Nachricht | Parteien / Wahlanalysen - Brasilien / Paraguay Showdown in Brasilien

Wenn im Oktober Ex-Präsident Lula gegen den amtierenden Präsidenten Bolsonaro antritt, geht es ums Ganze.

Information

Autor

Torge Löding,

Masken (von l. nach r.) von Brasiliens ehemaligem Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva, Brasiliens First Lady Michelle Bolsonaro, Brasiliens Präsidenten Jair Bolsonaro und dem ehemaligen Justizminister Sergio Moro in einem Geschäft in Sao Paulo, Brasilien. Foto: picture alliance / REUTERS | Rahel Patrasso

Kann die Abwahl des brasilianischen Präsidenten, Jair Bolsonaro, im Oktober 2022 gelingen? Ist die Wahlniederlage des notorischen Antidemokraten und als «Trumps letzter Gefolgsmann» Geschmähten vielleicht sogar schon ausgemacht?

Ganz so sicher scheint die Sache dann doch nicht. Denn die fanatisierte religiöse Rechte hat sich tief in die brasilianische Gesellschaft eingegraben und wird mit aller Macht versuchen, ihre Schützengräben zu halten. Die militärische Sprache ist hier sehr bewusst gewählt, gehören doch zur Basis der Bewegung um den ehemaligen Hauptmann Bolsonaro nicht zuletzt weite Kreise des Militärs.

Trotz seiner desaströsen Amtsführung, gerade mit Blick auf die Covid-19-Pandemie, und trotz der vielfältigen Krisen, die Brasilien derzeit erschüttern, ist Bolsonaros Unterstützung in seriösen Umfragen nie unter 20 Prozent gesunken. Zwar führt in allen Umfragen Ex-Präsident Luiz Inácio «Lula» da Silva (Arbeiterpartei, PT) mit bis zu 48 Prozent Zustimmung das Feld an. Erinnert sei aber daran, dass der charismatische Ex-Gewerkschafter vor vier Jahren ähnlich weit vorne lag – bis die Pläne für seine Kandidatur von einem politisch motivierten Manöver von der Antikorruptions-Task-Force «Lava Jato» («Waschsalon») durchkreuzt wurden, in dessen Folge Lula seine politischen Rechte verlor und für drei Jahre ins Gefängnis musste.

Zerstörung als Programm

Aus seinen Vorhaben hat Bolsonaro nie ein Geheimnis gemacht. Schon in seiner Jugend, die er in der Kleinstadt Eldorado im Hinterland des Bundesstaates São Paulo verbrachte, faszinierten ihn die Militärs, die Ende der 1960er Jahre Jagd auf versprengte kommunistische Guerilleros in den Bergen machten.

Torge Löding leitete das Regionalbüro der Rosa-Luxemburg-Stiftung für Paraguay und Brasilien in São Paulo.

Seine politische Karriere begann der heutige Präsident 1988 – nach seinem unehrenhaften Ausscheiden aus dem Fallschirmjägerkorps (ihm war die Verwicklung in die Planung eines Anschlags vorgeworfen worden) – mit nur 33 Jahren als Stadtverordneter in Rio de Janeiro. Seit 1990 wurde er sieben Mal als Abgeordneter ins Bundesparlament in Brasília gewählt. In seinen seltenen öffentlichen Auftritten glorifizierte der Hinterbänkler die Zeit der Militärdiktatur (1964-1985), lobte deren Folterknechte und bedauerte, dass die Gegner der Diktatur nicht allesamt hingerichtet worden seien. Während des umstrittenen Amtsenthebungsverfahrens 2016 gegen Präsidentin Dilmar Rousseff (PT) widmete er seine Stimme fürs Impeachment einem notorischen Folterknecht aus der Zeit ihrer politischen Gefangenschaft.

