Nachricht | Stadt / Kommune / Region - Commons / Soziale Infrastruktur - Wohnen ​​​​​​​Der SPD-Mietenstopp – ein PR-Gag auf Kosten der Mieter*innen

«Kanzler für bezahlbares Wohnen» wollte Olaf Scholz sein, tatsächlich wird es immer teurer.

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Armin Kuhn,

SPD-Plakat für den Bundestagswahlkampf 2021 mit Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Der Slogan: "Jetzt faire Mieten wählen."
Die SPD war 2021 mit großen mietenpolitischen Versprechungen in den Wahlkampf gegangen. Auf eine wirksame Entlastung warten Mieter*innen bis heute. Foto: IMAGO / CHROMORANGE

Mit der Forderung nach einem «bundesweiten Mietenstopp» meldete sich die SPD aus dem Sommerloch zurück. Drei Jahre lang, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Verena Hubertz laut BILD am Sonntag, sollen die Mieten in angespannten Wohnungsmärkten um höchstens 6 Prozent steigen können. Die Schlagzeile geisterte einige Tage durch alle Medien, und wurde sogar international beachtet. «If Germany can do it, …» zeigte sich die ehemalige UN-Sonderbotschafterin für das Recht auf Wohnen, Leilani Farha, auf Twitter/X begeistert. Das Problem ist: Germany kann und wird die Mieten nicht einfrieren. Der SPD-Vorstoß ist ein Sturm im Wasserglas.

Armin Kuhn ist wohnungs- und mietenpolitischer Referent am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Die Forderung ist ein Spiegelstrich in einem ausufernden «Maßnahmenpaket für bezahlbares Wohnen und zukunftsgerechtes Bauen», das die SPD-Fraktion in ihrer Klausurtagung am 28. August 2023 beschlossen hat. Neben unzähligen anderen Maßnahmen aus der gesamten Palette der Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik wollen die sozialdemokratischen Abgeordneten auch härtere Regeln für Indexmieterhöhungen, möblierte Kurzzeitvermietungen oder Eigenbedarfskündigungen.

Sie legen damit den Finger in die Wunde einer Mietenkrise, die sich in den vergangenen Jahren noch einmal deutlich zugespitzt hat. Allein 2023 sind die Mieten für Wohnungssuchende in Großstädten doppelt so schnell gestiegen wie noch im Jahr zuvor. Grund sind oft undurchsichtige Möblierungsaufschläge, mit der sich die ohnehin zahme Mietpreisbremse leicht umgehen lässt. Aber auch im Bestand steigen die Mieten, weil Indexmietverträge die Erhöhungen an allgemein steigende Preise koppeln. Zuletzt waren so Erhöhungen um 10, 15 oder gar 20 Prozent in nur einem Jahr möglich. Laut Statistischem Bundesamt gibt jeder sechste Haushalt mehr als 40 Prozent für die Miete aus. Die seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine explodierten Energiepreise sind dabei noch gar nicht eingerechnet.

Der Vorstoß kommt also zur richtigen Zeit – eigentlich. Denn es gibt Gründe daran zu zweifeln, dass die SPD es damit wirklich ernst meint. Nur ein Tag nach der Fraktionsklausur haben die Ampel-Minister*innen in Meeseberg die Punkte verhandelt, die für die Koalitionspartner Priorität hatten: Steuererleichterungen für Unternehmen, die digitale Patientenakte, eine gerupfte Kindergrundsicherung. Das Thema bezahlbare Mieten gehörte nicht dazu. In den zwei Jahren Ampel hat die SPD, die immerhin das Bauministerium hält, noch keine einzige Initiative für bezahlbare Mieten gestartet. In ihrer Verzweiflung haben Abgeordnete von SPD und Grünen im Bundestags-Rechtsausschuss dabei geholfen, die erste mietenpolitische Anhörung der Wahlperiode auf den Weg zu bringen. Gegenstand ist ein Antrag der Linksfraktion zum Recht auf Wohnungstausch ohne Mieterhöhung.

