Analyse | Afrika - China - Die Neuen Seidenstraßen Die neue Seidenstraße: eine Einbahnstraße?

Chinas Kulturhilfe für Afrika ist asymmetrisch, bietet aber eine reale Wachstumschance

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Eine Gruppe Schwarzer Männer macht Kung Fu auf einem öffentlichen Platz. Die meisten tragen rote Hosen und weiße Shirts, ein Mann in der ersten Reihe trägt grau. Die Kleidung sieh chinesisch aus. Alle Männer treten mit dem rechten Bein hoch in die Luft.
Mitglieder des lokalen Dragon Warriors Club machen Kung Fu in der Innenstadt von Dar es Salaam, Tansania, August 2020. Foto: picture alliance / Xinhua News Agency | Xinhua

Kulturdiplomatie ist seit einigen Jahren fundamentaler Bestandteil der chinesisch-afrikanischen Beziehungen, was vor allem darauf zurückzuführen ist, dass China – im Gegensatz zu afrikanischen Ländern – seine Kultur über die eigenen Landesgrenzen hinaus bekannt machen will. Beijing strebt nämlich nicht nur eine aktive Rolle in den zwischenstaatlichen Beziehungen an, sondern möchte auch internationale Normen prägen. Dafür wurde die Darstellung der traditionellen chinesischen Kultur sowohl nach innen als auch nach außen optimiert. Seit die chinesische Regierung 2013 die Belt and Road Initiative (BRI; Neue Seidenstraßen-Initiative) verabschiedet hat, vertieft Beijing den kulturellen Austausch mit Afrika.

Muhidin Shangwe ist Dozent für Internationale Beziehungen am Institut für Politikwissenschaft und öffentliche Verwaltung an der Universität von Dar es Salaam, Tansania.

Als was genau die BRI verstanden werden soll ist sehr umstritten. Doch sie wird gemeinhin als ein Infrastrukturprojekt verstanden, das Asien, Europa, Afrika und Lateinamerika durch den Bau von Straßen, Brücken, Häfen, Flughäfen, Hochspannungsleitungen und Kommunikationsnetzwerken miteinander verbinden soll. In der Werbekampagne für die BRI sollen Elemente der traditionellen chinesischen Kultur ein typisches, «authentisches» Bild von China vermitteln, um Begegnung und Austausch mit anderen Kulturen zu fördern. Insofern ist die BRI nicht bloß ein Infrastrukturprojekt, denn sie ist Teil der größeren Pläne zur nationalen Verjüngung (Chinesischer Traum) und des von Präsident Xi Jinping verfolgten Vorhabens, eine «Schicksalsgemeinschaft der Menschheit» zu bilden.

Seit dem Beginn der BRI hat China verschiedene Formate des Kulturaustausches eingesetzt, zum Beispiel Kunst-, Film- und Musikfestivals, Ausstellungen, Buchmessen, aber auch Radio- und Filmproduktionen oder Fernsehprogramme, die in den letzten Jahren durch Plattformen wie die Silk Road International League of Theatres (2016), die Silk Road International Museum Alliance (2017), das Network of Silk Road Arts Festivals (2017) und die Silk Road International Library Alliance institutionalisiert wurden.

Dadurch fließen mehr Mittel in die Kulturförderung, zum Beispiel in das neue Museum der Schwarzen Zivilisationen und die Nationale Wrestling-Arena in der senegalesischen Hauptstadt Dakar. Auch das Opernhaus in Algier (Algerien) oder der Kulturpalast in Abidjan (Côte d’Ivoire) reihen sich in die Liste der von China geförderten Projekte ein. Daneben gibt es in Afrika zunehmend mehr Konfuzius-Institute: 2010 gab es 25 Institute, 2018 waren es insgesamt 54.

Das Konfuzius-Institut in Tansania wurde in einem Zug mit der gigantischen Universitätsbibliothek in Dar es Salaam gebaut – für insgesamt 41 Millionen US-Dollar. Aufgrund von internationalen Kooperationen im Medienbereich werden immer mehr afrikanische Journalist*innen ausgebildet, während das staatliche Medienhaus Xinhua, die Tageszeitung China Daily, der Sender China Radio International und der Fernsehkanal China Global Television Network (CGTN) zugleich eine auffällige Präsenz auf dem Kontinent zeigen, wo sie Büros und Journalist*innen unterhalten.

