Im Niger ist das Militär seit dem 26. Juli nach einem Putsch der Präsidentengarde wieder an der Macht. Präsident Bazoum Mohamed, seit April 2021 im Amt, hat zwar kein Rücktrittsgesuch eingereicht, ist aber weiterhin in seiner Residenz eingeschlossen, die genau dort liegt wo die Präsidentengarde ihren Sitz hat. Die Ankündigung der Machtübernahme durch das Militär hat viele im Niger und anderswo überrascht, obwohl es sich dabei um ein Ereignis handelt, das für jeden aufmerksamen Beobachter, der die Faszination für die Junta in der Region kennt, absolut vorhersehbar war.
Moussa Tchangari ist Generalsekretär der Journalist*innenvereinigung Alternative Espaces Citoyens im Niger, mit der die Rosa-Luxemburg-Stiftung seit vielen Jahren zusammenarbeitet.
In der Tat ist es wichtig zu wissen, dass Niger, wie alle seine Nachbarn, ein Land ist, in dem Militärputsche üblich sind, und der Putsch vom 26. Juli der fünfte in einer Reihe von Putschen ist, die das Land seit seiner Unabhängigkeit am 3. August 1960 erlebt hat. Das Besondere an diesem Putsch war, dass er in einem Umfeld stattfand, in dem nur wenige damit gerechnet hatten, da die üblichen Zutaten für ein solches Ereignis, insbesondere politische oder soziale Spannungen, nicht vorhanden zu sein schienen.
Wie dem auch sei, die Macht liegt heute in den Händen einer Militärjunta, die nicht beabsichtigt, sie so schnell wieder abzugeben, und das trotz der von der Westafrikanischen Währungsunion (UEMOA) verhängten und von der ECOWAS (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) bestätigten Sanktionen sowie der Drohung einer ausländischen Intervention. Die jüngsten Entwicklungen machen deutlich, dass die Junta und ihre Unterstützer hoffen, aus der Empörung und den Ängsten vor einer möglichen Militärintervention durch die ECOWAS Kapital schlagen zu können.
In Niamey haben seit der Ankündigung der von den Staatschefs der ECOWAS-Mitgliedsländer beschlossenen Sanktionen viele Menschen demonstriert; es besteht die große Gefahr, dass das Land einer schwierigen Zukunft entgegengeht. Der Chef der nigrischen Militärjunta, General Tiani Abdourahamane, hat dies in einer Ansprache an die Nation am Vorabend der Feierlichkeiten zum 63. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes deutlich gemacht. Obwohl er sich der Risiken bewusst ist, die er dem Land aufbürdet, zieht er es offensichtlich vor, darauf zu setzen, dass er sich an der Macht halten kann– wie seine Kollegen in Mali und Burkina Faso, die ihm ihre feste Unterstützung zugesagt haben.
In den letzten Tagen hat sich die nigrische Militärjunta den Juntas von Mali und Burkina Faso angenähert, die der Ansicht sind, dass eine ausländische Militärintervention in Niger eine Kriegserklärung gegen ihre jeweiligen Länder darstellt. Diese Haltung deutet darauf hin, dass die Führer dieser beiden Länder (Mali und Burkina Faso) sich bewusst sind, dass eine gewaltsame Wiedereinsetzung der gestürzten nigrischen Behörden auch sie in Schwierigkeiten bringen würde. Es ist jedoch fraglich, ob sie die Mittel haben, ihrerseits gegen ein von der ECOWAS entsandtes und wahrscheinlich von anderen Ländern unterstütztes Militärkontingent in den Krieg zu ziehen.
Die aktuellen Ereignisse in Niger wälzen bereits jetzt schon vieles in der Region um. Es ist klar, dass eine der aufkommenden Fragen sehr wohl die nach dem Verhältnis zum Westen ist. Die nigrische Militärjunta, die weiß, dass nur die Unterstützung der Bevölkerung ein Schutzschild für sie sein kann, hat keine andere Wahl, als sich in die gleiche Richtung wie die Militärs in Mali und Burkina Faso zu bewegen; und so ist auch ihre Entscheidung von gestern Abend zu verstehen, alle Verteidigungs- und Sicherheitsabkommen, die sie in den vergangenen Jahren mit Frankreich unterzeichnet hatte, zu widerrufen.
In den nächsten Tagen wird die Junta, wenn sie sich denn halten kann, sicherlich einen Schlussstrich unter die guten Beziehungen zu allen westlichen Ländern ziehen, die sie nicht anerkennen; und selbst wenn ihr Vorgehen auch von Russland verurteilt werden wird, wird sie wahrscheinlich hier die Annäherung suchen, so wie es Mali und Burkina Faso ebenfalls getan haben. Das ist jedenfalls der Wunsch vieler, die in den letzten Tagen in Niamey und anderswo im Land demonstriert haben, und man kann das ganze Dilemma ermessen, in dem sich die Regierungen der westlichen Länder befinden, die diesen Staatsstreich nicht haben kommen sehen und die von der Unnachgiebigkeit der Junta verunsichert sind.
Die aktuellen Ereignisse in Niger deuten darauf hin, dass einige Machthaber in der Sahelzone, sowohl militärische als auch zivile, zu glauben scheinen, dass sie von den Spannungen und Rivalitäten zwischen dem Westen und den aufstrebenden Mächten (Russland, China) profitieren können. Die Tatsachen zeigen, dass sie selbst es sind, die versuchen, die gesamte Region in ein Feld der Konfrontation zwischen diesen rivalisierenden Mächten zu verwandeln. Dabei übersehen sie, dass eine solche Perspektive die Situation nur verschlimmern und die verschiedenen bewaffneten Gruppen stärken würde. Aber gegen diese hat sich die militärische Option bisher immer als wirkungslos erwiesen – egal ob sie nun wie in Niger vom Westen oder wie in Mali von Russland unterstützt wurde.
Dieser Artikel wurde zuerst bei medico international veröffentlicht.