Die Regierungsübernahme durch Rousseffs Vizepräsidenten Michel Temer – der der rechten Partei «Demokratische Bewegung Brasiliens» (MDB) angehört, die heute mehrheitlich mit Bolsonaro paktiert – war gewissermaßen die Ouvertüre für die Bolsonaro-Regierung. Temer hatte einen Ausgabestopp für den öffentlichen Sektor verhängt, den Bolsonaro als Ausgangspunkt seiner ultraliberalen Wirtschaftspolitik nutzte. Er stellt das Ausbluten der staatlichen Bildungseinrichtungen oder der Behörden zum Schutz der Umwelt und indigener Minderheiten ins Zentrum seines politischen Handelns. Auch das öffentliche, allgemeine Gesundheitssystem SUS ist bereits durch Kürzungspolitik, eingefrorene Gehälter und die Schließung von Gesundheitseinrichtungen beschädigt. Bolsonaro sagt auch allen Lebenskonzepten, die seinen angeblich christlichen, tatsächlich aber fundamentalistischen Werten widersprechen, öffentlich den Kampf an. In der Folge erlebte Brasilien in den vergangenen drei Jahren eine massive Zunahme der Gewalt gegen Indigene, People of Colour, politisch Andersdenkende und LGBTQI.

Ein Freund des Agrobusiness

Eine wichtige Säule von Bolsonaros Politik ist die mächtige Agrarindustrie, deren Club weißer Großgrundbesitzer*innen zu den Hauptfinanciers von Bolsonaros Wahlkampf 2018 gehörte. Und nicht nur das: Die Rechercheplattform «The Intercept» berichtete, dass sie auch die wichtigsten Geldgeber für die Mobilisierung seiner Anhänger*innen am 7. September 2021 waren. Landesweit kamen an dem Tag in zahlreichen Städten Hunderttausende zusammen und applaudierten frenetisch ihrem Präsidenten. Die jüngst liberalisierte Waffengesetzgebung dürfte nicht zuletzt diesen fanatisierten Bolsonaro-Unterstützer*innen zugutekommen, aber auch den Großgrundbesitzenden, die sich so ohne viel Federlesens in Selbstjustiz gegen landlose Arbeiter*innen üben können, wenn diese mittels Landbesetzungen versuchen, ihre verfassungsmäßigen Rechte durchzusetzen. Während das brasilianische Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 um 4,1 Prozent sank, verzeichnete die Agrarindustrie als einziger Wirtschaftssektor ein Wachstum. Vorläufige Angaben für 2021 belegen, dass diese Zahlen noch einmal übertroffen wurden.

Als Gegenleistung für die treue Unterstützung des Agrobusiness hebelt Bolsonaro den Verfassungsapparat des brasilianischen Staates aus, der die ungezügelte Expansion der Monokulturen bremsen soll. In der Folge erreicht die Abholzung der Regenwälder Rekordwerte, und die Gewalt gegen die traditionelle Landbevölkerung nimmt rasant zu. Die Regierung duldet, dass Landräuber, Goldgräber und Holzfäller in indigene Territorien einfallen, und sie missachtet die Rechte Indigener ebenso wie die Bildung von Landmilizen, die im Auftrag der Landbesitzenden Angst und Schrecken verbreiten. Die Agrarreform und die Ausweisung indigener Gebiete wurden ausgesetzt, die systematische Verletzung von Arbeitnehmerrechten wird ignoriert. Überdies gelang es Bolsonaro in der ersten Hälfte seiner Regierungszeit, zwei Mal hintereinander den Landesrekord in der Genehmigung von Pestiziden zu brechen. Viele der Pflanzenschutzmittel, die neu zugelassen wurden, sind in der Europäischen Union verboten.

Sprungbrett für Militärs

Für das militärische Oberkommando mag Bolsonaro manchmal etwas unbequem sein, aber für die Truppe ist seine Regierung eine Bonanza. Das Militär erhält rekordverdächtige Haushaltszuwendungen, bei der Rentenreform bleibt es von Kürzungen verschont. Die Bolsonaro-Regierung ist für Offiziere zudem ein Sprungbrett aus den Kasernen auf die politische Bühne, wie man es seit dem Inkrafttreten der demokratischen Verfassung von 1988 nicht mehr gesehen hat. Vertreter der Streitkräfte gründen Staatsunternehmen und werden mit staatlichen Führungspositionen bedacht. Im Jahr 2020 gewährte die Regierung 341 Militärs und «Sicherheitskräften» Vertrauenspositionen in der Regierung, etwa im Präsidialamt oder in strategischen Sekretariaten. Bis hinab in die unteren Ebenen der Exekutive bekleiden nach Zählung des brasilianischen Rechnungshofs 6157 von ihnen öffentliche Ämter – das sind mehr als selbst zur Zeit der Militärdiktatur.

