Bislang ist am Landgericht Stuttgart an 28 Prozesstagen verhandelt worden. Am 21. Februar fiel das Urteil. Hier sind die wichtigsten Erkenntnisse aus dem bisherigen Prozessverlauf zusammengefasst.
Die Fakten sind klar, die Rechtslage leider nicht
Es ist unzweifelhaft, dass mehrere Tausend G36-Sturmgewehre auch in mexikanische Provinzen geliefert wurden, die von der Bundesregierung als nicht-belieferungsfähig angesehen wurden. Allerdings hat der Vorsitzende Richter mehrfach klar zu erkennen gegeben, dass seiner Auffassung nach die von der Bundesregierung erteilten Exportgenehmigungen rechtlich diese Lieferungen gar nicht ausgeschlossen haben.
Die entscheidende Rechtsfrage ist, ob die von Mexiko vorgelegten Endverbleibserklärungen – in denen nur unstrittige Bundesstaaten als Endempfänger angegeben waren – auch Teil der Genehmigung waren oder nicht. Der Vorsitzende Richter ist der Auffassung, dass sie es nicht waren, und dass es seiner Meinung nach sogar verwaltungsrechtlich gar nicht möglich ist, diese Einschränkung auf bestimmte Bundesstaaten zum Teil der Genehmigung zu machen. Es ist deshalb eher wahrscheinlich, dass die Kernpunkte der ursprünglichen Anklage in sich zusammenfallen und es dort einen Freispruch geben wird.
Allerdings hat das Gericht am 15. Prozesstag formal auch die Möglichkeit eingebracht, mindestens zwei der Angeklagten wegen «Erschleichens» einer Exportgenehmigung zu verurteilen, weil sie den Genehmigungsbehörden wichtige Informationen vorenthalten haben. Dieser Vorwurf betrifft die Angeklagten Ingo S. und Marianne B.
Deutlich geworden ist im Prozessverlauf auch, wie sehr das Wirtschaftsministerium (BMWi) darum bemüht war, Rüstungsexporte zu ermöglichen, obwohl es doch eigentlich als Kontrollorgan fungieren sollte. Der zuständige Referatsleiter im Wirtschaftsministerium, Claus W., brachte es am 7. Prozesstag auf die einfache Formel: Sein Ministerium heiße «Ministerium FÜR Wirtschaft» und habe dementsprechend «ein Interesse daran, dass dieser renommierte Hersteller […] wirtschaftlich überleben kann.» Das wurde am 2. Prozesstag ähnlich auch vom Angeklagten Peter B. so formuliert: «Das BMWi als Wirtschaftsministerium war natürlich eher der Industrie zugeneigt und eher geneigt, Genehmigungen zu erteilen, wie das Auswärtige Amt.»
Die Anklage
Angeklagt sind fünf ehemalige Mitarbeiter*innen von Heckler & Koch:
- Peter B., ehem. Geschäftsführer und vordem Präsident des Landgerichtes Rottweil
- Joachim M., ehem. Geschäftsführer
- Ingo S., ehem. Vertriebsleiter
- Wolfram M., ehem. Vertriebsleiter
- Marianne B., ehem. Sachbearbeiterin
Für vier der Angeklagten lautet der Vorwurf auf Verbrechen eines gewerbs- und bandenmäßigen Verstoßes gegen das AWG (Außenwirtschaftsgesetz) sowie des vorsätzlichen Verstoßes gegen das KWKG (Kriegswaffenkontrollgesetz) in besonders schweren Fällen. Bei Wolfram M. beruht die Anklage nur auf dem Vorwurf der Fahrlässigkeit.
Die Anklage bezieht sich auf insgesamt 16 Einzellieferungen von Gewehren und/oder Ersatzteilen nach Mexiko in den Jahren 2006 - 2009. Insgesamt wurden nach einer Auflistung von Heckler & Koch offenbar 10.077 G36 nach Mexiko geliefert (Prozesstag 24).
Gleich am ersten Prozesstag wurde das Verfahren gegen den Handelsvertreter von Heckler & Koch in Mexiko, Markus B., abgetrennt. Er war nicht zum Termin erschienen, weil er angeblich aus gesundheitlichen Gründen nicht reisefähig sei.
Das Plädoyer der Staatsanwaltschaft
In ihrem Plädoyer am 26. Prozesstag ging die Staatsanwaltschaft davon aus, dass alle Genehmigungen erschlichen worden seien, denn die wirklichen Abnehmer seien nie benannt worden. Für die vier bedenklichen Bundesstaaten (Chiapas, Chihuahua, Guerrero, Jalisco) sei nie eine Genehmigung beantragt worden, deshalb können auch keine Waffen dorthin genehmigt worden sein.
