Kommentar | Sozialökologischer Umbau - COP28 UN-Klimakonferenz im Ölstaat

Kosmetische Scheinlösungen oder echte Ursachenbekämpfung?

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Autorin

Nadja Charaby,

Großes Öltankschiff beim Verlassen des Hafens von Dubai
Die diesjährige COP in den Vereinigten Arabischen Emiraten ist mit vielen Fragezeichen versehen. Die Wirtschaft der Emirate selbst wird durch die Produktion von Öl dominiert, rund 30 Prozent des Brutto-Inlands-Produktes kommen weiter aus dem Ölsektor. Ein Ölstaat soll es also richten? Großes Öltankschiff beim Verlassen des Hafens von Dubai, Foto: IMAGO / Pond5 Images

Eigentlich ist alles klar: Um die Klimakrise in den Griff zu bekommen, muss die Nutzung von fossilen Energieträgern beendet werden, je eher desto besser. Stattdessen steigt die Förderung weiter an – und Öl spielt dabei eine entscheidende Rolle. Es ist unwahrscheinlich, dass sich das mit der diesjährigen Klimakonferenz, der COP28, ändern wird.

Der Klimawandel zeigte im Jahr 2023 erneut seine zerstörerische Wirkung. Kein Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen war so heiß wie der des Jahres 2023. Besonders stark betroffen waren asiatische Länder wie Laos, Thailand, Vietnam und China, aber auch in den USA und Europa bekamen die Menschen die extreme Hitze zu spüren. Gleichzeitig waren erneut Überschwemmungen und Flutkatastrophen zu verzeichnen. Die fatalen Folgen solcher Extremwetterereignisse besonders in armen und krisengebeutelten Regionen zeigten sich beispielsweise an der Tragödie, die sich im September in der libyschen Stadt Derna abspielte. Die Regenmassen, die der Mittelmeersturm Daniel mitbrachte, haben zwei Dämme zusammenbrechen lassen. Mindestens 6.000 Menschen kamen ums Leben, 10.000 weitere werden vermisst. Schlagzeilen machten auch die Waldbrände, die weltweit für Zerstörung sorgten – darunter beispielsweise Brände in Griechenland und Nordamerika. Insbesondere die Länder des Globalen Südens sind von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, während ihnen gleichzeitig die notwendigen Ressourcen fehlen, um sich an diesen anzupassen oder mit den verursachten Schäden umzugehen. Der internationale Fond für Klimaschäden und –verluste für besonders gefährdete Länder, der letztes Jahr auf der 27. Vertragsstaatenkonferenz des UN-Klimarahmenabkommens, der COP27, beschlossen wurde, kann daher durchaus als Erfolg gesehen werden, im Sinne der Forderung nach zusätzlichen Zahlungen durch die Verursacher*innen der Krise. Angesichts der immer massiveren Auswirkungen des Klimawandels und der sich verschärfenden Schuldenkrise vieler Länder im Globalen Süden, ist dieser Fond vermutlich aber eher ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Nadja Charaby leitet das Referat für Internationale Politik und Nordamerika und ist Referentin für Klimapolitik bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Regierungen umschiffen Ursachenbekämpfung

Angesichts der Tatsache, dass die Klimakrise von Jahr zu Jahr spürbarer wird und die Weltgemeinschaft sich auf den UN-Klimakonferenzen heftig um die notwendige Minderung von Treibhausgasen, um Anpassung und den Umgang mit Klimaschäden und –verlusten streitet, scheint es absurd, dass die eigentliche Ursachen des Klimawandels – nämlich die fossilen Brennstoffe wie Kohle, Öl und Gas – bis heute keinen wirklich prominenten Platz in den Abschlussdokumenten und Vereinbarungen der Klimagipfel einnehmen. Ein Blick ins Pariser Klimaabkommen von 2015 zeigt: Es geht zwar um die Reduktion von Treibhausgasen, aber fossile Brennstoffe werden mit keinem Wort erwähnt. Es dauerte bis zur Klimakonferenz in Glasgow im Jahr 2021, bis in einem COP-Abschlussdokument die Staaten aufgefordert wurden, sogenannte unverminderte Kohlekraft und ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe zu verringern. Von Öl und Gas war bisher keine Rede. Und auch der Terminologie der «unverminderten» Kohlekraft (unabated coal) ist kritisch zu betrachten. Denn es verbirgt sich dahinter die Möglichkeit Kohlekraft weiter zu nutzen (und auszubauen), wenn diese mit umstrittenen Lösungen wie beispielsweise der Abscheidung von Kohlenstoffdioxid (Carbon Capture) oder dessen anschließender Nutzung oder Speicherung im Untergrund (Carbon Capture and Storage, CCS) einhergeht. Wie groß die Bereitschaft zur Ursachenbekämpfung beim Klimawandel letztendlich ist, zeigte sich trauriger Weise darin, dass ein Ausstieg aus oder zumindest eine Reduktion aller fossiler Brennstoffe, also auch von Öl und Gas, auf der COP27 im Jahr 2022 nicht vereinbart wurde. Stattdessen tummelten sich mehr als 600 Lobbyist*innen fossiler Unternehmen auf der Klimakonferenz und verliehen ihren Geschäftsinteressen offenbar erfolgreich Nachdruck.