Bolsonaro besonders treu ergeben sind die Truppen der kasernierten Militärpolizei, die auch zivile Aufgaben übernehmen. Die Militärpolizei ist zwar den Gouverneur*innen unterstellt (was Bolsonaro zu ändern sucht), folgt aber einer militärischen Logik und unterliegt nicht etwa der zivilen, sondern der Militärgerichtsbarkeit. Im Vorfeld der Mobilisierung für den 7. September 2021 kam es in Bundesstaaten, in denen die Gouverneure (wie in São Paulo) sich gegen die Mobilisierung wendeten, zu Befehlsverweigerungen und der Teilnahme von Uniformierten an den Märschen.

Die Rolle des Militärs dürfte noch einmal interessant werden, sollte Lula die Wahl im Oktober 2022 gegen Bolsonaro gewinnen. Denn Teile des Militärs haben sich wiederholt besorgt über eine angeblich «kommunistische» Bedrohung durch Lula geäußert. Die von Bolsonaro – ähnlich wie in den USA von Trump – ohne Beweise immer wieder vorgetragene These vom «Wahlbetrug», der zufolge er 2018 bereits im ersten Wahlgang über 50 Prozent errungen habe, findet bei rechten Militärs großen Anklang – sie würden einen «Wahlbetrug» verhindern, hört man aus diesen Kreisen.

Andererseits bemühen sich aber auch führende Militärs, derartige Befürchtungen aus der Welt zu räumen. Am 31. Januar d.J. zitierte die liberale Tageszeitung «Folha de São Paulo» den Kommandeur der Luftstreitkräfte, der betont hatte, dass es auch im Falle von Lulas Wahlsieg keine Intervention des Militärs geben werde. Wie sich die Streitkräfte in diesem Fall jedoch entscheiden werden, ist offen. Und Bolsonaro baut hier vor: Noch vor den Wahlen will er den scheidenden Geschäftsführer des Obersten Wahlgerichtes durch seinen ehemaligen Minister General Fernando Azevedo ersetzen.

Evangelikale als soziale Basis

Für Jair «Messias» Bolsonaro war die Ideologie der «traditionellen Kleinfamilie als moralische Basis» stets ein Leitmotiv. Im Jahr 2016 wurde der Katholik Bolsonaro von einem evangelikalen Pastor neu getauft. Für ihn und seine neuen Glaubensbrüder gilt die Doktrin der «Wohlstandstheologie», die ein marktliberales Wirtschaftsmantra vertritt, wonach der soziale Aufstieg der Thermometer für Gottgefälligkeit und persönlichen Fortschritt ist. Dabei handelt es sich um eine neoliberale Antwort auf die emanzipatorischen Ansätze der katholischen Befreiungstheologie, die im Brasilien der 1980er Jahre viele Anhänger*innen hatte. Durch das Wachstum der Evangelikalen bekennt sich heute nur noch etwas mehr als die Hälfte der Brasilianer*innen zum Katholizismus; 31 Prozent gehören zu einer der zahlreichen evangelikalen oder Pfingst-Kirchen – man erwartet, dass letztere bereits 2030 die Mehrheit stellen werden. Sehr viele Evangelikale gehören zur Arbeiterklasse und leben in Favelas. Denn gerade hier, wo die Linke in den 80er Jahren noch fest verankert war, hat die PT ihre Arbeit in den letzten Jahrzehnten vernachlässigt. In das Vakuum stießen, oft mit finanzieller Unterstützung aus den USA, religiöse Gruppen vor.

Die Verbindung von Politik und Kirche ist in Brasilien indes kein neues Phänomen. In der Vergangenheit unterstützte die mächtige «Universalkirche» die PT-Regierung. Lulas Vizepräsident war von 2003 bis 2011 der Unternehmer José Alencar, ein Mann von «Universal». Die Entfremdung begann Ende 2009, als die PT-Regierung sich verstärkt der Verteidigung der Rechte sexueller Dissidenz und der Entkriminalisierung der Abtreibung zuwandte. Den Wechsel von «Universal» zur politisch Rechten leitete ihr Chefprediger, Silas Malafaia, im Wahlkampf 2018 ein, als er seinen Einfluss in den sozialen Medien – er verfügt auf Facebook, Twitter und Instagram über Millionen Follower*innen – für Bolsonaro geltend machte.

