Die Zeitschrift Die Schwarze Botin ist dem Rezensenten bis zum vorliegenden Buch immer nur am Rande in kundiger Sekundärliteratur begegnet, nur recht wage war ihm die inhaltliche Ausrichtung und Bedeutung der von 1976 bis 1986 erschienenen Publikationbewusst. Katharina Lux legt nun mit dieser auf ihrer Doktorarbeit basierenden Monographie eine umfangreiche Abhandlung vor, die diese wichtige Zeitschrift der autonomen Frauenbewegung in 16 Kapiteln genauer darstellt.
Diese Unternehmung gelingt ihr anhand der ausführlichen Auseinandersetzung entlang von Themen wie Individualität und Kollektivität, der Frage der Vermittlung und Unvermitteltheit von Erfahrung, Ästhetik und Sprache, Subjektivität und weiblicher Produktivität, die allesamt Gegenstand der Zeitschrift waren und dort, teilweise in für heutige, vor allem akademisch geprägte Lesegewohnheiten, ungewohnt harschem, sarkastischem Ton, in heftigen Auseinandersetzungen mit anderen feministischen Zeitschriften wie der Emma verhandelt wurden.
Die ersten fünf Kapitel liefern hierfür den nötigen Kontext. Die Autorin bettet die Zeitschrift in die Auseinandersetzungen der 1970er und 1980er Jahre und gesellschaftlichen Entwicklungen ein, legt den Konflikt mit den zur selben Zeit entstehenden Zeitschriften Courage und Emma dar und fasst, in einem für die Leser_Innen besonders wertvollem Kapitel, anschaulich die Inhalte aller Ausgaben zusammen und beschreibt auch die Titelblätter der Hefte. Der Aspekt der Textgestaltung wird von Lux mehrfach im Verlaufe des Buches analysiert. Die Verfasserin thematisiert auch Auseinandersetzung der Zeitschrift mit dem Kommunistischen Bund(KB). Der Aufbau des Buches sowie die Konstruktion der einzelnen Kapitel sind plausibel und gelungen: Die Verfasserin arbeitet mit Zwischenüberschriften und Kapitelunterteilungen, die das Lesen angenehm machen und auch Unterbrechungen erlauben, ohne dass die Orientierung und der Faden drohen verloren zu gehen. Hinzu kommen immer wieder Zwischenresümees, in denen die Autorin kurz und knapp die jeweiligen kapitelspezifischen Erkenntnisse zusammenfasst, ohne dass sie in Wiederholungen ausschweift. Besonders positiv fällt ins Augen, dass im Text neu auftauchende Autor_Innen in Fußnoten hinsichtlich ihrer inhaltlichen Arbeitsschwerpunkte und teilweise akademischen Werdegangs vorgestellt werden, so dass zumindest ein erster Eindruck davon gewonnen werden kann, wessen Namen man hier eigentlich liest und man selbst nicht gezwungen ist, entsprechend zu recherchieren.
In ihrem starken, kurzen Schlusskapitel, leistest die Verfasserin dreierlei: neben einer knappen, kritischen Zusammenfassung, die auch die blinden Punkte der Zeitschrift aufspießt, weist sie auf weitere Forschungsfragen hin und verbindet diese mit aktuellen Debatten. Etwa unterbestimmt bleibt hierbei ihre Feststellung, dass die Zeitschrift der außeruniversitären feministischen Theoriebildung zugehörig war. Klar ist, dass die Schwarze Botin nie einem universitären Institut zugehörig war und der autonomen Frauenbewegung zuzuordnen ist. Zugleich muss man aber feststellen, dass viele der Autor_innen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichungen (oder nicht lang danach) promoviert und auch habilitiert waren, teilweise später auch Professuren übernahmen, also der akademischen Welt zumindest formal zugehörig sind. Dieses Spannungsverhältnis wäre eine weitere Untersuchung wert. Auch wird nirgend klar ausgesprochen, wie die Zeitschrift eigentlich finanziert wurde, wie die interne Arbeitsweise erfolgte und der redaktionelle und technische Entstehungsprozess einzelner Ausgaben ablief. Diese Kritiken sind weder als Schwäche des Buches noch als Einwände zu verstehen.
Ideen- und Theoriengeschichtlich sowie wissenschaftstheoretisch sind nun zweierlei Zusammenhänge besonders interessant und werden von der Verfasserin ausführlich dargelegt: zum einen waren die feministischen Diskussionen (in Westdeutschland) bereits in den 1970er Jahren wesentlich komplexer, konflikt- und spannungsreicher als landläufig/bisher angenommen. Die Schwarze Botin verfolgte ein Kritikprogramm, das – weitestgehend dem kulturellen Feminismus verpflichtet – in sich nicht durchgehend konsistent und widerspruchsfrei blieb und in vielen Punkt anregende negative Kritik anbot. Die gegenwärtigen feministischen Debatten erweisen sich dabei durchaus als Fortführungen damaliger Standpunkte, auch wenn, aus welchen Gründen auch immer, diese Verbindungen nicht reflektiert werden. Oder negativer formuliert: es ist mitunter erstaunlich, welches Wissen sich erst wieder mühselig angeeignet werden muss, da es offensichtlich verschüttet worden ist, nicht in die nächsten Generationen mit nachhaltiger Wirkung weitergetragen wurde. Zum anderen wird deutlich, wie früh eigentlich der Einbruch poststrukturalistischen Denkens in die bis dahin insbesondere marxistisch geprägten Debatten standfand. Die Schwarze Botin war ein zentraler Ort dieser Rezeption und Auseinandersetzung. Gerade Lacans Psychoanalyse wurde kontrovers aufgenommen und bearbeitet.
Das Buch reiht sich ein in die jüngsten Veröffentlichungen über wichtige Zeitschriften jenseits des politisch-gesellschaftlichen Mainstreams[1] und ist uneingeschränkt empfehlenswert. Die Autorin hat einen exzellenten Ein- und Überblick kreiert, der äußerst materialreich ist und weitere Forschungen anregt sowie tiefgehend Einsichten in die Entwicklungsgeschichte feministischen Denkens bietet.
Katharina Lux: Kritik und Konflikt. Die Zeitschrift Die Schwarze Botin in der autonomen Frauenbewegung, Mandelbaum Verlag, Wien, Berlin 2022, 473 Seiten, 28 Euro
[1] Vgl. David Bebnowski: Kämpfe mit Marx. Neue Linke und akademischer Marxismus in den Zeitschriften «Das Argument» und «PROKLA» 1959–1976, Wallstein Verlag, Göttingen 2021 und Moritz Neuffer: Die journalistische Form der Theorie. Die Zeitschrift «alternative», 1958-1982, Wallstein Verlag, Göttingen 2021.