Globaler Anstieg bei Produktion fossiler Brennstoffe

Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) macht es in seinem gerade erschienenen Production Gap Report eindrücklich klar: Die globalen Planungen sehen vor, dass im Jahr 2030 mehr als doppelt so viel an fossilen Brennstoffen produziert wird als es mit dem in Paris 2015 beschlossenen Ziel, die Erderwärmung unter 1,5°C zu halten, vereinbar wäre. Diese Entwicklung gefährdet eine gerechte Energiewende. Insgesamt führen die Pläne und Prognosen der betrachteten Staaten zu einem Anstieg der weltweiten Kohleproduktion bis 2030 und der weltweiten Öl- und Gasproduktion bis mindestens 2050. Dies steht im klaren Widerspruch zu den Verpflichtungen aus dem Pariser Abkommen. Die Pläne für diese Produktionssteigerungen stehen auch im Widerspruch zu Prognosen, dass die weltweite Nachfrage nach Kohle, Öl und Gas auch ohne neue Maßnahmen innerhalb dieses Jahrzehnts ihren Höhepunkt erreicht haben wird. Bei jedem fossilen Energieträger werden die Produktionsmengen, die allein von zehn Ländern mit hohem Einkommen geplant sind, bereits bis 2040 die globalen 1,5°C-Pfade überschreiten. Der UNEP-Bericht zeigt auch, dass die globale Produktion von Kohle ab 2030 zwar entsprechend der derzeitigen Pläne zurückgehen wird, die Förderung von Öl und Gas jedoch weiter ansteigt – und das auch noch im Jahr 2050. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die kommende Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten. «Wir können die Klimakatastrophe nicht bekämpfen, ohne ihre eigentliche Ursache anzugehen: die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen», sagte UN-Generalsekretär Antonió Guterres anlässlich des Erscheinens des UNEP-Berichtes. «Die COP28 muss ein klares Signal aussenden, dass das Zeitalter der fossilen Brennstoffe vorbei ist – dass sein Ende unausweichlich ist. Wir brauchen glaubwürdige Zusagen für den Ausbau erneuerbarer Energien, den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und die Steigerung der Energieeffizienz bei gleichzeitiger Sicherstellung eines gerechten und ausgewogenen Übergangs.»

UN-Klimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten

Die COP28 in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) ist allerdings mit vielen Fragezeichen versehen. Die Wirtschaft der Emirate selbst wird durch die Produktion von Öl dominiert, rund 30 Prozent des Brutto-Inlands-Produktes kommen trotz zunehmender Diversifizierung aus dem Ölsektor. Ein Ölstaat soll es also richten? Die Verbrennung von Öl ist derzeit für etwa 30 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Die weltweite Ölproduktion steigt weiter an und Ölkonzerne fuhren im vergangenen Jahr Rekordgewinne ein. Daher muss dringend die Frage gestellt werden, welchen Einfluss der Ölsektor, beziehungsweise die Akteure, die hinter ihm stehen, auf die globale Klimapolitik haben. Die Klimakonferenz in Dubai wird von Sultan Ahmed Al Jaber geleitet. Er ist Minister für Industrie und Fortschrittstechnologie der Vereinigten Arabischen Emirate und gleichzeitig Geschäftsführer des staatlichen Ölkonzerns Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC), des zwölftgrößten Ölkonzerns der Welt. Umweltverbänden übten harsche Kritik an der Wahl des COP-Präsidenten, und 130 Politiker*innen aus der EU und den USA warnten in einem Brief, gerichtet an die UN, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden, vor einem zu großen Einfluss der Ölindustrie auf die Klimaverhandlungen. Das änderte nichts an der Entscheidung bezüglich der COP-Präsidentschaft. Al Jaber selbst beteuerte öffentlich, dass es seinerseits keinen Interessenskonflikt gebe, vielmehr setze er auf die fossile Industrie als Teil der Lösung. Recherchen des Guardian legten hingegen offen, dass nicht nur in Bezug auf Al Jaber selbst sich die Aktivitäten der Emirate zur COP28 mit ADNOC vermischen, sondern dass dies auf weitere Mitarbeitende zutrifft, und es darüber hinaus infrastrukturelle Überschneidungen gibt.