Dabei war die SPD mit vielen Versprechungen in den Wahlkampf gegangen. Ein «Kanzler für bezahlbares Wohnen» wollte Olaf Scholz sein. Die Grünen gingen noch weiter und forderten Mietobergrenzen. Aber im Koalitionsvertrag wurde deutlich: Für die Mieter*innen hat niemand gekämpft. Die Absenkung der Kappungsgrenze von 15 auf heute 11 Prozent ist die einzige Verbesserung des Mietrechts, auf die sich die Ampel-Partnerinnen einigen konnten. Die Verantwortung dafür liegt bei Justizminister Marco Buschmann (FDP), der das Vorhaben blockiert, um die SPD beim Streit um die Vorratsdatenspeicherung zum Einlenken zu bewegen.

So wirkt die Mietenstopp-Forderung der sozialdemokratischen Abgeordneten eher wie ein hilfloser Versuch, gegen die eigene Macht- und Mutlosigkeit in der Mietenfrage anzuschreiben. Erfahrung haben sie darin. Schon vor vier Jahren, damals noch als Juniorpartnerin der CDU/CSU, hat die SPD-Fraktion ein ganz ähnliches Papier beschlossen – das genauso wirkungslos verpufft ist, wie es dieses Mal wieder der Fall sein wird. Selbst mit einem vom Bundesrat beschlossenem Gesetzentwurf im Rücken gelingt es der SPD nicht, ihre Forderungen gegen ihre Koalitionspartner durchzusetzen: damals zum Beispiel im Fall einer verschärften Regelung gegen Mietwucher, heute bei überteuerten möblierten Wohnungen.

Für die Mieterinnen und Mieter ist das dramatisch. Sie haben nicht nur mit steigenden Mieten, sondern auch mit steigenden Preisen und Energiekosten zu kämpfen. Mit dem Heizungsgesetz, das nach monatelangem Streit nun wirklich verabschiedet wurde, könnte stattdessen eine weitere Welle der Mietsteigerungen auf die Mieter*innen zurollen. Für den Heizungstausch wurde die Modernisierungsumlage, also die Möglichkeit für Vermieter*innen die Kosten für Sanierungen auf die Miete umzulegen und damit die Miete zeitlich unbegrenzt zu erhöhen, zwar auf 50 Cent pro Quadratmeter gekappt. Da sie aber mit anderen Modernisierungsmaßnahmen kombiniert werden kann, es weiterhin keine Pflicht zur Annahme von mietpreisdämpfenden Fördermitteln gibt und die Instandhaltungskosten, die eigentlich der Vermieter übernehmen müsste, kaum noch abgezogen werden müssen, drohen in den kommenden Jahren heftige Mietsteigerungen.

Umso nötiger wäre ein bundesweiter Mietendeckel, eine einheitliche, aber regional abgestufte Begrenzung der Miethöhen, die sofort Linderung bringen und Menschen vor Verarmung und Verdrängung schützen könnte. Allein in 44 Großstädten, haben der Sozialwissenschaftler Andrej Holm und der Jurist Benjamin Raabe errechnet, könnte ein solcher Mietendeckel die Mieter*innen um 5 Milliarden Euro im Jahr entlasten – und damit auch die öffentliche Hand, die allein zur Unterstützung von Mieter*innen mit Wohngeld und Kosten der Unterkunft mehr als 17 Milliarden Euro jedes Jahr an die Vermieter*innen überweist.

Mit den acht eng beschriebenen Seiten aus der SPD-Fraktion ist man einem solchen Befreiungsschlag für die Mieterinnen und Mieter leider keinen Schritt näher gekommen. Im Gegenteil: Da bezahlbare Mieten in der Ampel keine Lobby haben, droht der Vorstoß als billiger PR-Gag auf Kosten der Bevölkerungsmehrheit zu verpuffen.