Auch im Bildungsbereich gibt es, zumindest vor der COVID-19-Pandemie, eine beeindruckende Vielfalt an Austauschprogrammen. In der Regel handelt es sich um Stipendien der chinesischen Regierung für afrikanische Studierende oder Kooperationen mit lokalen Thinktanks. Gleichzeitig werden chinesische Fernsehserien in afrikanischen Sprachen wie Kiswahili und Hausa übersetzt. Insbesondere der private chinesische Pay-TV-Anbieter StarTimes engagiert sich in diesem Gebiet stark und finanziert den Großteil dieser allesamt in China produzierten Synchronfassungen.

«Innerer Zusammenhalt, Strahlungswirkung nach außen»

Um Chinas Kulturdiplomatie in Afrika zu verstehen, muss man sich anschauen, wie die chinesische Regierung das Konzept von Soft Power begreift, anwendet und umsetzt. Vor allem aber muss Chinas Machtstrategie CNP (Comprehensive National Power) in Betracht gezogen werden, die anders als der Westen insbesondere auf Soft Power und insbesondere Kultur abzielt.

Nach Politikwissenschaftler Joseph Nye gibt es drei primäre Quellen von Soft Power: Kultur, politische Überzeugungen und auswärtige Politik. Chinas Definition von Soft Power schließt hingegen alle Machtquellen abgesehen vom Militär ein. Unter chinesischen Intellektuellen und Politiker*innen nahm die Kultur dabei von Anfang an eine herausragende Rolle ein. Dies liegt wohl daran, dass China nur eingeschränkten Zugang zu anderen Quellen der sogenannten weichen Macht hat, was dazu führt, dass Kultur hier für viele zum Synonym für Soft Power geworden ist.

Die zentrale Rolle der Soft Power (und somit der Kultur) beruht auf ihrem innen- und außenpolitischen Potenzial. Innenpolitisch trägt Soft Power dazu bei, in einem großen Land wie China, in dem 56 ethnische Gruppen leben, einen inneren Zusammenhalt zu schaffen und zu stärken. Außenpolitisch soll Soft Power ein positives Bild von China vermitteln und Beijings Stellung in der Welt verbessern.

Der Einsatz von kultureller Soft Power zu verschiedenen nationalen und internationalen Zwecken wird als «innerer Zusammenhalt, Strahlungswirkung nach außen» beschrieben. Die Idee der Verbreitung der chinesischen Kultur kann Beijings Vorstoß nach Afrika im 21. Jahrhundert zwar nur teilweise, aber dafür zu einem bedeutenden Teil erklären. Zahlreiche Beobachter*innen sehen in diesem Vorstoß einen Ausdruck von Chinas Streben nach Rohstoffen und einem Zugang zum afrikanischen Markt mit über einer Milliarde Menschen.

Die 54 Länder dieses Kontinents bieten China nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern auch politisches Kapital. Die politische Unterstützung afrikanischer Länder hat viel zu Beijings Stellung in der Welt beigetragen, angefangen mit der Anerkennung der Volksrepublik China als Mitglied der Vereinten Nationen im Jahr 1971. Heute kann China im Großen und Ganzen auf die Unterstützung der afrikanischen Länder zählen, auch wenn es darum geht, Vorwürfe der Menschenrechtsverletzung zu entkräften.

China bestimmt den Kulturaustausch

Insgesamt ist Beijing der federführende Akteur im Kulturaustausch mit dem afrikanischen Kontinent. Dementsprechend hängt der Austausch auch von Chinas Kapazitäten und seiner Bereitschaft zur Finanzierung kultureller Aktivitäten ab, wodurch die afrikanische Agency geschwächt wird. China gibt laut einer Quelle pro Jahr 10 Milliarden US-Dollar für Soft Power aus, und wahrscheinlich fließt ein Großteil dieser Summe nach Afrika. Die Konsequenz dieser enormen Investitionen ist Chinas nachhaltiger kultureller Einfluss auf den Kontinent.

