Nachricht | Geschlechterverhältnisse - Ostafrika - Queer-Trans Gegen Musevenis Hetze

Ugandas empörendes «Antihomosexuellengesetz» tritt vorerst nicht in Kraft, doch der Kampf ist lange nicht vorbei.

Ugandische LGBTI-Flüchtlinge posieren in einem geschützten Bereich des Flüchtlingslagers Kakuma im Nordwesten Kenias, 14.10.2018. Sie flohen aus Uganda, nachdem 2014 das erste «Antihomosexuellengesetz» verabschiedet worden war. Foto: IMAGO / ZUMA Wire

Die LGBTI-Community auf der ganzen Welt atmete Ende letzten Monats erleichtert auf, als sich Ugandas Präsident Yoweri Museveni weigerte, das sogenannte «Antihomosexuellengesetz» zu unterzeichnen. Einen Monat zuvor war der Gesetzentwurf, der lebenslange Haftstrafen für homosexuelle Handlungen vorsieht und sogar mit Todesstrafe in «schweren Fällen von Homosexualität» droht, mit überwältigender Parlamentsmehrheit verabschiedet worden, was weltweit für Entrüstung sorgte. Der nun gewährte Aufschub gibt LGBTI-Personen und ihren Verbündeten Zeit, sich wieder zu sammeln und die nächsten Schritte zu planen.

Die Autorin dieses Kommentars ist eine ugandische Bürgerrechtsaktivistin, die aus Gründen der persönlichen Sicherheit anonym bleiben möchte.

Viele Beobachter*innen in Uganda sind überzeugt, dass Museveni Weigerung, das Gesetz in Kraft treten zu lassen, auf den Druck westlicher Staaten zurückzuführen ist, die Uganda finanziell und auf andere Weise unterstützen und mit Direktinvestitionen versorgen. Ihre Botschaft war, dass ein solches Gesetz schlecht fürs Geschäft wäre und das Land entscheidende ausländische Finanzmittel kosten würde.

Einen Einfluss auf den Präsidenten mag auch die öffentliche Widerlegung seiner Behauptung gehabt haben, dass Homosexualität in Afrika ein fremdes Element darstelle und erst durch einige afrikanische Staatschefs aus anderen Weltregionen eingeführt worden sei. Die Economic Freedom Fighters, eine südafrikanische Partei unter Führung Julius Malemas, hielt aus Protest gegen das Gesetz eine Mahnwache vor der ugandischen Botschaft in Pretoria ab. Nach Malemas Ansicht geht es dem ugandischen Präsidenten eigentlich darum, das Gesetz gegen politische Gegner*innen einzusetzen. Der Präsident des benachbarten Ruanda, Paul Kagame, erklärte, dass «Homosexualität […] in Ruanda kein Problem» darstellt, und lud, in deutlicher Abgrenzung zu Uganda, prominente LGBTI-Personen wie Ellen DeGeneres öffentlich in sein Land ein.

Reaktivierung aussortierter Taktiken

Natürlich konnte Museveni nicht zugeben, dass seine Entscheidung externem Druck geschuldet war. Stattdessen berief er sich auf seine eigene Weisheit als erfahrener Staatsmann. Seinem Pressesprecher Sandor Lyle Walusimbi zufolge hat der Präsident «keine Einwände gegen die Strafen, doch [es geht ihm um] die Frage der Rehabilitierung derjenigen, die in der Vergangenheit Homosexualität praktiziert haben, aber wieder ein normales [einer Prüfung unterzogenes und reformiertes] Leben führen wollen, bevor er ein solches Gesetz unterschreiben kann». Die Aussage lässt sich als gesichtswahrende Maßnahme gegenüber der ugandischen Wählerschaft interpretieren, unter der in den Monaten vor der Parlamentsabstimmung Panik geschürt worden war. Walusimbis maßvolles Zurückrudern ließ den Präsidenten nicht nur als stark und souverän erscheinen, sondern nährte zugleich Hoffnungen, dass das Gesetz nur vorübergehend aufgeschoben ist.

Doch einige Politikbeobachter*innen – Verschwörungstheoretiker*innen, wenn man möchte – meinen, das sei von Anfang an der Plan der Regierung gewesen. In einem Tweet heißt es: «Ihr habt wohl alle vergessen, dass hier Ping-Pong-Politik betrieben wird. Ein sauberes Gesetz verabschieden, aber taktvoll und ganz bewusst harsche Klauseln einfügen. Der Präsident ist eingeweiht, verweigert seine Zustimmung und schickt das Gesetz zur Nachbesserung einzelner Bestimmungen zurück [ins Parlament]. Für noch ein Jahrzehnt auf die lange Bank geschoben.»

