Heckler & Koch: Ein schmutziger Waffendeal vor Gericht
Das Landgericht Stuttgart sah es als erwiesen an, dass die Genehmigungen für den Export nach Mexiko erschlichen waren, weil den deutschen Behörden als unrichtig erkannte Endverbleibserklärungen vorgelegt wurden. Tausende G36-Sturmgewehre sind auf diese Weise in mexikanische Bundesstaaten geliefert worden, für die es keine Exportgenehmigung gab. Der Prozess begann am 15. Mai in Stuttgart und endete mit einer Verurteilung am 21. Februar 2019. Rüstungsexperte Jan van Aken beobachtete den Prozess für die Rosa-Luxemburg-Stiftung.
Am 15. Mai 2018 begann vor dem Landgericht Stuttgart der Prozess gegen sechs frühere Manager von Heckler & Koch. Der Vorwurf: Mehrere tausend G36-Sturmgewehre sollen auch in mexikanische Bundesstaaten geliefert worden sein, für die es keine deutsche Exportgenehmigung gab. Das wäre ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontroll- und das Außenwirtschaftsgesetz.
Das Brisante an diesem Prozess: Über einen Whistleblower sind viele interne Dokumente aus dem Genehmigungsverfahren öffentlich geworden. Danach haben die damaligen Genehmigungsbehörden Heckler & Koch aktiv beim Zustandekommen des Deals unterstützt. Allerdings wurden die Ermittlungen gegen die beteiligten Beamten eingestellt. Vor Gericht standen jetzt vier frühere Vertriebsmitarbeiter*innen sowie zwei ehemalige Geschäftsführer von Heckler & Koch, darunter der ehemalige Präsident des Landgerichts Rottweil.
Das Urteil erging am 21. Februar 2019: 17 Monate für die Sachbearbeiterin Marianne B. und 22 Monate für den ehem. Vertriebsleiter Ingo S. Von Heckler & Koch wird der gesamte Verkaufserlös in Höhe von 3,7 Mio. Euro eingezogen. Die drei anderen Angeklagten wurden freigesprochen mangels Beweisen.
Die ARD strahlte am 1. April einen Themenabend zum Waffenhandel aus. Darin spielten die Geschäftspraktiken von Heckler & Koch eine wesentliche Rolle. Nachzuschauen in der ARD-Mediathek bis 1. April 2021.
Sehr zu empfehlen ist auch die Web-Dokumentation von Katja Beck, Daniel Harrich und Patricius Mayer: Waffen für Mexiko – Der Fall Heckler und Koch.
«Die Grundsätze der Bundesregierung sagen deutlich: Keine deutschen Waffen in Kriegs- und Krisengebiete. Die für diese Dokumentation ausgewerteten Dokumente zeigen jedoch, wie es Rüstungsunternehmen möglich ist, das Genehmigungsverfahren zu manipulieren und mit Hilfe deutscher Ministerien Kontrollmechanismen auszuhebeln.»
Mehr Hintergrundinformationen finden in der umfangreichen Multimedia-Dokumentation von SWR und BR: Tödliche Exporte
Zum Hintergrund
Insgesamt hat Heckler & Koch von 2006 bis 2009 über 10.000 Sturmgewehre nach Mexiko geliefert. Dagegen legte das Auswärtige Amt noch bis zum Herbst 2005 ein Veto ein, da in vielen Teilen Mexikos Polizeiangehörige an massiven Menschenrechtsverletzungen beteiligt sind. Oft arbeiten Sicherheitskräfte dort eng mit der Drogenmafia zusammen.
Nach der Bundestagswahl 2005 kam es dann – unter dem neuen Außenminister Steinmeier – zu einer Kehrtwende. Mit kosmetischen Korrekturen wurde der Deal plötzlich genehmigungsfähig. Dazu gehörte ein Passus, nach dem die vier mexikanischen Bundesstaaten Chiapas, Chihuahua, Guerrero, Jalisco nicht beliefert werden dürften. Es gab Sonderregelungen für diesen Deal, die laut internen Dokumenten aus dem Bundesausfuhramt als «Lex Heckler & Koch» bezeichnet wurden.
Bereits vor acht Jahren, im April 2010, hatte der Waffenexportgegner Jürgen Grässlin in dieser Angelegenheit Strafanzeige gestellt, nachdem ihm von einem Whistleblower aus dem Unternehmen viele interne Dokumente zugespielt worden waren aus denen hervorging, dass auch in die «verbotenen» Provinzen Sturmgewehre geliefert worden waren. Es hat dann fünf Jahre bis zur Anklageerhebung und weitere drei Jahre bis zum Prozessbeginn gedauert.
Bereits 2013 gab es in dieser Angelegenheit einen ersten Prozess, vor dem Arbeitsgericht Freiburg. Dort hatten zwei ehemalige Heckler & Koch-Mitarbeiter gegen ihre fristlose Kündigung geklagt, mit Erfolg. Schon in diesem Verfahren kamen das undurchsichtige Verhalten der Genehmigungsbehörden und ihre praktische Beihilfe an diesem Deal zur Sprache.
Zusammen mit dem freien Journalisten Andreas Ellinger hat der frühere Bundestagsabgeordnete Jan van Aken alle relevanten Details der Verhandlungstage protokolliert, analysieret und bewertet. Die Zusammenfassungen haben wir auf dieser Seite veröffentlichet.
Kontakt
Das Prozessbeobachtungs-Team kann per Email unter waffenexporte@rosalux.org oder telefonisch über Jannine Hamilton (Presse) erreicht werden: 030 44310-479 / 0173 6096103#
Mehr Informationen: waffenexporte.org