Publikation Parteien- / Bewegungsgeschichte - Westasien - Iran - Demokratischer Sozialismus - Westasien im Fokus Ein linker dritter Weg in Iran

Khalil Maleki – ein Denker des demokratischen Sozialismus

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Autor

Daniel Walter,

Erschienen

Januar 2021

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Die Tageszeitung Etela‘at berichtet 1965 über die Verhängung einer dreijährigen Haftstrafe gegen Khalil Maleki
Die Tageszeitung Etela‘at berichtet 1965 über die Verhängung einer dreijährigen Haftstrafe gegen Khalil Maleki
  Historian of Modern Iran

Zur Hochphase des Kalten Kriegs formulierte der Iraner Khalil Maleki seine Ideen für eine selbstbestimmte Zukunft des Landes. Als unabhängiger Denker eines demokratischen Sozialismus wurde er zur Zielscheibe sowohl orthodoxer Linker wie auch des Schah-Regimes.

Im Morgengrauen des 18. August 1965 stürmen mehrere Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes die Teheraner Wohnung von Khalil Maleki. Die SAVAK-Männer verwüsten die Räume und nehmen den 64-Jährigen Sozialisten fest.

Noch vor jedem Verhör oder gar einer Anklage sind die Vorwürfe gegen Maleki in der regierungsnahen Zeitung Keyhan zu lesen. Wie drei weitere Mitglieder der Sozialistischen Liga wird Maleki beschuldigt, einen kommunistischen Umsturz zu planen und zu den Unruhen aufgerufen zu haben, die das Land rund zwei Jahre zuvor erschüttert hatten.

Wenig überraschend endet der Gerichtsprozess mit einem Schuldspruch. Khalil Maleki muss für drei Jahre ins Gefängnis. Es ist nicht die erste Haftstrafe für ihn. Schon 1937 und 1953 verbüßte der umtriebige Autor jeweils Haftstrafen.

Daniel Walter hat Politikwissenschaft und Middle Eastern Studies in Bonn, Schweden und Teheran studiert. Derzeit promoviert er am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) zu internationaler Wirtschaftsgeschichte der 1980er-Jahre mit einem Schwerpunkt auf Irans Beziehungen zur Bundesrepublik.

Das Leben Khalil Malekis, der 1969 im Alter von 68 Jahren starb, umfasst zentrale Episoden linker Geschichte in Iran. Als Student in Berlin lernte er den Kreis iranischer Intellektueller kennen, die später an der Gründung der Tudeh-Partei beteiligt waren. In der Zeit von 1941 bis 1948, die gemeinhin als die einzige Phase gilt, in der die Linke in Form der Tudeh eine wirkliche Massenbasis in der iranischen Gesellschaft hatte, war Maleki einer ihrer prominentesten Autor*innen. Angesichts der Stalinisierung der Partei brach er mit ihr und suchte fortan nach neuen Wegen für politischen Wandel.

Der zahlreichen Episoden grundstürzenden Wandels, die Iran in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchmachte, bilden den Hintergrund von Malekis politischem Schaffen. Bei seiner Geburt herrschte die Kadscharen-Dynastie über ein Land mit weniger als 10 Millionen Einwohner*innen. Gegen Ende seines Lebens im «Zeitalter der Extreme» durchlief es die autokratische Modernisierung im Rahmen von Mohammad Reza Pahlavis «Weißer Revolution». Die Bevölkerung Irans hatte sich in nur 60 Jahren beinahe verdreifacht.

Maleki war eine nonkonforme Figur, ein unabhängiger marxistischer Denker. Einen platten Antiimperialismus lehnte er ebenso sehr ab wie jeglichen Autoritarismus. Homa Katouzian – Historiker, ehemaliger Mitstreiter und Autor der ersten englischsprachigen Monographie über Maleki – nennt ihn eine «einzigartige Figur, gefangen in einer grundsätzlich intoleranten Zeit, mal von den Herrschern eingesperrt, mal von einem Großteil der Opposition gegeißelt.»[1] Afshin Matin-Asgari, ebenfalls Historiker, bezeichnet Maleki als Vertreter eines unabhängigen demokratischen Sozialismus, dessen Erbe in bemerkenswerte Vergessenheit geraten sei.[2]

Im Folgenden sollen die wichtigsten Stationen in Khalil Malekis politischer Biografie nachgezeichnet und in die Geschichte der iranischen Linken[3] eingebettet werden.