Familienbande und internationales Alt-Right-Netzwerk

Bolsonaro mag ein Talent als Redner und «Volkstribun zum Anfassen» haben; mehrmals pro Woche trifft er im Regierungsviertel von Brasília seine Anhänger*innen. Alleine hätte er sein kompliziertes Unterstützungsnetzwerk aber nicht erschaffen können. Hierfür zeichnen vor allem seine vier Söhne – Jair Renan, Flávio, Eduardo und Carlos Bolsonaro – verantwortlich, die sich in einer familiären Arbeitsteilung um die verschiedenen «Fronten» kümmern. So kümmert pflegt der Senator Flávio die Basis in Rio de Janeiro, wo er Verbindungen zu Milizen, den Nachfolgern der «Todesschwadronen», unterhält. Carlos ist Stadtverordneter in Rio de Janeiro und spielt eine wichtige Rolle in den sozialen Medien. In internationale Angelegenheiten ist besonders der Bundesabgeordnete Eduardo Bolsonaro eingebunden, der sehr gute Kontakte zur «Alt-Right» in den USA und zu Steve Bannon unterhält, aber auch zu Viktor Orbán, Matteo Salvini und anderen führenden Köpfen der radikalen Rechten. Einen Rückschlag markierte jüngst allerdings der überraschende Tod des rechtsradikalen Internet-Gurus Olavo de Carvalho, der ein wichtiger Architekt des Bolsonaro-Netzwerks war.

Inzwischen sehen sich alle vier Bolsonaro-Söhne mit Untersuchungsverfahren konfrontiert – auch deshalb schwindet derzeit die Unterstützung für den Präsidenten. Viele ehemalige Anhänger*innen beklagen mangelnde Erfolge im Kampf gegen die Korruption, die Bolsonaro zum Ziel erklärt hatte, und nun sollen auch noch seine Söhne in Korruptionsfälle verwickelt sein. Selbst seine christlichen Werte werden seit der Flutkatastrophe im Dezember 2021 im Bundesstaat Bahia infrage gestellt, als der Präsident seinen Strandurlaub nicht unterbrechen, sondern lieber mit dem Jetski Wellen reiten wollte.

Links oder rechts?

Dennoch ist Bolsonaro keineswegs abzuschreiben – trotz der mehr als 660 000 Toten in der Covid-19-Pandemie, trotz Wirtschaftsabsturz, Inflation und Hungersnot. Nach den Erfolgen der Lula-Regierung geben heute 55 Prozent der Brasilianer*innen an, nicht genug Geld für gesunde Ernährung zu haben, und neun Prozent, also mehr als 21 Millionen Menschen, leiden Hunger. Aber all das scheint am «Teflon-Präsidenten» abzuprallen.

Auch wenn das Bolsonaro unterstützende rechte «Zentrum», das aus verschiedenen mittelgroßen und kleinen Parteien besteht, ideologische Differenzen mit dem Präsidenten haben mag, konnte man sich doch auf einen Status quo verständigen, bei dem ihre Abgeordneten massiv von einem großen Schattenhaushalt profitieren.

Zudem ist die außerparlamentarische Bewegung «Bolsonaro muss weg» gescheitert; das wurde zuletzt am 7. September deutlich, als der Präsident weit mehr Menschen mobilisieren konnte als sie. Die Gründe des Scheiterns liegen zum einen in wahltaktischer Spaltung, zum anderen aber auch in der Furcht vieler Menschen vor einer gewaltsamen Polarisierung auf der Straße.

Darüber hinaus gibt es – bei aller Unzufriedenheit mit Bolsonaro – auch viel Ablehnung und Ressentiment gegenüber Lula und der PT. Dieser «Anti-PTismus» hat sich von der Ober- über die Mittelschicht inzwischen bis in Teile der Arbeiterklasse ausgebreitet. In der Ober- und Mittelschicht wird die Ablehnung von Sozialneid getragen; in der rassistisch geprägten Klassengesellschaft wird etwa Hausangestellten ein sozialer Aufstieg schlicht nicht gegönnt. Fake News dienen als Megafon des «Anti-PTismus», aber für einen Gutteil ist die Arbeiterpartei auch selbst verantwortlich, waren doch zur Zeit ihrer Regierungsführung auch PT-Politiker*innen in Korruptionsskandale verwickelt.