An der Behauptung mag etwas dran sein. Schließlich sieht der Gesetzentwurf bereits die «Rehabilitierung Homosexueller» vor. Was will der Präsident also neu überdacht oder hinzugefügt wissen? Und wofür soll das überhaupt gut sein? Im Grunde bedeutet «Rehabilitierung von Homosexuellen» schließlich, sie in etwas zu verwandeln, was sie nicht sind – die Personen also einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen zu unterziehen und ihnen ihre bürgerlichen Freiheiten zu entziehen. Ist Musevenis Schritt möglicherweise ein Mittel, um hinterrücks die wissenschaftlich als unwirksam erwiesene, vielmehr schädigende Konversionstherapie in Uganda zu legalisieren und zu normalisieren?

Nachdem das letzte (2009 verabschiedete und 2014 in Kraft getretene) Antihomosexuellengesetz vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt worden war, sind bis zum aktuellen Gesetzentwurf rund zehn Jahre vergangen. Damals hielten viele die Aufhebung für endgültig. Entsprechend unvorbereitet traf der neue Anlauf 2023 die ugandischen Menschenrechtsaktivist*innen.

Die Art, wie das Gesetz durchs Parlament gepeitscht wurde – zuerst im März und noch einmal fast unverändert am 2. Mai –, hat viele in Uganda vor den Kopf gestoßen. Die Eile spricht dafür, dass der Präsident das Gesetz zu den Präsidenten- und Parlamentswahlkämpfen 2026 parat haben möchte. Bedauerlicherweise war die einstimmige Annullierung des früheren Gesetzes durch das Verfassungsgericht nur mit Formfehlern begründet – das Parlament hatte es 2009 ohne beschlussfähige Mehrheit verabschiedet. Der Gerichtshof hat demnach bisher nicht über die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit der Gesetzesinhalte geurteilt. Die Homophoben fühlen sich entsprechend darin bestärkt, es erneut zu versuchen, da sie überzeugt sind, die Rechtmäßigkeit der Verfolgung von Homosexuellen erstreiten zu können.

Es wäre für Menschenrechtsaktivist*innen allzu leichtsinnig davon auszugehen, dass die Sache mit der Nichtunterzeichnung durch den Präsidenten erledigt wäre.

Sobald dem Präsidenten ein Gesetz vorliegt, hat er 30 Tage Zeit, es in Kraft treten zu lassen oder es ins Parlament zurückzugeben. Nun befindet sich der aktuelle Gesetzentwurf in der Schwebe, und die Aufmerksamkeit ist auf den Präsidenten gerichtet. Sollte er ihn unterzeichnen, wird das Gesetz, wie bereits von Anwaltskanzleien angekündigt, vor Gericht angefochten. Dementsprechend wird es auch eine ganze Weile in der Schwebe bleiben, egal ob der Präsident es bestätigt und es daher vor Gericht landet oder ob er es ans Parlament zurückgibt.

Das Gesetz in diesem ungewissen Zustand zu belassen, könnte sich für die Regierungspartei als vorteilhaft erweisen. Denn solange die Ungewissheit anhält, bleibt es als Thema in der Öffentlichkeit und könnte die Aufmerksamkeit von anderen problematischen Gesetzesvorhaben oder Vorwürfen der Korruption und des Amtsmissbrauchs ablenken. Wie Malema meint, könnte die Neuauflage des Gesetzes dadurch motiviert sein, dass die «Maulkorbgesetze» des Regimes nicht länger in Kraft sind und es anderer Mittel bedarf, um Aktivist*innen und politische Gegner*innen zum Schweigen zu bringen. Im März 2020 kassierte das Verfassungsgericht das Gesetz über die Regelung der öffentlichen Ordnung, mit dem das Regime widerrechtlich den freien Dialog politischer Parteien und nichtstaatlicher Akteure mit der Öffentlichkeit eingeschränkt hatte. Dieses Jahr nun hat das Gericht Abschnitt 25 des Computermissbrauchsgesetzes für ungültig erklärt, mit dem die Texte bekannter Autor*innen wie Dr. Stella Nyanzi und Kakwenza Rukirabashaijia als «anstößige Kommunikation» kriminalisiert worden waren.

Ohne Frage hat das Antihomosexuellengesetz seinen politischen Zweck bereits erfüllt: die Wählerschaft in Empörung und Panik zu versetzen und dann dem Präsidenten die Möglichkeit zu verschaffen, seinen Unterstützer*innen zwischen den Zeilen zu signalisieren, dass er die Tötung und Inhaftierung Homosexueller und die Bestrafung ihrer Verbündeten befürwortet, während er sich als staatsmännisch und großmütig inszenieren kann, da er ja den Homosexuellen dabei helfe, der Strafe durch «Rehabilitierung» zu entgehen.