Sozialdemokratie und Revolution

Obwohl die Linke formell nie die politische Macht innehatte, ist ihr Einfluss auf die Entwicklung und die Ideengeschichte Irans immens. In ihren Verwerfungen und in ihrer Widersprüchlichkeit, so die Historikerin Stephanie Cronin, spiegelt sie die historischen Grundzüge linker Geschichte weltweit. Ein Grund hierfür ist, dass trotz der Netzwerke, die in arabische, südostasiatische oder europäische Staaten bestanden, kein äußerer Einfluss auf die iranische Linke größer war als der aus Russland und der Sowjetunion.

Das wird bereits in der Frühphase der iranischen Linken deutlich, in deren Zentrum die transkaukasische Arbeiterbewegung steht. Rund um die Ölfelder nahe der heutigen aserbaidschanischen Hauptstadt Baku waren seit Mitte des 19. Jahrhunderts große Industrieanlagen entstanden, auf denen zahlreiche Arbeitsmigrant*innen aus der gesamten Region arbeiteten.

Schon die Gründung der Sozialdemokratischen Partei Irans ist ein Zeichen dieses engen Verhältnisses. Als im Jahr 1905 sowohl in Russland als auch Iran revolutionäre Aufstände beginnen, wird in Baku die Sozialdemokratische Partei Irans gegründet. Es war die erste ihrer Art in Westasien. Maßgeblichen Anteil daran hatten russische Revolutionär*innen, auch das Programm entsprach in großen Teilen jenem der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands. Übersetzt hatte es Neriman Nerimarov, der spätere erste Ministerpräsident der Aserbaidschanischen Sozialistischen Sowjetrepublik.

Das Programm bot eine Mischung aus sozialistischen Ideen und landesspezifischen Themen. Erstes Ziel der Partei war die Aufrechterhaltung von Parlament und Verfassung, die im Zuge der konstitutionellen Revolution erkämpft worden waren.[4] Darüber hinaus forderte sie unter anderem eine Landreform zugunsten der Bäuer*innen, Reformen im Bereich der Kinderarbeit und die Einführung des Acht-Stunden-Tages für Fabrikarbeiter*innen – Forderungen, welche die Zusammensetzung der Partei aus urbaner Intelligentsia, europäischen Ideen und der sich langsam entwickelnden Schicht einer heimischen industriellen Arbeiterklasse widerspiegeln. Zwar löste sich die Sozialdemokratische Partei 1910 auf, doch sie hatte einen maßgeblichen Anteil am Verlauf der konstitutionellen Revolution.

Beim Ausbruch der Revolution ist Khalil Maleki, Spross einer Händlerfamilie in der iranisch-aserbaidschanischen Hauptstadt Täbris, gerade vier Jahre alt. Die Stadt ist eines der Zentren des revolutionären Aufstandes und kann 1909 eine Belagerung durch die Truppen Mohammed Ali Schahs zurückschlagen. Der relativ urbane Norden Irans und die waldigen Provinzen am Kaspischen Meer bleiben fortan ein Zentrum revolutionärer Agitation. Der absolute Großteil Irans hingegen besteht zu diesem Zeitpunkt noch aus ländlichen Gebieten, in denen kleine Familienbetriebe Subsistenzwirtschaft betreiben.[5] Eine nach marxscher Lesart wenig revolutionäre Ausgangssituation und daher der vorrevolutionären Lage in Russland nicht unähnlich.

Sowjetisches Intermezzo

Die konstitutionelle Revolution in Iran war letztlich nicht von Erfolg gekrönt. Seit 1911 kam es in zahlreichen Provinzen zu Unruhen. Die Umwälzungen infolge des Ersten Weltkriegs und der Oktoberrevolution erfassten auch Iran. 1920 ruft der seit Jahren im Widerstand befindliche Separatistenführer Mirza Kuchek Khan in der Provinz Gilan die Sozialistische Sowjetrepublik Iran aus.[6] Die auch Jangalis genannten Verbände befanden sich bereits seit circa 1911 in bewaffneten Auseinandersetzungen mit staatlichen Truppen. Doch war es die Landung der bolschewistischen Marineverbände in der Hafenstadt Anzali am Kaspischen Meer, welche direkt zur Ausrufung der Sowjetrepublik führte, an deren Spitze Mirza Kuchek Khan stehen sollte.