Wörtlich sagte der Staatsanwalt: «Es ist nicht richtig, dass es straflos sein soll, Waffen nach Mexiko zu liefern, von denen man weiß, dass sie in Bundesstaaten landen, die nicht beantragt waren.» «Sonst wird das ganze Außenwirtschaftsgesetz torpediert!“„Die Endverbleibserklärungen wären reine Makulatur.»
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass sich im Hause Heckler & Koch eine Bande gebildet hatte, deren Ziel es gewesen sei, eine genehmigungsfähige Papierlage für die Mexiko-Exporte zu schaffen. Die Mitglieder der Bande waren bemüht, entsprechende Endverbleibserklärungen zu bekommen und wussten gleichzeitig, dass diese gar nicht die tatsächlichen Empfänger auswiesen. Haupttäter seien der mittlerweile verstorbene Axel H. sowie der in Mexiko lebende Markus B. gewesen. Von den Angeklagten sollen noch Marianne B. und Ingo S. Mitglieder der Bande gewesen sein.
Der ehemalige Vertriebsleiter Ingo S. sei Mittäter gewesen. Er wusste nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft, dass Endverbleibserklärungen und der tatsächliche Endverbleib nicht übereinstimmten. Ihm wird in drei Fällen ein Verstoß gegen das KWKG in besonders schweren Fällen vorgeworfen, für ihn beantragte die Staatsanwaltschaft eine Haftstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten.
Die ehemalige Sachbearbeiterin Marianne B. sei dagegen nicht Mittäterin gewesen, ihr könne nur Beihilfe vorgeworfen werden. Ihr droht eine Haftstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten.
Auch der ehemalige Landgerichtspräsident Peter B. hat sich nach Ansicht der Staatsanwaltschaft als ehemaliger Behördenbeauftragter und später auch Ausfuhrverantwortlicher bei Heckler & Koch strafbar gemacht. Er sei nicht Mitglied der Bande gewesen und habe auch nicht gewerbsmäßig gehandelt, deshalb forderte die Staatsanwaltschaft bei ihm nur eine Gesamtstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten, die bei einer Geldzahlung von 200.000 Euro zur Bewährung ausgesetzt werden kann.
Für die anderen beiden Angeklagten forderte die Staatsanwaltschaft einen Freispruch.
Die Rolle der Firma Heckler & Koch in dem Verfahren
Angeklagt sind in diesem Prozess zwar nur einzelne ehemalige Mitarbeiter*innen von Heckler & Koch (HK) und nicht die Firma selbst, weil es in Deutschland kein entsprechendes Unternehmensstrafrecht gibt. HK ist jedoch auch am Verfahren beteiligt, weil der Firma im Falle einer Verurteilung eine Unternehmensgeldbuße droht. Nach einer Erklärung der Staatsanwaltschaft am 18. Prozesstag gäbe es zwei Möglichkeiten, diese Strafe zu berechnen. Entweder nur der mit dem Geschäft gemachte Gewinn, oder aber eine «strafrechtliche Abschöpfung», bei der der komplette Kaufpreis ohne Abzug der Produktionskosten eingezogen werden würde.
In ihrem Plädoyer beantragte der Staatsanwalt die Einbeziehung des kompletten Bruttokaufpreises aller Waffen, die in den bedenklichen Bundesstaaten gelandet sind. Für diese errechnete sie einen Gesamtpreis von 4.104.276,37 Euro.
Am 28. Prozesstag entgegnete der Rechtsanwalt von Heckler & Koch, dass die Strafe (die offiziell nicht Strafe, sondern «Einziehung» heißt) für die Firma bei maximal 200.000 Euro liegen dürfe. Die Herstellungskosten müssten abgezogen werden, da die Herstellung einer Waffe ein «neutraler Vorgang» sei und nicht willentlich für die Begehung einer möglichen Tat eingesetzt worden sei. Deshalb dürfe nur der Gewinn in Höhe von ca. 200.000 Euro abgeschöpft werden.