Die Folge dieses politischen Spiels ist, dass LGBTI-Personen in Uganda umso mehr um ihr Leben fürchten müssen. Beim Schikanieren, Verstümmeln und Morden erhalten Homophobe Rückendeckung von oberster Stelle.

Opfer von Ugandas «Krieg gegen Homosexuelle»

Als 2019 von amtlicher Seite erneut mit dem Erlassen von Antihomosexuellengesetzen gedroht wurde, löste dies eine Reihe brutaler Morde an LGBTI-Personen und -Aktivist*innen aus, wie Human Rights Watch damals berichtete: «Der Aktivist Brian Wasswa, der als Rechtsassistent und Bildungsreferent für NGOs arbeitete, wurde mehrfach mit einem scharfen Gegenstand auf den Kopf geschlagen. Als Mordwaffe identifizierte die Polizei eine kurze Handhacke, die in Wasswas Wohnung gefunden wurde. Eine Gruppe von Motorradtaxifahrer*innen hat die junge Transfrau Fahad Ssemugooma Kakwere zu Tode geprügelt.» Dies sind nur zwei von vielen dokumentierten Fällen, die sich etwa zur selben Zeit ereigneten und von Gerüchten über eine Neuauflage des Gesetzes befördert wurden.

Schon beim früheren Vorstoß zu einem Antihomosexuellengesetz von 2009 waren Schwule und Lesben angegangen, schikaniert und brutal ermordet worden. Der prominenteste unter ihnen war der Lehrer und Menschenrechtsaktivist David Kato, der im NGO-Bereich arbeitete und sich offen zu seiner Homosexualität bekannte. Am 26. Januar 2011 schlug ihm ein Mann bei helllichtem Tage zweimal mit einem Hammer auf den Kopf. Er starb auf dem Weg ins Krankenhaus.

Vor seiner Ermordung hatte Kato vor Gericht gegen ein Boulevardblatt gewonnen, das Namen und Fotos von ihm und Hunderten anderer Mitglieder der LGBTI-Community veröffentlicht und zu homophoben Angriffen aufgestachelt hatte. Der Chefredakteur der Zeitung, Giles Muhame, ist heute noch eine populäre Mediengestalt im Land. Von ihm ist die Aussage belegt: «Der Krieg gegen Homosexuelle wird und muss weitergehen».

Mir müssen uns mit den Ansichten derjenigen, die der LGBTI-Community positiv gegenüberstehen, vertraut machen und sie in der Öffentlichkeit stärken, um dem gegenwärtig vorherrschenden toxischen Narrativ über Homosexuelle zu begegnen.

Dieser Krieg wird in Uganda angefacht von Kirchenkanzeln, Moscheen, religiösen Versammlungen außerhalb von Gotteshäusern sowie von anderen gesellschaftlichen Zusammenkünften, in denen Schwule, Lesben, Bisexuelle und andere nicht-heterosexuelle Menschen als böse Sünder*innen dämonisiert werden. Die Medien stellen, allein um Entrüstung und Panik hervorzurufen, nur zu gerne Platz und Sendezeit für homophobe Tiraden und die Verbreitung von Lügen über zunehmende Vorfälle von homosexuellem Sex mit Minderjährigen bereit. In Medienberichten wird behauptet, viele Homosexuelle, die sich um Kinder oder Ältere kümmern, würden homosexuellen Sex mit den von ihnen Betreuten praktizieren. Mit dieser unverschämten Lüge werden LGBTI-Personen als Pädophile und Vergewaltiger*innen gezeichnet, die ugandische Kinder schädigen und sie in die Homosexualität rekrutieren und einführen würden. Diese Medienpanik bietet eine Rechtfertigung für Selbstjustiz im Namen Gottes und unter dem Vorwand, Kinder und traditionelle Werte zu schützen.

Die laufende Kampagne beschränkt sich beileibe nicht auf Homosexuelle, sondern richtet sich gegen alle, die sie als Mitmenschen anerkennen, die vor Diskriminierung geschützt werden sollten. Insbesondere Organisationen der Zivilgesellschaft werden angegriffen und als Vertreter ausländischer Interessen gebrandmarkt. 2012 dokumentierte die ugandische NGO Chapter Four das Verbot von 38 NGOs, denen die Regierung vorwarf, «aus dem Ausland Unterstützung für Ugandas Homosexuelle und für die ‹Rekrutierung› von Kindern in die Homosexualität zu erhalten».