In dieser Verbindung aus lokalem Separatismus und revolutionärer Agitation durch die Bolschewiki wurde 1920 in Anzali die Kommunistische Partei Irans gegründet. Auch sie war die erste ihrer Art in Westasien. Ähnlich wie die Sozialdemokratische Partei bestand auch sie vor allem aus iranischen Immigranten, die auf den Ölfeldern Bakus arbeiteten und hier in Kontakt mit den Bolschewiki gerieten. Im Programm der Kommunistischen Partei wurde der Zarismus als Hauptfeind des iranischen Volkes ausgemacht und, nach fundamentalen Auseinandersetzungen innerhalb der Partei, die Sowjetisierung des iranischen Staates und die Bekämpfung des zuvorderst britischen Imperialismus als Hauptziele definiert.

Sowohl die Existenz der Sowjetrepublik Gilan als auch die der Kommunistischen Partei Irans standen waren von kurzer Dauer.

Der seit 1921 als Verteidigungsminister agierende Reza Khan ging unerbittlich gegen separatistische und kommunistische Bestrebungen vor. Er fügte den Jangalis empfindliche Niederlagen zu und schlug die Bewegung 1921 schließlich ganz nieder. Obwohl die KP in dieser Zeit versuchte, einen modus vivendi mit Armeeführer Reza Khan zu finden, musste die Partei bereits zu diesem Zeitpunkt ihre Aktivitäten zumeist im Untergrund betreiben. Reza Khan ging hierbei nicht nur gegen die Partei, sondern auch gegen Gewerkschaften und jegliche Zeitungen mit kommunistischem Einschlag vor.

Trotz weiterer Versuche, die Arbeiterschaft Irans zu organisieren, hatte die Partei nur marginalen Einfluss. Die Modernisierungspolitik Reza Khans, ab 1925 Shah Reza Pahlavi, spielte ihr zwar insofern in die Hände, als dass die wachsenden Fabriken und neugegründeten Universitäten fruchtbaren Boden für die Agitation schufen – zeitgleich war Iran jedoch noch immer ein zutiefst agrarisch und durch Stämme geprägtes Land.

Eine weitere Strategie der KP in den späten 1920er Jahren war die Agitation unter iranischen Studierenden, die sich mit neugeschaffenen Stipendienprogrammen im Ausland aufhielten, vor allem in Deutschland und Frankreich.

Berliner Jahre und Gründung der Tudeh

Einer dieser Studenten (tatsächlich nur Männer) war Khalil Maleki. Er hatte sich in den frühen 20er-Jahren für ein Chemiestudium an eine deutsch-iranische Technische Hochschule nach Teheran begeben. Ein Stipendium ermöglichte ihm ab 1928 den Aufenthalt in Berlin.

Dort schloss er sich der Iranischen Studentenunion an und lernte Taqi Arani kennen. Maleki war zu dieser Zeit kein Kommunist, aber die politischen Auseinandersetzungen der extremen Rechten und Linken in Deutschland prägten seine Zeit in Berlin. Als er 1933 nach fünf Jahren nach Teheran zurückkehrte, hatte Reza Shah das Land in eine Diktatur verwandelt. Die Kommunistische Partei war bereits so gut wie zerschlagen. Ihre führenden Köpfe waren in die UdSSR geflohen, wo sie später den stalinistischen Säuberungswellen zum Opfer fielen. Ein Großteil der Führungsriege der Kommunistischen Partei Irans wurde in der Sowjetunion hingerichtet oder in Gulags zwangstransportiert.

Maleki war weiterhin in Kontakt mit dem Zirkel um Taqi Arani, seinem Mitstreiter aus Berliner Tagen. Zusammen mit Bozorg Alavi und Iraj Eskandari gründete dieser 1934 das marxistische Journal «Donya». Dass dies unter der strikten Zensur Reza Schahs möglich war, führt Homa Katouzian darauf zurück, dass die Behörden schlichtweg nichts mit dem marxistischen Vokabular anfangen konnten.[7] Neben der Herausgeberschaft von «Donya» organisierte Arani den persönlichen Ideenaustausch mit Gleichgesinnten. An den von Arani veranstalteten politischen Salons nahm auch Khalil Maleki teil. Der konspirative Zirkel wurde schließlich 1937 von den Sicherheitsbehörden aufgedeckt. Insgesamt wurden 53 Männer festgenommen und inhaftiert. In diversen Sammelzellen untergebracht, konnten die Inhaftierten trotz der Umstände weiter in Kontakt bleiben und ihre Visionen eines anderen Iran diskutieren. Die Haft dauerte vier Jahre an. Erst mit der Invasion der Alliierten 1941 im Zuge des Zweiten Weltkriegs wurden die politischen Gefangenen freigelassen.