Die Faktenlage
Im Prozess wurden folgende Fakten zu dem Mexiko-Geschäft erhoben:
- Ursprünglich war das Auswärtige Amt gegen den Export, wegen der schlechten Menschenrechtslage in einzelnen mexikanischen Bundesstaaten (Chihuahua, Guerrero, Jalisco und Chiapas). Erst als in den vorgelegten Endverbleibserklärungen (EVE) diese Bundesstaaten ausgeschlossen wurden, wurden die Exporte genehmigt. Eine EVE ist ein Dokument, in dem die mexikanische Regierung der deutschen Bundesregierung zusichert, wo die gelieferten Waffen am Ende verbleiben werden. Es muss zwingend mit jedem Antrag auf eine Rüstungsexportgenehmigung vorgelegt werden.
- Es wurden mehrfach EVEs ausgetauscht, d.h. es wurden immer neue Versionen vorgelegt, bis keine «heiklen» Bundesstaaten mehr darin waren. So stand nach Aussage des Chefermittlers des Zollkriminalamtes (5. Tag) einmal der Bundesstaat Puebla ursprünglich nur mit 20 Waffen auf der Liste, nach der Streichung des heiklen Bundesstaates Chihuahua mit 450 Waffen standen dann für Puebla 470 Waffen auf der ausgetauschten EVE. Nachträglich konnte gezeigt werden, dass aus dieser Lieferung keine einzige Waffe tatsächlich an Puebla gegangen ist.
- HK-Mitarbeiter haben aktiv an der Formulierung der EVEs mitgearbeitet, obwohl dies eigentlich ein offizielles staatliches Dokument der mexikanischen Regierung ist. In einer am 4. Tag in den Prozess eingebrachten Email vom 25. April 2006 heißt es zum Beispiel vom früheren Mexiko-Vertreter von HK an die Zentrale: «Soll evtl. der Bundesstaat Guerrero nicht erwähnt werden?» In einem anderen Mail-Wechsel im Mai/Juni 2007 schlägt der HK-Mexiko-Vertreter vor: «Ich habe noch mal alle bisherigen Endverbleibserklärungen und die darin genannten Bundesstaaten durchgesehen, deshalb schlage ich jetzt folgende Liste vor...». Antwort aus der Zentrale: «Die Enduser sind alle ok, bis auf Jalisco, bitte weglassen.» Vier Tage später schickt die mexikanische Regierung dann die entsprechend angepasste Endverbleibserklärung (2. Prozesstag). Die Ermittler des Zollkriminalamtes (ZKA) sagten aus, dass es Heckler & Koch nur darum gegangen sei, eine «Papierlage» zu schaffen, mit der eine Genehmigungserteilung möglich war. Die tatsächliche Verteilung der G36 in Mexiko habe dabei keine Rolle gespielt. HK habe sich nicht bemüht, andere Abnehmer für die Waffen zu suchen, sondern eine neue Endverbleibserklärung zu bekommen (4. und 5. Prozesstag).
- Es sind mehrere Tausend Waffen auch in den Bundessstaaten gelandet, die nicht in den EVEs aufgeführt waren. Insgesamt sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft (26. Tag) 4702 G36-Gewehre im Wert von 4,1 Mio. Euro in die vier bedenklichen Staaten gelangt. Dazu kämen noch zwei MP5-Maschinenpistolen im Wert von 2064 Euro, die nach Guerrero geliefert wurden.
- Heckler & Koch wusste davon und hat sogar Waffenvorführungen in solchen Bundesstaaten durchgeführt. So hat der Angeklagte Joachim M. im Juni 2006 eine Reisegenehmigung für Guerrero unterzeichnet (3. Tag). In einer Mail vom Juli 2006 schrieb der Mexiko-Vertreter von HK an die Zentrale, dass 420 Gewehre in den Bundesstaat Guerrero geliefert worden seien (10. Tag). Zudem wurde bei HK intern eine Liste geführt mit einer Übersicht zu den G36-Lieferungen nach Mexiko im Jahre 2006. In dieser Liste gab es für jeden einzelnen Vertrag zwei (!) Spalten für die Endempfänger: eine für die in der EVE genannten Empfänger, und eine weitere mit den Endverwendern (23. Tag).
- Es gab ein Unrechtsbewusstsein bei HK. Der Zeuge Robert H., ehemals Waffenvorführer bei HK, hatte das Verfahren 2010 mit seiner Aussage bei der Staatsanwaltschaft ins Rollen gebracht. Er sagte am 12. Prozesstag aus, dass der damalige Verkaufsleiter ihm einmal gesagt habe: «Mensch, da haben wir brutal Schwein gehabt, fast wären sie dahintergekommen.... da sind wir gerade nochmal davongekommen.» Da ging es um die Lieferung von Zubehör nach Chiapas, obwohl in Chiapas keine Gewehre hätten sein dürfen. Zudem sagte er aus, der er einmal die Anweisung bekommen habe, eine Reise unbedingt über den Mexiko-Vertreter abrechnen solle. Auf die Frage, warum er Reiseabrechnungen fälschen solle, sei ihm gesagt worden, das Problem sei, dass genau diese Bundesländer, für die keine Genehmigung erteilt wurde, die eigentlichen Hauptkunden seien.