Scheinlösungen sind absehbar

Der Ansatz der COP-Präsidentschaft, fossile Unternehmen als Teil der Lösung einzubeziehen, scheint zumindest auf den ersten Blick aufzugehen. In der Global Decarbonisation Alliance hat Al Jaber 20 Top-Treibhausgasemittenten zusammengebracht, die sich im Rahmen der COP zur Klimaneutralität im Jahr 2050 verpflichten sollen. Neben Investitionen in die Dekarbonisierung und dem Ausbau erneuerbarer Energiesysteme sieht Al Jaber das Voranbringen umstrittener Technologien, wie die CO2-Abscheidung, -nutzung und -speicherung (CCS und CCUS) als wesentlichen Bestandteil der Klimapolitik. Auch andere kritikwürdige Ansätze, wie Deals zum Emissionshandel, scheinen kurz vor der COP zur Strategie der VAE zu gehören. So unterzeichnete die emiratische Firma Blue Carbon kürzlich ein Abkommen mit Kenia über den Schutz von Millionen Hektar Land zur Generierung von Kohlenstoffgutschriften. Der Deal folgte anderen Vereinbarungen, die zuvor mit Liberia, Tansania, Zambia und Simbabwe, getroffen wurden und die zusammen eine Fläche von 24,5 Millionen Hektar betreffen. Der Umwelt- und Klimaschutzeffekt von Kohlenstoffgutschriften wird angezweifelt. Außerdem führen diese oftmals nicht zu dem beispielsweise versprochenen Beenden von Praktiken wie Abholzungen. Vielmehr gehen sie oft mit Vertreibung und Missachtung von Menschenrechten in den betroffenen Regionen lebender, oftmals indigener, Gemeinschaften einher. Sie stellen also eher eine Lizenz zum Verschmutzen dar.

Ein weiteres ambitioniertes Unterfangen des designierten COP-Präsidenten ist eine Ministererklärung zu Klima und Gesundheit, welche auf der Klimakonferenz verabschiedet werden soll. Das Zusammendenken von Klimawandel und Gesundheitsfolgen ist ein wichtiger und notwendiger Schritt. Aber auch hier scheinen es sich die Emirate schwer zu tun mit dem klaren Anzählen von fossilen Energieträgern als Hauptverursacher von Klimawandel und Gesundheitschäden. So tauchen diese im Entwurf des Dokumentes mit keinem Wort auf. Die Fragezeichen, mit der Al Jabers Ernennung zum COP-Präsidenten versehen sind, bestehen also fort und es ist zu befürchten, dass auch diese COP wieder mit Scheinlösungen die Zukunft unseres Planeten verzockt – ganz im Sinne des Profitinteresses fossiler Energieunternehmen. ADNOC selbst plant jedenfalls den Ausbau seiner Ölförderung von etwa vier Millionen auf fünf Millionen Barrel pro Tag bis 2027.

Widerstand gegen fossile Konzerne ist notwendig und möglich

Angesichts dieser Entwicklungen sind Initiativen, wie die für einen Sperrvertrag für fossile Energieträger, wichtige Ansätze, um das Pariser Klimaabkommen zu ergänzen. Aber auch im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen wird es eine wichtige Aufgabe für die Zivilgesellschaft bleiben, weiter auf die Einflussnahme von fossilen Lobbyist*innen aufmerksam zu machen und den Ausschluss von fossilen Konzernen zu fordern, wie es die Kampagne Kick Big Polluters Out tut. Während hier in Deutschland der Kampf gegen Kohlekraft gewonnen scheint und ein Ausstieg besiegelt ist, sehen die Entwicklungen bei Öl und Gas anders aus. Durch den massiven Ausbau einer Infrastruktur für Flüssiggasimporte sendet die Bundesregierung international das Signal aus, dass Deutschland langfristig ein Absatzmarkt für fossiles Gas bleibt. Es droht ein sogenannter Lock-In-Effekt – die hohen Investitionen in die fossile Infrastruktur verhindern das im Sinne der Klimaziele notwendige Umsteuern auf erneuerbare Energien. Aber auch gegen den Ausbau von LNG-Terminals gibt es inzwischen Proteste. Das Thema Öl hingegen scheint hier bisher wenig Beachtung zu erfahren. Deutschland ist in erster Linie Ölimporteur, und Öl kommt fast unsichtbar über Pipelines und auch anderweitig genutzte Häfen ins Land. Gleichzeitig hat keiner der größten Ölkonzerne seinen Hauptsitz in Deutschland. Vielleicht sind dies Gründe für eine fehlende Mobilisierung gegen Ölkonzerne. Dort, wo das Öl herkommt, wie in Nigeria oder Ecuador, haben die Ölförderung und deren zerstörerische Folgen gesellschaftlichen Widerstand hervorgerufen. Die gewonnenen Klagen nigerianischer Aktivist*innen gegen den Ölkonzern Shell, und das gerade erst erfolgreich verlaufene Referendum gegen die geplante Ölförderung im ecuadorianischen Nationalpark Yasuní stiften Hoffnung. Sie zeigen, dass die Zerstörung von Umwelt und die Verletzung von Menschenrechten durch Ölkonzerne und deren Fürsprecher*innen aus den Regierungen nicht ungestraft bleiben und nicht ohne Widerstand ablaufen werden.