Die Absetzung Reza Shahs eröffnete neue politische Freiheiten und die «Gruppe der 53», wie sie später genannt wurde, bildete den Kern der 1941 gegründeten Tudeh-Partei. In den ersten Jahren glich die Partei noch eher einer breiten Sammlungsbewegung oder linken Volksfront. Bereits drei Jahre später war sie die mit Abstand am besten organisierte Partei des Landes.

Khalil Maleki trat der Partei nach einigem Zögern erst im Frühjahr 1944 bei. Von Beginn an gehörte er dem Reformflügel der Tudeh an, der die Nähe der Parteiführung zur Sowjetunion kritisch sah und für mehr Eigenständigkeit und innerparteiliche Demokratie eintrat.

Auf Betreiben der Reformer*innen hielt die Partei am 1. August 1944 in Teheran ihren ersten Kongress ab. 168 Delegierte repräsentierten zu diesem Zeitpunkt etwa 25.000 Mitglieder. Während bei den Delegierten junge Angestellte und Mitglieder der urbanen Intellektuellen überwogen, darunter auch Maleki, waren bis zu 80 Prozent der Mitglieder der Partei Arbeiter*innen – ein seither unerreichter Wert für linke Parteien.[8] Die Delegierten wählten ein elfköpfiges Zentralkomitee. Maleki wurde in das zweithöchste Gremium, das Investigativkomitee, gewählt.

Obwohl die Reformer*innen im Zentralkomitee anfangs die Mehrheit stellten, erwies sich einerseits der Einfluss, aber auch der Glaube an die guten Intentionen Moskaus als fatal groß. Zwei Vorfälle stehen hierfür exemplarisch. Erstens die Haltung der Tudeh zur Forderung der Sowjetunion nach Ölkonzessionen im Jahr 1944. Als die Parlamentsfraktion der Nationalen Front rund um Mohammed Mossadegh eine Gesetzesinitiative einbrachte, die die Erteilung von Ölkonzessionen ohne Parlamentsbeteiligung verbot, stimmten die Tudeh-Abgeordneten dagegen. Auch die Reformer*innen um Maleki unterschätzten ganz offensichtlich das antikoloniale Moment, das in der iranischen Gesellschaft an Zustimmung gewann. Dass die Rote Armee etwa Demonstrationen der Tudeh beschützte, wurde vielfach kritisch gesehen.

Zweitens die Aserbaidschan-Krise von 1946: Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zog sich die Rote Armee nicht wie vereinbart aus dem Norden Irans zurück. Vielmehr unterstützte sie die Gründung einer zweiten, in Konkurrenz zur Tudeh stehenden kommunistischen Partei, der Demokratischen Partei Aserbaidschans (DPA) unter Jafar Pishevari. Dieser wurde zum Premierminister der Autonomen Republik Aserbaidschan ausgerufen – ein Affront gegenüber der iranischen Zentralregierung und den Alliierten. Auf Druck der USA zog die Rote Armee sich schließlich Ende 1946 aus der Provinz Aserbaidschan zurück. Die iranische Regierung unter Premier Ahmad Qavam ging mit aller Härte gegen die Separatist*innen vor. Ein Großteil von ihnen floh über die Grenze in die Sowjetunion, der Rest wurde hingerichtet.

Der Dritte Weg

Die Aserbaidschan-Krise, die erste heiße Episode des Kalten Krieges, hatte für die Tudeh Konsequenzen zweierlei Art. Einerseits ging die iranische Regierung nun auch gegen ihre Mitglieder stärker vor, bis zum Verbot 1949. Andererseits kam es zu heftigen internen Verwerfungen über den Umgang mit der Sezessionsbestrebung und mit der rivalisierenden DPA.