- Ein ehemaliger Behördenbeauftragter bei HK sagte am 22. Prozesstag aus, 2006 habe der damalige Geschäftsführer Dr. H. «die Verantwortung als Ausfuhrverantwortlicher ... abgegeben, weil es immer riskanter wurde, was wir so erfuhren, hintenrum. Da hat er gesagt, ich mach das nicht mehr.»
Zur Rolle der Behörden
Im Laufe des Verfahrens wurde deutlich, wie sehr das Wirtschaftsministerium (BMWi) Heckler & Koch bei diesen Exporten unterstützt hat. Bereits am 2. Prozesstag schilderte der Angeklagte Peter B., wie ihm die Genehmigungsbehörden den entscheidenden Tipp gegeben haben: «Wir würden vorschlagen, nehmen Sie das raus, dann geht das komplikationslos weiter.» Damit begann der Austausch der Endverbleibserklärungen, um die Exporte genehmigt zu bekommen.
Das BMWi war zuständig für die Erteilung der Genehmigungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz. Das BMWi hat es zu verantworten, dass die Einschränkung auf einzelne Bundesstaaten nicht explizit in den Genehmigungen formuliert wurde. Der zuständige Referatsleiter im BMWi, Claus W., musste am 7. Prozesstag zugeben, dass sie damals besser auch die Beschränkung auf bestimmte Bundesstaaten in die Genehmigung hätten reinschreiben sollen. «Das wäre eine Kleinigkeit gewesen, das in der Genehmigungsurkunde direkt mit aufzunehmen.» «Man mag uns jetzt Nachlässigkeit vorwerfen, aber wir haben nicht daran gedacht, wir dachten, es sei klar.»
Offenbar hat das BMWi auch regelmäßig interne Informationen an HK weitergegeben. So sagte am 6. Prozesstag der zuständige Mitarbeiter im Auswärtigen Amt, Jan F., aus, dass er damals die Kollegen vom BMWi ausdrücklich und schriftlich aufgefordert habe, seine Schreiben nicht direkt an Heckler & Koch weiterzuleiten. An internen Aktenvermerken eines der Angeklagten lässt sich jedoch zeigen, dass genau diese Informationen direkt von Claus W. im BMWi an Heckler & Koch geflossen sind.
Anders als das BMWi hat das Bundesausfuhramt (BAFA) sorgfältiger gearbeitet. Kurz zum Hintergrund: Beim Export von Kriegswaffen wird zunächst eine KWKG-Genehmigung vom BMWi erteilt, danach folgt die Genehmigung nach dem Außenwirtschaftsgesetz vom BAFA. In diesen Fällen folgt das BAFA schlicht der Entscheidung des BMWi, entsprechend lauten die Genehmigungen auch gleich. Handelt es sich jedoch nur um Zubehör und nicht um Kriegswaffen, braucht es keine KWKG-Genehmigung und das BAFA führt selbst die Prüfung durch. In solch einem Fall hat das BAFA in seiner Genehmigung ausdrücklich vermerkt, der Export sei «genehmigt, aber nicht zur Verwendung in Jalisco» (5., 8. und 9. Prozesstag).
Die zentrale Rechtsfrage: Sind EVEs Teil der Genehmigung?
Bereits am ersten Prozesstag bezeichnete der Vorsitzende Richter dies als «Gretchenfrage»: Was ist Inhalt der Genehmigung? Die Staatsanwaltschaft erklärte dazu am 8. Prozesstag, die Genehmigungen enthielten einen Zusatz, nach dem die «Angabe des Antragstellers, wonach die oben angegebenen Kriegswaffen für den Endverbleib in Mexiko bestimmt sind», Bestandteil der Genehmigungsentscheidung sei. Damit, so die Staatsanwaltschaft, werde die Endverbleibsangabe des Antragstellers zum Inhalt der Genehmigung gemacht.