Einem «drittem Weg» zwischen Lula und Bolsonaro wird bei der Präsidentschaftswahl indes keine Chance eingeräumt. Sowohl der stramm rechte und aufgrund seiner Rolle bei «Lava Jato» umstrittene Ex-Richter und ehemalige Bolsonaro-Minister Sérgio Moro (Podemos), als auch Ciro Gomes von der moderaten PDT (Mitte-Links) liegen in Umfragen abgeschlagen im einstelligen Prozentbereich.

Nachdem Amtsenthebungsverfahren und Massenmobilisierung als Instrumente versagt zu haben scheinen, soll nun die Abwahl im Oktober 2022 gelingen. Wenn es nach den Umfragen geht, ist der 76-jährige Altpräsident Lula der geeignete Kandidat dafür. An dessen Kandidatur besteht kein Zweifel, und es scheint unwahrscheinlich, dass diese wie 2018 mit einem juristischen Winkelzug verhindert werden kann.

Internationale Solidarität heißt hinschauen

Die verschiedenen Strömungen der politischen Linken konzentrieren sich derzeit auf ihre Wahlvorbereitungen. In den Bewegungen ist weitgehend Konsens, dass es nur im Bündnis mit Lula gelingen kann, Bolsonaro zu schlagen. Mit großer Skepsis wird aber auch dessen Vorstoß kommentiert, ausgerechnet den verhassten Ex-Gouverneur von São Paulo Geraldo Alckmin als Vizepräsidenten zu installieren. Denn Alckmin regierte für die konservative PSDB (Sozialdemokratische Partei Brasiliens) mit eiserner Hand gegen soziale Bewegungen und unterstützte die Amtsenthebung von Dilma Rousseff. Lula möchte mit diesem Vize unentschlossene Wähler*innen der politischen Mitte für sich gewinnen und zugleich den Wirtschaftszentren und der Bankenwelt die klare Botschaft vermitteln, dass von ihm keine radikalen Maßnahmen zu befürchten seien. Doch dagegen regt sich auch in seiner Partei Widerstand: Lula brauche so eine Krücke wie Alckmin gar nicht, um die Wahl zu gewinnen, heißt es aus der mit 1,6 Millionen Mitgliedern größten lateinamerikanischen Linkspartei.

Die mit 200.000 Mitgliedern sehr viel kleinere linkssozialistische «Partei Sozialismus und Freiheit» (PSOL) entschied auf ihrem Bundeskongress im vergangenen Jahr nach kontroverser Debatte, keine eigene Präsidentschaftskandidatur zu verfolgen und Lula bereits im ersten Wahlgang zu unterstützen (erreicht kein Kandidat 50 Prozent der Stimmen, folgt in Brasilien zwei Wochen später eine Stichwahl). Offen ist die Frage einer möglichen Regierungsbeteiligung. Die PSOL konzentriert sich darauf, ihre Parlamentspräsenz zu stärken; dazu führt sie derzeit Verhandlungen über eine «Föderation» mit der ökologisch orientierten Partei «Rede» von Marina Silva. Zur Verstärkung der PSOL kommen möglicherweise noch bekannte Persönlichkeiten aus der Kommunistischen Partei Brasiliens (PCdoB), deren Vorläuferpartei dieses Jahr ihr 100-jähriges Bestehen feiert. Alleine könnte es in einem vom Duell «Lula gegen Bolsonaro» dominierten Wahlkampf eng werden, da für die Parlamentswahl erstmalig eine Sperrklausel von zwei Prozent gilt.

Schon jetzt werfen die Wahlen im Oktober ihre Schatten voraus. Gerade im Falle einer Wahlniederlage des Amtsinhabers steht zu befürchten, dass seine fanatisierten Anhänger*innen zu den Waffen greifen könnten. Der reibungslose Ablauf des Wahlprozesses und eine friedliche Machtübergabe dürfte nicht zuletzt von der Aufmerksamkeit des Auslands abhängen. Hier liegt denn auch eine genuine Aufgabe für internationale Solidarität.