Als Folge dieser Streitigkeiten spaltete sich die Partei im Jahr 1948. Rund 100 Aktive, darunter neben Khalil Maleki auch sein Freund, der Autor Jalal Al-e Ahmad, schlossen sich 1951 zur Arbeiterpartei Irans (ab 1952 Dritte Kraft) zusammen. Sie stand den sozialdemokratischen Parteien in Europa wie den Dritte-Welt-Bewegungen der Nachkriegszeit nahe. Ihre inhaltliche Ausrichtung ging über das Postulat der Blockfreiheit heraus. In einer Programmschrift heißt es 1951:

Die USA bieten der Welt freie Marktwirtschaft und Kapitalismus, die Sowjetunion bietet Staatskapitalismus; wir bevorzugen eine dritte Variante, nämlich demokratischen Sozialismus, die Verkörperung von Sozialismus und seiner Weiterentwicklungen angesichts der Veränderungen in der Nachkriegszeit.

[9]

Zwischen 1951 und 1953 hatte die Dritte Kraft mehrere tausend Mitglieder und unterstützte Premier Mohammed Mossadegh im Kampf für die Verstaatlichung der iranischen Ölvorkommen. Weitere Schwerpunkte lagen auf einer Landreform sowie Frauenrechten. Der Putsch gegen die Regierung Mossadegh und die darauffolgenden Repressionen führten zur Zerschlagung aller linker Parteien. Khalil Maleki festgenommen und für ein Jahr inhaftiert.

Innenpolitisch rückte Mohammad Reza Schah, der 1941 von den Alliierten als Nachfolger seines Vaters inthroniert wurde, nach einer kurzen Konstitutionsphase bis 1960 immer mehr in das politische Machtzentrum und verstärkte durch den 1957 gegründeten Geheimdienst SAVAK die Überwachung seiner Gegner*innen. Iran war nun sicherheitspolitisch mit dem Westen verbunden, was 1955 mit dem Beitritt zur CENTO formalisiert wurde.

Khalil Maleki verhielt sich während dieser Jahre vorsichtig, aber optimistisch. Er glaubte daran, dass die Tür zu politischer Agitation sich beizeiten wieder öffnen würde. Das 1955 maßgeblich von Maleki gegründete Journal «Nabard-e Zendegi» (Kampf des Lebens) veröffentlichte Texte zu einer großen Bandbreite von Themen, galt jedoch der Vorbereitung einer neuerlichen politischen Initiative. Trotz der wenig offensiven Blattlinie verhängte die iranische Regierung bereits nach zehn Ausgaben ein Verbot.

In dem zunehmend repressiven politischen Klima der späten 50er Jahre gab es abseits vom Untergrund keine Möglichkeiten zur Organisation für linke oppositionelle Gruppierungen. Dies änderte sich erst 1960 wieder, als der Schah aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und auf Druck des neu gewählten US-Präsidenten Kennedy eine vorsichte politische Öffnung und freie Wahlen versprach – ein Versprechen, das gleichwohl nicht eingehalten wurde.

Im Zuge dieses Öffnungsversprechens wurden diverse Parteien neu gegründet. Darunter etwa die Nationale Front Mossadeghs, aber auch die von Khalil Maleki über die Jahre vorbereitete neue Organisation: die Sozialistische Liga Irans. Wie die Nationale Front forderte die Liga freie Wahlen, mehr Mitbestimmung und eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Dabei wusste sie eine breite, teils heterodoxe Allianz aus progressiven Student*innen und konservativen Basar-Händlern hinter sich. Auch die religiöse Opposition erfuhr zu dieser Zeit vermehrt Zulauf.

Für Khalil Maleki eröffnete sich zudem die Möglichkeit zu mehr internationaler Vernetzung. Auf Einladung der Sozialistischen Internationale sprach er 1961 auf Konferenzen in Baden, Salzburg und Rom. Im selben Jahr besucht Maleki Israel, diesmal auf Einladung des sozialistischen Ex-Premiers Moshe Sharet. Weitere Aufenthalte in Europa über die Verbindungen zur Sozialistischen Internationale folgten.