Das zeigt sich am Beispiel der Konfuzius-Institute – doch der Sprachunterricht ist nicht mehr nur auf diese Einrichtungen beschränkt. Tansania hat an ausgewählten Schulen Chinesisch-Unterricht eingeführt, und auch in Uganda, Kenia und Südafrika steht mancherorts Chinesisch auf dem Lehrplan. Obschon es in Afrika keine «Chinatowns» gibt, hat in den letzten Jahren die Zahl der chinesischen Restaurants in allen urbanen Räumen zugenommen.

Mit der sogenannten «Kung-Fu»-Politik gewinnen chinesische Kampfsportarten auf dem ganzen Kontinent an Popularität. Das früher kaum bekannte chinesische Neujahr hat mittlerweile einen festen Platz in den Kalendern zahlreicher afrikanischer Länder und wird mit farbenfrohen Festlichkeiten zelebriert. Unterdessen tragen Afrikaner*innen, die in China studiert oder Stipendien der chinesischen Regierung erhalten haben, zum besseren Verständnis des Landes, seiner Bewohner*innen und seiner Kultur bei. Durch guanxi (persönliche Beziehungen), ein Schlüsselkonzept der chinesischen Kultur, entstehen für China Zugänge nach Afrika.

Doch weitaus häufiger wird die chinesische Kultur in Afrika vermittelt als afrikanische Kulturen in China – trotz der Bemühung um Ausgeglichenheit. Die Veranstaltungsreihe «Afrikanische Kulturen im Fokus» ist ein Beispiel für die Repräsentation afrikanischer Kulturen in China. Im Laufe der Jahre haben sie in Form von darstellenden Künsten, Museumsausstellungen und Sprache Einzug in China erhalten. In Museen wie dem des Zentrums für African Studies an der Zhejiang Normal University werden afrikanische Artefakte ausgestellt. 2015 eröffnete das Naturhistorische Museum Shanghai seine Abteilung zur afrikanischen Geschichte, in der unter anderem Tingatinga-Malereien aus Tansania zu finden sind. Es gibt Kiswahili- und Hausa-Kurse am Zentrum für African Studies der Universität Beijing. In der Jianhua-Quibin-Grundschule in der Provinz Zhejiang wurden 2015 sogar spezielle Programme mit einem Schwerpunkt auf afrikanischen Kulturen eingeführt.

Diese Entwicklungen sind zwar lobenswert, doch sie stehen in keinem Verhältnis zu Chinas kulturellem Einfluss in Afrika. Zudem wurde nicht eines dieser Projekte von einem afrikanischen Land initiiert. Damit wird klar, wie asymmetrisch das Machtverhältnis ist, das diesem Kulturaustausch zugrunde liegt. Es gibt kein afrikanisches Äquivalent der Konfuzius-Institute. Der Vorschlag, in China Mandela-Institute zu gründen, wurde bisher nicht weiterverfolgt.

Aber es gibt noch Hoffnung für Afrika. Chinas kultureller Vorstoß geht mit der Infrastruktur für afrikanische Kulturprojekte einher. Die afrikanischen Länder haben eigene Programme zur Unterstützung ihrer Kulturen, doch infolge einer schwachen Finanzlage können sie sie oft nicht umsetzen. Mit der Unterstützung aus China könnte gleichzeitig der eigene Bedarf gedeckt und Beijings Soft Power gestärkt werden. In diesem Sinne dient das von China finanzierte Museum der Schwarzen Zivilisationen in Dakar nicht nur den senegalesischen Bestrebungen, sondern auch denen der afrikanischen Community insgesamt.

Ebenso trägt die Synchronisation von chinesischen Serien zwar zur Verbreitung der chinesischen Kultur in Afrika bei, überwindet aber zugleich kommunikative Hürden – ein wichtiger Schritt zur gegenseitigen Annäherung. Es ist in Afrikas Interesse, sich auf China einzulassen, und hierbei ist jede Unterstützung aus Beijing hilfreich. Doch die Schwäche dieser «Strategie» liegt darin, dass der Austausch ausschließlich nach dem von China vorgegebenen Muster stattfindet. Dies kann für beide Parteien von Nachteil sein, trifft aber Afrika und die afrikanische Community in der Diaspora ungleich härter.

Übersetzung von Claire Schmartz & André Hansen für Gegensatz Translation Collective