23. August 2023 Diskussion/Vortrag Wehrhafte Demokratien. Eine israelische Perspektive

Autoritäre Entwicklungen und demokratische Proteste in Israel

Information

Veranstaltungsort

Rosa-Luxemburg-Stiftung
Straße der Pariser Kommune 8A
10243 Berlin

Zeit

23.08.2023, 18:00 - 20:00 Uhr

Themenbereiche

Parteien / Wahlanalysen, Israel

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Dr. Angelika Timm diskutiert mit Moshe Zimmermann und mit Gil Shohat.  

Die Wahlen zum israelischen Parlament (Knesset), der fünfte Urnengang in weniger als vier Jahren, ermöglichten es Benjamin Netanjahu, Ende Dezember 2022 zum wiederholten Mal das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen. Die von ihm geführte Regierung umfasst neben dem Likud auch ultraorthodoxe und nationalreligiöse Fraktionen. Sie gilt insbesondere durch die Beteiligung der rechtsextremistischen Parteien Ozmah Jehudit (Jüdische Stärke) und Zionut Datit (Religiöser Zionismus) als das am weitesten rechts stehende Kabinett in der 75-jährigen Geschichte des Staates Israel. Neben der forcierten Ausweitung der Siedlungen in den 1967 besetzten palästinensischen Gebieten und der damit voranschreitenden faktischen Annektierung großer Teile des Westjordanlandes ist vor allem die angekündigte „Justizreform“ ein zentrales Anliegen sowohl des von Korruptionsverfahren bedrängten Ministerpräsidenten als auch seiner Bündnispartner.

Obwohl die politische Linke bei den Knessetwahlen so schwach wie nie zuvor abschnitt und sich auch liberal-säkulare Kräfte in der Defensive befinden, entwickelte sich in Israel eine starke Protestbewegung insbesondere gegen den geplanten Umbau des Justizsystems. Seit über einem halben Jahr demonstrieren Woche für Woche Zehntausende, oft auch Hundertausende Israelis gegen die Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz und damit gegen die Schwächung einer wesentlichen Säule der bürgerlich-liberalen Demokratie. Reservistinnen und Reservisten, aber auch Mitglieder von Eliteeinheiten der Streitkräfte drohen in noch nie dagewesener Zahl mit der Verweigerung des Militärdienstes; die größte Gewerkschaft des Landes, Histadrut, rief zum Generalstreik auf; Straßen, Flughäfen und Regierungsgebäude wurden blockiert. Die Kraft und Ausdauer der Protestierenden haben nicht nur die Regierung überrascht. Sie zeigen, dass die gesellschaftliche Spaltung Israels heute so tief wie noch nie seit der Staatsgründung 1948 ist.

Welche politischen und gesellschaftlichen Ursachen hat die Protestwelle? Wer sind ihre Träger? Geht es ausschließlich um die „Justizreform“ oder erklären auch andere Konflikte die Intensität der Proteste? Und wie lassen sich die israelischen Geschehnisse in internationale Entwicklungen, wie beispielsweise in der Türkei und Ungarn, Indien und den USA, einordnen?

 

Vortragende:

  • Prof. Dr. Moshe Zimmermann, geb. 1943 in Jerusalem, wo er Geschichte und Politikwissenschaft studierte und 1977 an der Hebräischen Universität mit einer Arbeit über „Die Emanzipation der Juden in Hamburg 1830-1865“ promoviert wurde. Von 1986 bis zu seiner Emeritierung 2012 leitete er das Richard-Koebner-Zentrum für Deutsche Geschichte an der HUJI. Er war Gastprofessor in Princeton, Krakau und an vielen deutschen Universitäten. In Israel und Deutschland kooperierte er wiederholt mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung, u. a. bei der Vorstellung seines 2008 erschienenen Buches „Deutsche gegen Deutsche. Das Schicksal der Juden 1938-1945“ (Berlin 2008) und bei mehr als zehn Veranstaltungen zu der von ihm mitverfassten und herausgegebenen umfangreichen Studie „Das Amt. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik“ (München 2010).
  • Dr. Angelika Timm war erste Leiterin des RLS-Büros in Israel von 2008 bis 2015. Sie gehört der Koordinierungsrunde des RLS-Gesprächskreises „Antisemitismus/ jüdisch-linke Geschichte und Gegenwart“ an und hat zahlreiche Bücher und Artikel über Israel und den Nahostkonflikt veröffentlicht, darunter:
    - Hammer, Zirkel, Davidstern. Das gestörte Verhältnis der DDR zu Zionismus und Staat Israel. Bonn 1997
    - 100 Dokumente aus 100 Jahren. Teilungspläne, Regelungsoptionen und Friedensinitiativen im israelisch-palästinensischen Konflikt (1917 - 2017). Berlin 2017.
  • Gil Shohat ist Historiker und leitet seit März 2023 das Israel-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv. Er ist 1988 als Sohn israelischer Eltern in Bonn geboren und aufgewachsen. Er studierte Geschichte und Politikwissenschaft arbeitete unter anderem zu antikolonialem Aktivismus im London der 1930er bis 1950er Jahre. Weiterhin publiziert und spricht er regelmäßig zur gegenwärtigen deutschen Erinnerungskultur, zum Verhältnis von Antisemitismus und Rassismus sowie zu den Manifestationen der Situation in Israel und Palästina in Deutschland.
    - https://www.nd-aktuell.de/artikel/1175009.justizreform-israel-mit-vollgas-nach-rechts.html
    - https://taz.de/Israels-Protestbewegung/!5947704

 

Teilnahme:

Eine Anmeldung ist erwünscht, aber nicht erforderlich. Die digitale Teilnahme ist möglich:
https://eu01web.zoom.us/j/67905342715 
Webinar ID: 679 0534 2715, International numbers available: https://eu01web.zoom.us/u/cd7ywo9MBI´

 

Weiterführende Links:

Standort

Kontakt

Dr. Florian Weis

Referent für Antisemitismus und jüdisch linke Geschichte und Gegenwart / Klassen, Rosa-Luxemburg-Stiftung

Telefon: +49 30 44310 114