Das Gesetz und die unterschwellige Befürwortung des Präsidenten bei der Rückgabe des Entwurfs ins Parlament haben nur weiter Öl ins Feuer gegossen. Es besteht die große Gefahr, dass nichtstaatliche Akteure in einer zunehmend feindlichen Arbeitsumgebung agieren müssen, insbesondere da das repressive NGO-Gesetz von 2016 immer noch in Kraft ist. Das aktuelle Gesetzgebungsverfahren hat dieses Gesetz, das ohnehin schon für Angriffe auf führende Vertreter*innen und Organisationen der Zivilgesellschaft missbraucht wurde, nur noch mehr in ein Kampfmittel verwandelt.

Der Kampf gegen Hass und Homophobie geht weiter

Daher wäre es für Menschenrechtsaktivist*innen allzu leichtsinnig davon auszugehen, dass die Sache mit der Nichtunterzeichnung durch den Präsidenten erledigt wäre. Wir müssen den externen Druck vielmehr als gutes Zeichen für unseren Aktivismus begreifen und uns weiter organisieren, denn es gibt noch viel zu tun, um dem vorherrschenden homophoben Narrativ etwas entgegenzusetzen.

Wir müssen die Politiker*innen, die Führungsfiguren aus Religion und Kultur und die Prominenten finden, die LGBTI wohlwollend gegenüberstehen und ihren Einfluss für uns geltend machen, egal ob es sich um Ugander*innen, andere Afrikaner*innen oder auch Menschen von anderen Kontinenten handelt. Die zwei Parlamentarier*innen, die nicht für das Gesetz gestimmt haben, und der Medienstar Andrew Mwenda, der den Präsidenten öffentlich und nachdrücklich aufgefordert hat, es nicht zu unterzeichnen, könnten ein guter Ausgangspunkt sein. Mir müssen uns mit den Ansichten derjenigen, die der LGBTI-Community positiv gegenüberstehen, vertraut machen und sie in der Öffentlichkeit stärken, um dem gegenwärtig vorherrschenden toxischen Narrativ über Homosexuelle zu begegnen.

Der externe Druck auf den Präsidenten sollte aufrechterhalten und sogar erhöht werden, bis das Parlament das Gesetz vollständig zurückzieht. Darüber hinaus sollte ein ähnlicher externer Druck auch auf die wichtigsten parlamentarischen Verfechter*innen des Gesetzes und auf Abgeordnete ausgeübt werden, die es sich zur Angewohnheit gemacht haben, aus billigem Populismus homophobe Tiraden von sich zu geben. Wir müssen ihre Namen nennen, sie an den Pranger stellen und sanktionieren. Vielleicht können wir sie nicht von ihrer Homophobie abbringen, aber wir können sicher ihrem Drang, in der Öffentlichkeit ihren Hass zu versprühen, einen Dämpfer versetzen.

In ähnlicher Weise müssen wir Religionsführer*innen aller Glaubensrichtungen, die regelmäßig Falschinformationen streuen und LGBTI-Personen als Sünder*innen brandmarken, dafür öffentlich kritisieren und unter Druck setzen. Dies sollte auch auf Medienpersönlichkeiten, Publikationen und Medienhäuser ausgedehnt werden, wobei letztere ganz einfach auf die schwarze Liste gesetzt werden können, was Reichweite und Umsatz schmälert.

Noch wichtiger ist es, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um das Verfassungsgericht zu einem Urteil über die rechtliche Substanz des Antihomosexuellengesetzes und seiner Vorgänger zu bewegen, so dass diese Art von Gesetzgebung kategorisch für entbehrlich, verfassungswidrig und zu einer ungeheuerlichen Verletzung der grundlegenden Menschenrechte von LGBTI-Personen erklärt wird.

Übersetzung aus dem Englischen von Daniel Fastner & André Hansen für Gegensatz Translation Collective.

Update Juni 2023: Der Artikel gibt den Stand Mitte Mai 2023 wieder. Ende Mai 2023 hat der ugandische Präsident Museveni das Gesetz unterschrieben und es wurde am 30.5.2023 im Amtsblatt von Uganda veröffentlicht. Der Oberste Gerichtshof Ugandas sah trotz verschiedener eingereichter Petitionen in dem Gesetz keine Verletzung der im Grundgesetz festgeschrieben Menschenrechte. Damit ist das Gesetz in Kraft getreten und Menschen können auf der Grundlage dieses Gesetzes verhaftet und angeklagt werden. Viele der im Gesetz verwendeten Begriffe sind undefiniert und können damit weitreichend ausgelegt werden. Seit dem Erlass reißt der (internationale) Protest gegen das Gesetz nicht ab und Forderungen gehen von Sanktionen bis sicheren Asylaufenthalten von LGBTIQ*-Personen.