Bereits 1963 nahmen die staatlichen Repressionen jedoch wieder zu. Der Schah ging mit der Weißen Revolution innenpolitisch in die Offensive und verbot gleichzeitig die Nationale Front. Die Führung wurde inhaftiert. Im Juni 1963 kam es zu Ausschreitungen in verschiedenen iranischen Städten, an denen vor allem säkulare Student*innen sowie Teile der religiösen Opposition beteiligt waren. Die Sicherheitskräfte schlugen die Proteste mit aller Gewalt nieder. Ein Jahr später wurde der prominenteste Wortführer der islamischen Opposition ins Exil geschickt. Sein Name: Ruhollah Khomeini.

Die Niederschlagung der eher moderaten Reformforderungen im Stile der Nationalen Front 1963 hatte eine Inkubationswirkung auf die neue Generation linker Aktivist*innen. Angesichts auch der globalen Verschiebung hin zum Guerillakampf brachten die 1960er Jahre eine neue Generation marxistisch-leninistischer und maoistischer Organisationen hervor, hauptsächlich aus Student*innengruppierungen. Hierzu zählten unter anderem die Volksfedajin Irans um Bijan Jazani, Hamid Ashraf und andere.

Khalil Maleki beobachtete die Entwicklungen in China und die globale Anziehungskraft des Maoismus skeptisch. Der Dogmatismus erinnere ihn zu sehr an die stalinistischen Irrungen, schrieb er in einem Brief an einen Bekannten im April 1965. Vier Monate später kam das politische Engagement Khalil Malekis an ein jähes Ende.

Innerhalb von Tagen nach Malekis Festnahme an jenem Augustmorgen 1965 schrieb das Sekretariat der Sozialistischen Internationale Telegramme an europäische Regierungen und forderte sie auf, sich für die Freilassung Malekis einzusetzen. Bei einem Besuch im Herbst 1966 setze sich selbst der österreichische Präsident Franz Jonas persönlich beim Schah für eine Freilassung Malekis ein. Der diplomatische Druck führte schließlich zum Erfolg. Bereits im Oktober 1966 wurde Maleki vorzeitig aus der Haft entlassen.

Zuhause wurde er unter anderem von Jalal Al-e Ahamad und dessen Frau Simin Daneshvar empfangen. Al-e Ahmad hatte 1962 seinen Essay Gharbzadeghi veröffentlicht, der zu einem zentralen Text der Opposition wurde. Khalil Maleki verbrachte die restlichen drei Jahres seines Lebens mit dem Übersetzen von Büchern und politischen Korrespondenzen. Offen betätigen konnte der Verfechter des Dritten Weges sich aufgrund der staatlichen Repressionen nicht mehr. Dies führte nun eine neue Generation fort, die sich dem Guerillakampf verschrieben hatte und Gewalt mit Gewalt begegnete.


[1] Homa Katouzian: Khalil Maleki. The Human Face of Iranian Socialism, London: OneWorld Publications 2018, S. xi.

[2] Vgl. Afshin Matin-Asgari: Both Eastern and Western. An Intellectual History of Iranian Modernity. Cambridge: Cambridge University Press 2018, S. 158.

[3] Der Begriff links (chap) kann im Persischen entweder ein weites Spektrum an linken bis hin zu links-islamistischen Gruppierungen umfassen oder spezifisch marxistisch-leninistische Bewegungen meinen. Hier nutze ich den Begriff in der weiten Fassung. Vgl. dazu auch Maziar Behrooz: Rebels with a Cause. The Failure of the Left in Iran, London/New York: I.B. Tauris, 1999, S. vii.

[4] Vgl. Janet Afary: Ejtemaiun, Ferqa-ye, in: Encyclopedia Iranica, 1998, www.iranicaonline.org/articles/ejtemaiun, zuletzt abgerufen am 30.12.20.

[5] Vgl. Farhad Kazemi/Ervand Abrahamian (1978): The nonrevolutionary peasantry of modern Iran, in: Iranian Studies, 11:1-4, 259-304, DOI: 10.1080/00210867808701546.

[6] Vgl. Peyman Jafari: When the red flag flew over Iran, in: Jacobin Magazine, jacobinmag.com/2020/11/soviet-socialist-republic-iran-gilan-history-imperialism, zuletzt abgerufen am 30.12.20.

[7] Vgl. Katouzian, S. 12.

[8] Vgl. Ervand Abrahamian: Iran Between Two Revolutions, Princeton: Princeton University Press 1982.

[9] Zitiert nach Matin-Asgari, S. 158.