Der Vorsitzende Richter erklärte jedoch mehrfach im Verlauf des Prozesses, dass er persönlich nicht sehen könne, wie überhaupt eine solche Einschränkung auf einzelne Bundesstaaten verwaltungsrechtlich zum Teil der Genehmigung gemacht werden könne. Denn die Lieferungen von HK gingen alle an das Zentrallager des Verteidigungsministeriums. Von dort aus habe das mexikanische Verteidigungsministerium die Waffen weiter in die einzelnen Bundesstaaten verkauft. Dies, so der Vorsitzende Richter, läge außerhalb der Kontrolle von HK, sie könnten deshalb auch nicht in einer Genehmigung darauf verpflichtet werden, bestimmte Bundesstaaten von der Lieferung auszuschließen. Auch verschiedene Zeug*innen des Bundesausfuhramtes sagten aus, dass die EVE zwar das entscheidende Dokument für den Antrag sei, aber nicht körperlicher Bestandteil der Genehmigung (9. und 14. Tag).
Das «Erschleichen» einer Genehmigung
Vor diesem Hintergrund könnte der 15. Prozesstag eine Art Wendepunkt in dem Verfahren gewesen sein. Denn an diesem Tag gab das Gericht einen formalen «Rechtlichen und Tatsächlichen Hinweis», nachdem für zwei Angeklagte auch eine Verurteilung wegen des Erschleichens einer Exportgenehmigung in Betracht komme.
Das begründete das Gericht damit, dass bei einem Tatkomplex (die erste Lieferung von 2020 G36-Sturmgewehren in 2006) eine Endverbleibserklärung beim Bundesausfuhramt vorgelegt worden sei, obwohl diese nicht rechtsgültig war – denn der zugrundeliegende Kaufvertrag war storniert worden. Bei einem anderen Tatkomplex könnte ein Erschleichen dadurch vorgelegen haben, dass EVEs vorgelegt wurden, von denen Beteiligte bei Heckler & Koch wussten, dass die mexikanischen Behörden gar nicht beabsichtigten, den angegebenen Endverbleib zu gewährleisten.
Betroffen von diesem Vorwurf ist vor allem Ingo S. Der hat zum Beispiel auf die Frage «Soll evtl. der Bundesstaat Guerrero nicht erwähnt werden?» im April 2006 geantwortet, falls Guerrero bisher genehmigt wurde, könne das ruhig drinbleiben. Dazu stellte der Vorsitzende Richter fest, dass diese Frage keinen Sinn mache, denn aus der Mail ist eindeutig zu entnehmen, dass Guerrero Waffen bekommen soll, und dann muss Guerrero natürlich auf jeden Fall auch in den Papieren auftauchen.
Als zweite Angeklagte ist die Sachbearbeiterin Marianne B. vom Vorwurf der «Erschleichung» betroffen, möglicherweise nur wegen Beihilfe. Sie hat z.B. konkrete Vorschläge zu den EVE abgegeben, unter anderem in einer Mail vom 31. Oktober 2006: «Ich meine, es wäre sinnvoll, die mexikanische Armee als Endverwender anzugeben.»
Die Strategie der Verteidigung
Verteidiger und Angeklagte stehen auf dem Standpunkt, dass es nie eine Liste verbotener Bundesstaaten gegeben habe. Es habe lediglich «genehmigungsrechtlich bedenkliche Staaten» gegeben, aber eben keine Verbotsliste (Tag 1). Die Genehmigungen lauteten auf einen «Export nach Mexiko». Die Beschränkung auf einzelne Bundesstaaten befänden sich nur in den EVE. Diese seien allerdings nach Ansicht der Verteidigung nicht Bestandteil der Genehmigung. Damit habe HK auch nie gegen eine Genehmigung verstoßen, da der Export nach Mexiko ja genehmigt war.
Die Angeklagten behaupteten mehrfach, dass sie gar nicht gewusst hätten, dass die Waffen in andere Staaten gelangt seien als in den EVE angegeben, die unwahren Angaben aus Mexiko hätten letztlich auch sie getäuscht (z.B. Joachim M. am 2. und 3. Tag oder Ingo S. am 17. Tag).
Die Verteidigung von Marianne B. fußt vor allem darauf, dass sie eine einfache Sachbearbeiterin ohne Entscheidungskompetenz gewesen sei, die schlicht Aufträge ausführte, von denen sie nicht wusste, dass sie möglicherweise Rechtsverstöße darstellten.
Sobald ein Export stattgefunden hat, ist nichts mit sicherstellen mehr. […] Fort ist fort.
Claus W., BMWi, am 7. Prozesstag