschossen hatte, darunter viele Kinder. Den Hilfsorganisationen ist unter Strafandrohung untersagt worden, Essen oder andere Hilfsgüter auszugeben. Am Ende hatten die Reisenden keine Wahl. Im neuen Lager gibt es 35 Toiletten für ca. 12.000 Menschen, an der Wasserversorgung wird gebaut. Das Lager befindet sich direkt am Meer. Bei dem nächsten Unwetter werden die Zelte unterspült werden und es ist zu befürchten, dass sich Verhältnisse wie in Moria wiederholen.

Die griechische Regierung behauptet, es wäre nur ein provisorisches Lager, aber das wurde bei Moria auch schon gesagt. Sind die Menschen einmal in dem Lager drin, kommen sie unter dem Vorwand eines Covid 19 Lockdowns nicht mehr raus. Das ist ein Bruch des Völkerrechts. Menschen dürfen nicht gegen ihren Willen in Internierungslager eingesperrt werden. Die Maßnahme ist auch gesundheitlich nicht sinnvoll, da der Lockdown ausschließlich für das neue Lager gilt, während das Leben in Mytilini in den Bars, Kneipen und am Strand tobt. Für mich ist das Rassismus.

Unter den lokalen NGOs ist ein Diskurs ausgebrochen, in wie weit sich in dem neuen Lager engagiert werden sollte. Es geht hier um die Frage: Was sind die Grenzen humanitärer Hilfe? Wir erleben einen neuen Tiefpunkt europäischer Flüchtlingspolitik.

Du warst früher bei Seawatch in der Seenotrettung tätig und kennst die Not der Menschen aus erster Hand. Was unterscheidet die Lage heute in Moria von früheren Erlebnissen, die du in der Flüchtlingshilfe hattest?

Im Mittelmeer war die Not existenzieller. Es ging um die akute Frage: Können wir Leben jetzt retten oder nicht. Ein Fehler, und hunderte Menschen sterben, sofort in dem Moment. Das Sterben und Leiden in den Lagern ist leiser. Es ist aber nicht weniger schwierig auszuhalten und ist nicht weniger grausam. Wieviel Menschen sind durch nicht geleistete Gesundheitsversorgung, schlechtes Essen, zu wenig Wasser, die unhygienischen Bedingungen schon gestorben? Und wo tauchen sie in welcher Statistik auf? Ich würde nicht ein Leid gegen anderes aufrechnen. Es geht um Solidarität, möglichst über NGO-Grenzen und Regionen hinweg. Die nicht klar ausgesprochene Linie der Regierenden in Europa ist das Kriminalisieren von NGOs, und damit verbunden das Hochziehen der Festung Europas. Flucht soll unmöglich gemacht werden. Als ich in der Seenotrettung tätig war, wurde hinter vorgehaltener Hand von offiziellen, staatlichen Stellen oftmals schon das «australische Modell» gepriesen. Das ist jetzt umgesetzt. Menschen werden trotzdem fliehen, wenn sie jede Möglichkeit eines Lebens unter adäquaten Bedingungen verlieren. Die Frage, ob Flucht berechtigt ist oder nicht, lässt sich nur mit einer rassistischen Einstellung verneinen.

Was entgegnest du auf das Argument einer notwendigen «europäischen Lösung», also darauf, dass einzelne Länder den betroffenen Menschen in Moria nicht helfen sollten, ehe sich nicht alle Länder beteiligen?

Die europäische Lösung sehe ich hier in Lesbos, und sie sieht grausam aus. Und sie ist grausam schon seit Jahren. Die Toten im Mittelmeer, die unerträglichen Bedingungen in den Lagern, der Bruch von Völker- und Menschenrechten werden doch von allen EU Ländern mitgetragen, es wäre ein leichtes das zu ändern. Also die europäische «Lösung» gibt es schon, da muss nicht noch eine zusätzliche Blendgranate geworfen werden. Es ist überhaupt darüberhinaus nicht notwendig, dass sich alle Länder einigen. Wenn das Haus meines Nachbarn brennt, und er um Hilfe bittet, dann sage ich auch nicht: «Wir müssen das erst mal im Dorf diskutieren. Wenn wir uns einigen, kannst Du bei uns übernachten, wenn nicht, sieh mal zu».

Ein reiches Land wie Deutschland hat jahrezehntelang von der unsinnigen europäischen Flüchtlingspolitik «profitiert». Länder an den Außengrenzen wie Italien, Spanien oder eben Griechenland wurden allein gelassen mit ihren Migrationsherausforderungen, sicherlich ein Grund für den Aufstieg rechter Parteien in den Ländern. Deutschland ist weltweit Nummer vier bei Rüstungsexporten, betreibt trotz Klimawandel noch ewig Braunkohlekraftwerke und schließt zweifelhafte Handelsverträge ab. Da wäre es nur fair, sich auch bei der Menschlichkeit an vorderster Front zu engagieren, und die Menschen aus den Lagern aufzunehmen. Es braucht keine europäische Lösung, es braucht einen Hauch von Menschlichkeit – das ist alles.

Über 60 Initiativen und Organisationen haben sich dem Aufruf «Es reicht! Wir haben Platz!» angeschlossen, darunter «Wir packen's an e.V.», die Evangelische Kirche Deutschlands, ProAsyl, Migrantifa, Brot für die Welt, die Diakonie, der Paritätische, Seebrücke, Women in Exile, Deutscher Kinderschutzbund, Fridays for Future, Seenotrettungsorganisationen und der RAV. Das Bündnis übt scharfe Kritik an der Politik der Bundesregierung und der Europäischen Union.

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